SPD, Linke und Grüne kritisieren Kürzungswünsche des Landes bei der ARD

Die öffentlich-rechtlichen Ferseh- und Radiosender verschlinken jährlich rund 8 Milliarden Euro. Sachsen-Anhalts Staatskanzlei-Chef und Medienminister Rainer Robra sieht hier Einsparpotentiale. So plädiert er in einem MZ-Interview dafür, die ARD als überregionalen Sender abzuschaffen und zu einem „Schaufenster der Regionen“ umzugestalten. Auch die Tagesschau wäre überflüssig, Spielfilme sollten nur im ZDF laufen.
Die medienpolitischen Sprecher der drei mitteldeutschen SPD-Landtagsfraktionen, Holger Hövelmann (Sachsen-Anhalt), Dirk Panter (Sachsen) und Werner Pidde (Thüringen) haben dem Vorstoß von Sachsen-Anhalts Staatskanzleichef Rainer Robra (CDU) zur Abschaffung der ARD als deutschlandweites Fernsehprogramm eine klare Absage erteilt. In einer gemeinsamen Stellungnahme erklären sie: „Dieser Vorstoß aus der CDU ist ein medienpolitischer Irrweg. Gerade in Zeiten der gezielten Verbreitung von fake news muss es unser gemeinsames Interesse sein, Sender und Formate zu stärken, deren Informationen Menschen vertrauen. Dazu gehören an vorderster Stelle die Tagesschau als führende deutsche Nachrichtensendung und die politischen Magazine der ARD. Neben den entsprechenden Angeboten des ZDF und der ARD-Rundfunkanstalten sichern sie Vielfalt, Qualität und Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Informationsangebots. Mit der SPD wird es deshalb keine Abschaffung der ARD als bundesweites Fernsehprogramm, keine Abschaffung der Tagesschau oder ähnliches geben. Angriffe der CDU auf die ARD haben Tradition, seit der Senderverbund existiert. Schon Konrad Adenauer wollte ihr ein Regierungsfernsehen entgegenstellen und scheiterte damit kläglich. Der Grundsatz der Staatsferne ist vom Bundesverfassungsgericht immer wieder bestätigt worden. Für Vorschläge aus der Politik zur Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist deshalb Zurückhaltung geboten. Darüber, wie die Sender ihren Versorgungsauftrag verbessern können, kann und sollte man reden. Wer aber stattdessen die Axt an eine tragende Säule des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland legt, bringt die Qualitätsdiskussion nicht voran, sondern verhindert sie.“
„Rainer Robras Vorschläge sind nicht neu. Schon 1995 hat Kurt Biedenkopf die Abschaffung des ERSTEN gefordert und auch Helmut Kohl stellte sich in seiner Zeit als Kanzler immer klar auf die Seite des Privatrundfunks. Unlängst forderte die CSU eine Fusion von ARD und ZDF“, sagte der medienpolitische Sprecher der Linken Stefan Gebhardt. „Der Hintergrund hierfür ist offensichtlich: Seit mehr als 7 Jahren fordern die Verleger, die Online-Angebote der ARD einzuschränken. Offenbar will Robra mit seinen Vorschlägen eine maximale Verhandlungsmasse aufbauen, so dass sich in der Medienpolitik möglichst wenig bewegt – er aber öffentlich als Reformer dasteht. Schließlich können in der Medienpolitik Veränderungen nur mit der Zustimmung aller Länder durchgesetzt werden. Doch mit seinen Ideen aus der Vergangenheit wird er keine Mehrheit unter den Ministerpräsidenten gewinnen. Aufgabe eines Medienministers ist es nicht, Lobbyismus für die Verleger zu machen. Es ist auch nicht die Aufgabe des ZDF-Fernsehrats-Mitglied Robra, Lobbyismus für das ZDF zu machen, indem er Angriffe auf die ARD startet. Die Aufgabe eines Medienministers ist es für ein vielfältiges journalistisches Angebot auf hohem Niveau zu sorgen. ARD und ZDF sollten sich nicht nur an Quoten orientieren, sondern möglichst allen eine hohe Qualität in Fernsehen, Radio und Internet bieten. Wenn immer mehr Menschen Medienangebote im Netz nutzen, dann muss es auch im Netz relevante journalistische Angebote geben, die unabhängig von kommerziellen und politischen Interessen erstellt werden. Für die Demokratie in Deutschland ist ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk mit ARD und ZDF unerlässlich. Wer sich hieran vergreift, vergreift sich an der Demokratie.“
Cornelia Lüddemann, Fraktionsvorsitzende der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen plädiert für den Erhalt der eigenständigen ARD. „Ich sehe jede Menge Redebedarf zur Modernisierung von ARD und ZDF. Aber mit der Abrissbirne den Sender platt zu machen und Tatort, Lindenstraße und Tagesschau abzuschaffen ist der falsche Weg“, macht Lüddemann klar. Die ARD ist für Lüddemann mehr als ein wichtiges Fenster zur Welt. „In der heutigen vernetzten Gesellschaft ist es von Bedeutung, dass Bürgerinnen und Bürger mehrere verlässliche Quellen haben, mit denen sie Nachrichten und Ereignisse sicher einordnen können. Allein zehn Millionen Zuschauer folgen jeden Abend die Tagesschau. Die ARD und das ZDF sichern die Vielfalt der deutschen Fernsehlandschaft auf hohem Niveau“, sagt Lüddemann und fügt hinzu: „Die Regionalprogramme stärken zu wollen, geht auch ohne die ARD zu schwächen. “Immense Einsparungen können mit Robras Vorschlag mit Sicherheit nicht erzielt werden, während aber der Verlust des Senders ein großes Loch in der Fernsehlandschaft hinterlassen würde. „Tatsächlich produzieren MDR, WDR und Co. bereits heute die Inhalte des ARD-Programms. Selbst im Hauptstadtstudio sitzen nur Journalisten der regionalen Sender“, sagt Lüddemann. Der Rundfunkbeitrag sollte aus Lüddemanns Sicht nach 2020 stabil bei 17,50 Euro bleiben. „Die Sender selbst müssen kritisch auf ihren Strukturen schauen und Vorschläge für Einsparungen vorlegen, die mehr als nur Kosmetik sind. Überteuerte Live-Übertragungen von internationalen Sportereignissen sind zu überdenken“, so die Fraktionsvorsitzende abschießend.
“Als grundsätzlich richtig“ bezeichnet Lydia Hüskens, stellvertretende Landesvorsitzende der FDP Sachsen-Anhalt, die Forderungen des Staatsministers Robra nach grundsätzlichen Veränderungen beim Öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Ziel muss es sein, dass die Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler keine Doppelstrukturen finanzieren, wie sie bei 60 eigenständigen Hörfunkprogrammen unvermeidbar und bei sich ähnelnden Sendungen im Fernsehen offenkundig sind. Der Rundfunkbeitrag darf nicht weiter steigen. Im Gegenteil: Eine Entlastung der Beitragszahler wäre möglich und nötig.“ Deshalb sei eine grundlegende Modernisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks voranzutreiben, die sich in der Struktur und dem Angebot an den Bedürfnissen der Menschen orientiere, die ihn bezahlen. „Gut recherchierte Nachrichten, auf deren Inhalt sich die Bürger verlassen können, sind gerade aktuell ein Wert an sich. Deshalb halte ich – anders als Herr Robra – zwei deutschlandweite Nachrichtenformate wie Tagesschau und heute-Sendung für durchaus vertretbar, allerdings viele andere Angebote der Sender für durchaus verzichtbar.“ Gleichzeitig muss dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukünftig die Möglichkeit gelassen werden, eigen- und auftragsproduzierte Inhalte länger in den Mediatheken vorzuhalten, sofern dafür die Rechte vorhanden sind und angemessen vergütet werden.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion Sachsen-Anhalt, Robert Farle, sagte: „Von den vielen Diskussionen im Landtag über eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks scheint zumindest ein bisschen bei der Regierung angekommen zu sein. Die Forderungen von Staatsminister Robra sind ein erster Schritt in die richtige Richtung, doch sie gehen nicht weit genug. Wir brauchen eine völlig neue Konzipierung der Rundfunkanstalten: Doppelte Strukturen kosten Geld und gehören abgeschafft. Das gilt auch für die Berichterstattung, die nach wie vor alles andere als neutral ist. Die CDU muss sich endlich darauf einstellen, die einseitige öffentliche Berichterstattung und Gebührenverschwendung einzudämmen. Unsere Fraktion würde die Einrichtung einer entsprechenden Kommission zur Neuordnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks daher sehr begrüßen.“
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