Volksverhetzung, Verleumdung, Beleidigung – Schuldig in neun von elf Anklagepunkten: elf Monate Haft auf Bewährung für Sven Liebich
Urteil im Prozess gegen Sven Liebich: elf Monate Haft, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung. Zusätzlich muss Sven Liebich 200 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten. Wegen insgesamt elf Anklagepunkten stand Liebich vor Gericht. Es ging um Volksverhetzung, Verleumdung, Beleidigung, üble Nachrede und Beschimpfung von Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen. Vor der Urteilsverkündung musste sich Liebich zunächst umziehen. Er wollte mit einem orangefarbenen Overall, wie man ihn aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba kennt, in das Gebäude.
Gleich zu Beginn machte der vorsitzende Richter Michael Pilz noch einmal deutlich, welches die Kernfrage in diesem Prozess war: Ob die Äußerungen und Druckerzeugnisse Liebichs durch die Kunst- und/oder Meinungsfreiheit gedeckt seien? Denn, so Pilz, der Schutzbereich des Artikels 5 des Grundgesetzes umfasse auch polemische und scharf geäußerte Meinungen. Doch die Grenzen dieses Schutzbereiches seien klar definiert. Zum einen durch das Persönlichkeitsrecht und zum anderen die allgemeinen Gesetze, wie es in Artikel 5GG Abs. 2 heißt.
Hierunter falle zum Beispiel die Schmähkritik, bei der es nicht mehr um eine sachliche Auseinandersetzung mit einem Thema, sondern rein um die Verunglimpfung einer Person oder Personengruppe ginge. Bei der Bewertung einer Äußerung sei hier auch nicht die persönliche Ansicht des Äußernden maßgeblich, sondern wie ein unvoreingenommener, durchschnittlicher und objektiver Empfänger diese Äußerungen verstehen könne.
Beim Anklagepunkt bezüglich der Verleumdung von Frau Kühnast fand der Richter klare Worte. Die Äußerung Liebichs sei ein Falschzitat und Fake-News, welche eben nicht durch den Artikel 5GG geschützt seien. Liebich habe eine unwahre Tatsachenbehauptung aufgestellt, welche er durch die Angabe einer vermeintlichen Quelle noch stützen wollte. Dadurch seien die Leser getäuscht worden. Auch das Laienprivileg, auf welches sich Liebich während der Verhandlung berufen hatte, käme hier nicht zum Tragen. Der Angeklagte habe sich nicht auf die Äußerungen im Welt Artikel beschränkt, sondern diese durch eigene erweitert. Zudem lasse er andere Informationen weg und habe somit, aus seiner Sicht erkennbar, falsche Tatsachen behauptet.
„Bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen stehen außerhalb des Schutzbereiches des Art 5GG.“, so Pilz und weiter: „Die Tat war zweifellos geeignet, zumindest das politische Wirken der Frau Kühnast zu erschweren.“
Der Fall Schulz sei sehr ähnlich gelagert, sagte Pilz, auch wenn dieser wesentlich weniger Aufmerksamkeit auf sich gezogen habe. Auch hier sei klar, dass Herr Schulz die ihm nachgesagten Äußerungen so nicht getätigt habe. Die Veröffentlichung von Herrn Liebich und der damit hervorgerufene Eindruck seien geeignet gewesen, den Ruf von Herrn Schulz zu schädigen.
Den Tatvorwurf der Beleidigung zum Nachteil von Thorsten Hahnel und der Teilnehmer einer Demo gegen das ehemalige Haus der Identitären Bewegung in der Adam-Kuckhoff-Straße, sah das Gericht als begründet an. Äußerungen wie „Schaben“, „Zecken“ und „Linksterroristen“ seien geeignet, die Teilnehmer kollektiv zu beleidigen. Dabei sei der Demonstrationszug eindeutig genug gegenüber anderen Einzelpersonen oder Gruppen abgegrenzt gewesen. In seinem, während der Beweisaufnahme abgespielten, Video, reihe Liebich nur Beleidigungen aneinander. Auch hob Pilz hervor, dass die Beleidigungen im Video bereits begonnen hätten, lange bevor der Demonstrationszug in Sicht gewesen sei. Daher stünde für das Gericht fest, dass es Liebich nicht um eine Auseinandersetzung mit den Anliegen der Demonstrationsteilnehmer gegangen sei.
Zum Tatvorwurf der Beleidigung zum Nachteil von Thomas Laschyk, dem Betreiber des Internetauftrittes volksverpetzer.de, führte Pilz aus, dass der Angeklagte aufgrund der Äußerungen von Laschyk grundsätzlich das Recht auf Gegenschlag gehabt habe. Jedoch müsse ein solcher Gegenschlag adäquat sein. Laschyk habe drastisch ausgeteilt, was die im Raum stehenden Beleidigungen wie „Linksmade“ zumindest relativiere. Jedoch habe sich in der Hauptverhandlung herausgestellt, dass die von Liebich betriebene Seite tatsächlich ein „Lügenblog“ gewesen sei, wie der Geschädigte am Tag vor der getätigten Beleidigung behauptet hatte. Auf der Seite seien nachweißlich Fake-News verbreitet worden.
Auch die nächsten beiden Tatvorwürfe, wegen Beleidigung und übler Nachrede zum Nachteil von Thorsten Hahnel, sah das Gericht als erwiesen an. Die Einlassung des Angeklagten, dass die Facebook-Seite auf der die im Raum stehenden Äußerungen getätigt worden waren, gar nicht seine und somit eine Fake-Seite sei, wertete das Gericht als reine Schutzbehauptung. Unter anderem durch Screenshots von dort veröffentlichten Postings sei man zu der Überzeugung gelangt, dass Sven Liebich sehr wohl der Urheber dieser Texte gewesen sei.
Weiter standen nun noch vier Anklagepunkte der Volksverhetzung und eine Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen im Raum.
Pilz machte deutlich, dass man die fünf Aufkleber, über die verhandelt worden war, differenziert betrachtet habe. Die Kunstform sei nicht von vorneherein ausgeschlossen gewesen. Stehe jedoch die Meinungsäußerung im Vordergrund, so trete die Kunstfreiheit zurück. Auf der einen Seite machte Pilz auch hier wieder deutlich, dass Meinungsfreiheit eben nicht grenzenlos sei. Auf der anderen Seite stellte er jedoch fest: „Nicht alles was viele als anstößig empfinden, ist auch strafbar.“. Hierbei bezog er sich darauf, dass von Liebich angebotene Aufkleber und Motive regelmäßig zur Anzeige gebracht würden, diese Anzeigen bisher aber nicht zu Verurteilungen geführt hätten.
Zum §130 StGB der Volksverhetzung führte Pilz erklärend aus, dass hierunter nur zahlenmäßig nicht unerhebliche Gruppen der inländischen Bevölkerung fielen. Damit seien auch sich im Bundesgebiet aufhaltende Migranten, Asylbewerber und ausländische Staatsbürger gemeint, die durch gemeinsame Merkmale definiert werden können. Gleichzeitig machte er jedoch klar: „Menschenwürde ist im Verhältnis zur Meinungsfreiheit nicht abwägungsfähig.“, die Menschenwürde stehe über allem.
Bei zwei der vier angeklagten Fälle sah es das Gericht als erwiesen an, dass diese den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllten. Sie seien geeignet, unbegründete Vertrauenserschütterungen in der Bevölkerung hervorzurufen und den Äußerungen zugetane Gruppen zu Rechtsbrüchen zu ermutigen. Liebich habe sich in den letzten Jahren besonders mit der Flüchtlingsproblematik befasst. Er unterstelle jedoch in diesen zwei Fällen allen Flüchtlingen undifferenziert gewisse Charakterzüge. Dies seien pauschale, unwahre Darstellungen, welche geeignet seien, die öffentliche Ordnung zu gefährden.
Im Fall der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen lägen dem Gericht keine Rechtfertigungsgründe vor, die einer Verurteilung im Wege stünden. Es handele sich hierbei um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, eine konkrete Störung sei nicht notwendig, die Möglichkeit dieser Störung reiche aus. Dieses habe der Angeklagte bedingt vorsätzlich in Kauf genommen. „Der Kunstfreiheit sind durch das Wertesystem des Grundgesetzes Grenzen gesetzt.“, so Pilz. Bei der Darstellung des Propheten Mohammeds, wie auf einem Fahndungsplakat, stehe die beschimpfende, verächtlich machende Äußerung im Vordergrund. Weiter sagte Pilz, das Vertrauen in die Religionsfreiheit werde erschüttert, wenn eine solche Darstellung ungestraft möglich sei.
In zwei von vier Fällen der Volksverhetzung wurde Sven Liebich freigesprochen. Im ersten Anklagepunkt scheitere die Strafbarkeit bereits daran, dass Liebich mit seinen Aufklebern und den dortigen Texten nicht Bezug auf Teile der inländischen Bevölkerung genommen hat. Potenziell zukünftige Teile der Bevölkerung sind durch den Straftatbestand der Volksverhetzung nicht erfasst. Im zweiten Fall könne die Darstellung als spöttische, sarkastische Aufarbeitung gesehen werden. Sie ziele auf das Versagen des Rechtsstaates ab. Die Darstellung sei zwar grundsätzlich geeignet, die öffentliche Ordnung zu gefährden. Auch der bedingte Vorsatz des Angeklagten sei gegeben. In der Gesamtwürdigung sei diese sarkastische Darstellung jedoch nicht strafbar gewesen.
Zur Höhe des Strafmaßes führte Pilz aus, dies sei keine bloße Addition der einzelnen Strafmaße. So ergäben sich aus acht und sechs Monaten Haft, sowie insgesamt 315 Tagessätzen, die ausgesprochenen elf Monate Haft, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung. Zusätzlich müsse Sven Liebich binnen zehn Monaten, nachdem das Urteil rechtskräftig ist, 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit ableisten.
Zugute hielt das Gericht dem Angeklagten, dass dieser sich, bis auf einen Fall, zu allen angeklagten Taten bekannte und bisher nicht erheblich einschlägig vorbestraft sei. Nachdem der Richter noch über die Folgen einer etwaigen Zuwiderhandlung gegen die Bewährungsauflagen aufgeklärt hatte, gab er Sven Liebich einen letzten Rat mit auf den Weg: „Sehen sie also zu, dass sie sich an diese Auflagen halten, sobald das Urteil rechtskräftig ist.“
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und Sven Liebich selbst hat bereits Berufung angekündigt.















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