Power von der Eastside! DT64 – Das Jugendradio und seine Bewegung. Ausstellung und Präsentationsreihe ab Freitag im Puschkinhaus
Am Freitag wird im Puschkinhaus in der Kardinal-Albrecht-Straße 6 eine Ausstellung zum DDR-Jugendradio DT64 eröffnet. Die Schau ist Montag bis Freitag von 10 bis 22 Uhr, sowie am Wochenende von 15 bis 22 Uhr geöffnet. Der Eintritt zur Ausstellung ist frei.
Freitag um 18.30 Uhr finden die Vernissage, eine Diskussion sowie die Corax-Sendung „Grenzpunkt Null live“ statt, von DT64 zum Radio heute. Mit Marion Brasch und Rex Joswig. Der erkämpften Rettung von DT64 mit der Übernahme durch den MDR folgte die Umbenennung in Sputnik, während ein Teil der prägenden DT64-Figuren im fusionierten Berlin-Brandenburger Rundfunk landete, wenn auch teils abseits der Mikrofone. Was allerdings nicht für Marion Brasch gilt, die sich besonders für den Sender engagierte und heute zu den beliebtesten Stimmen von Radio Eins in Berlin zählt, mittlerweile aber auch als Schriftstellerin erfolgreich ist und sich dem Erbe der Brasch-Familie widmet. Grenzpunkt Null, die Sounds und Poesie mixende Show von Rex Joswig hingegen, die 1992 noch bei DT64 startete und dann bis 1998 auf MDR Sputnik zu hören war, fiel wohl der zum Fetisch erhobenen „Durchhörbarkeit“ zum Opfer. Seit 2010 lebt sie allerdings im freien Radio fort. Zusammen wollen sie sowohl eine Rückschau als auch eine kritische Betrachtung der Entwicklungen von DT64 hin zu heutigem Radio unternehmen und der Frage nachgehen, ob und wie die erwachsen gewordene Popkultur im Medium Radio noch präsentiert werden kann.
„Power von der Eastside!“ war der selbstbewusste Slogan des einstigen DDR-Jugendradios DT64, mit dem am 31.12.1991 Schluss sein sollte, wie festgelegt in Artikel 36 des Einigungsvertrags zwischen BRD und DDR. Denn der bedeutete, dass auf deren ehemaligem Territorium eine Medienlandschaft adäquat der bundesdeutschen entstehen sollte, in der entsprechend für ein übergreifendes Jugendradio kein Platz vorgesehen war, dass zumal ein Medien-Vertreter des nun untergehenden bzw. beitretenden Staates war. DT64 jedoch war ein Sender, der zwar vor dem Herbst 1989 kaum von politischen Leitlinien abweichend agieren konnte, dem es ab Herbst 1989 aber gelang, eine äußerst freie und lebendige Art an Jugendradio zu entwickeln und auf der Höhe der Zeit sowie auf Augenhöhe mit der Hörerschaft auf die rasanten gesellschaftlichen Veränderungen zu reagieren. Was eine Identifikation erzeugte, die sich offenbarte, als sich im Herbst 1991 eine vor allem jugendliche Massenbewegung zur Rettung formierte und den vertraglich scheinbar unumstößlich festgelegten Lauf der Geschichte doch noch leicht änderte.
A„Power von der Eastside!“ als von Leipzig ausgehendes Projekt der Publikationsplattform ZONIC erinnert nun an dieses phänomenale Geschehen mit einer Ausstellungs- und Präsentationsreihe, deren Stationen in den Jahren 2021 und 2022 bereits Dresden, Chemnitz, Berlin, Leipzig, Greifswald, Schwerin und Rostock waren.
Gezeigt wird dabei, wie mit Mahnwachen, Demonstrationen, Unterschriftensammlungen, Straßenfesten, Konzerten, Raves, winterlichem Protest-Campen, Besetzungen von Sendern oder Staatskanzleien, Hungerstreiks und vielen anderen Aktionsformen sowie kluger politischer Argumentation und Kommunikation der notwendige öffentliche Druck entstand. Wobei es sogar zu intensiver Ost-West-Kooperation kam, denn von den circa 80 DT64-Initiativen entstanden mehr als ein Viertel im Empfangsstreifen westlich der früheren deutsch-deutschen Grenze. Was dieses Massenengagement für ein Massenmedium zur wohl ersten tendenziell gesamtdeutschen sozialen Bewegung überhaupt machte. Die am Ende zumindest erreichte, dass DT64 vom MDR übernommen wurde. Der dann 1993 daraus MDR Sputnik machte, der von Halle aus sendete und später einen zunehmend anderen Charakter bekam. Mit Halle geht das Projekt also auch an die letzte Wirkungsstätte von DT64. Die Chancen für einen übergreifenden Jugendsender, der das Sendegebiet von DT64 umfasst, waren hingegen schon zerstört, als der ORB mit Ex-DT64-Mitgliedern das Rockradio B gründete, das später in Radio Fritz einfloss. Die Reflektionen der verlorenen Potentiale von DT64 und der späteren Radio-Entwicklung stehen daher genauso im Programm des Projekts wie Schwenks zur parallelen Entwicklung nicht legaler Piratenradios.
Die multimedial inszenierte Rückschau basiert auf den Archiven von Heiko Hilker, der damals in der äußerst wichtigen Dresdner DT64-Initiative war, und Jörg Wagner, der als Ex-DT64-Journalist zu dessen Chronisten wurde. „Power von der Eastside!“ versteht sich zudem auch als öffentlicher Zwischenschritt in erster Wiederannäherung an das Thema, als Auftakt archivierender wie analysierender Aufarbeitung.
Eine Kooperation der Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalt, der Landeszentrale politische Bildung SachsenAnhalt, Zonic, Radio Corax und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen-Anhalt. Die Ausstellung und Präsentationsreihe ist Bestandteil des Projektes 100 Jahre anderes Radio. Radio Corax wird am Tag der Ausstellungseröffnung (Fr, 29.9) ein Sonderprogramm von 10-18 Uhr zum Thema auf der UKW Frequenz 95,9 ausstrahlen.
„…fiel wohl der zum Fetisch erhobenen „Durchhörbarkeit“ zum Opfer.“
Fetisch trifft es wohl nicht ganz, wenn ein Radioprogramm mit einem guten Kompromiss (tagsüber Popgedudel und News, abends und nachts teilweise anspruchsvolle Themensendungen und Musik abseits des Mainstreams) so zurechtgestutzt wird, dass es am Ende ein Weghörradio wie alle anderen wird. Einziger Unterschied zum Privatradio ist die fehlende kommerzielle Produktwerbung.
Bildung Fehlanzeige – aber genau das war sicher kein Versehen.
Der Deutsche Freiheitssender 904 und der Schwarze Kanal sollten mit eingebunden werden .
DT64 muss eine wahre Bereicherung gerade in den letzten Tagen der DDR für die Menschen in dieser Region gewesen sein. Ich beneide euch, dass ihr so einen geilen Sender gehabt habt, da habe ich noch nicht gelebt. Jörg Wagner hat extrem spannende Zeitzeugen-Videos über diesen Sender auf seinen YouTube-Kanal.
Und der MDR hat noch längst nicht aufgehört mit dem Schlachten seiner Radioprogramme. 2018 wurde die Seele von MDR Sputnik endgültig entkernt, man hat mit Katrin (jetzt NDR2) und Raimund (jetzt MDR TH) die letzten lebendigen Morningshow-Gesichter/Stimmen entfernt und die eigenständig arbeitende Nachrichtenredaktion aufgelöst.
Nach mehreren erfolglosen Versuchen bei Youtube und Tiktok Fuß zu fassen fährt man Social Media mittlerweile genauso wie das Radioprogramm auf Sparflamme, sprich extrem oberflächlich, inhaltslos, ohne Relevanz. Bisschen Labern und Lärm. Wie bei einer Mumie, die noch am Beatmungsgerät hängt. Mittlerweile gibt es nur noch eine extrem oberflächliche Morningshow mit Ex-89.Nullern, eine Nachmittagssendung mit Ex-Energy-Stimmen (denen hört man wenigstens an, dass sie vom Radio sind) und am Wochenende eine komische vorproduzierte „Social Snack Samstag“-Sendung. Zu den hörerstarken Zeiten spielt man Nachrichten ein die zuvor bei MDR Jump vorproduziert wurden. Ansonsten ist der Glanz dieser „Jugendwelle“ komplett verloren gegangen, die Corona-Pandemie hat dann den Schlussstrich gezogen. Die letzten journalistischen und zielgruppenorientierten Formate waren Podcasts und die gibt es mittlerweile auch nicht mehr.
Rollo im gläsernen Studio runter, Sputnik tot. Der Kraftklub Podcast wird trotz Zugehörigkeit zu Chemnitz vom rbb produziert und in den Abendstunden versendet. Der Sender dürfte mittlerweile extrem kostengünstig gefahren werden, es sind ja eigentlich nur noch die Stromkosten für UKW und Studio die da wirklich Gewicht auf dem Papier haben, eventuell kommen noch die überbezahlten Moderatoren dazu (im Verhältnis zu der Arbeit die sie wirklich leisten).
MDR JUMP tritt neuerdings als Unterhaltungsmarke auf und hat sich letztens auch einen neuen Sound verpasst. Und das nur nach zwei Jahren, während MDR Sputnik mit einer 8 Jahre alten Verpackung rumdudelt. Jetzt kommt aber der große Knall! Auch bei dieser Popwelle, bei der man von außen denkt, dass sie finanziell gut aufgestellt ist, soll die eigene Nachrichtenredaktion demnächst wegfallen. Dann werden die ellenlangen trocken verlesenen Nachrichten von MDR aktuell auch tagsüber übernommen. Das passiert wenn man Jump als Unterhaltungsmarke zusammenfasst und den Geldtopf für Radio und Fernsehen teilen muss. Und dieser Laden möchte jetzt das ARD-Mittagsmagazin übernehmen? Bereits 2018 wurden auch die Regionalnachrichten um halb bei Jump gestrichen. Bisher las man schnell zusammen gegoogelte Nachrichten vor die man aus der Brigitte oder Bild-Zeitung recherchiert hat und jetzt hat man nicht mal mehr eine Nachrichtenpersönlichkeit. Das Verkehrszentrum besteht gefühlt nur aus Fabian Magerhans, und Raik Steingasser scheint in der noch vorhandenen Nachrichtenredaktion zusammen mit Hannes Ebert angekettet zu sein. So zumindest die Namensvielfalt, die man auf dem Sender hört. Das toxische Berufsehepaar Sarah und Lars darf nach 12 Jahren immer noch rumnerven obwohl die Luft da längst spürbar raus ist, Tino und Nora gehören längst auf den Morningshow-Sendeplatz um da endlich einen frischen Hauch reinzubringen. Die „Jump-Wellenleitung“ wie es intern heißt gehört auch längst ausgetauscht. Und die MDR1er sind im Grunde nur Oldie-Wellen mit Deutschpop-Anteil, auch hier keine Spur von Qualität. Bei dubisthalle.de werde ich kostenlos, ausführlich und in einer extrem hohen Schlagzahl über die Ereignisse in Halle und dem Saalekreis informiert, während ich bei MDR Sachsen-Anhalt dreimal am Tag in den Regionalstudios lediglich über irgendwelche Neugeburten im Zoo oder Gartenmessen informiert werde.
Der MDR hat sein Programm spürbar ausgedünnt und ich fühle mich definitiv nicht von ihm vertreten. Die Radiowellen werden alle extrem oberflächlich betrieben und das Fernsehprogramm ist extrem konservativ-nostalgisch ausgerichtet. Ich bin 23 und ich würde durchaus Radio hören, aber das Programm ist halt extrem beschissen wenn man das mal so sagen darf! Die Privatsender sind genauso schlimm hier im Osten, der MDR hat nicht mal den Anspruch, besser als die sein zu wollen. Da hilfts auch nicht wenn MDR JUMP irgendwelchen Möchtegernlustigen Internetfuzzis oder Motorradschrauber bezahlt, dass sie unter dem Label jump Videos produzieren sollen. Diese Produktion erreichen mich nicht weil sie mich nicht interessieren. Können wir nicht einfach die radioeins-Qualität in Mitteldeutschland haben? Zum Glück gibt’s das Internet, der MDR sorgt also auch dafür dass ich UKW, DAB+ und DVB-T2 meide. Die Alibi-Festplattendudler Tweens und Schlagerwelt werden mit den gebunkerten Millionen von Wille bezahlt? Wir können froh sein dass wir hier in Halle ein sogenanntes freies Radio haben. Das ist natürlich nicht zum Nebenbeihören gedacht, weil es überwiegend aus trockenem Wort besteht welches dazu auch noch sehr anspruchsvoll und themenkomplex ist. Aber auch hier gibt’s diverse Musiksendungen mit den wirklich abgefahrensten Genres, und das machen größtenteils Menschen die nicht mal ansatzweise der beruflichen Qualifikation von MDR-Mitarbeitern nahe kommen. Gerade die freien Radios im Osten sind ja eine Reaktion auf das Ende von DT64 gewesen. Lediglich radioeins vom rbb aus Potsdam hat noch die restlichen Spuren eines alternativen Programms aber selbst das möchte die Politik künftig von UKW verbannen, aus Kostengründen wie es heißt. Wir sind medial im Osten wirklich extrem schlecht aufgestellt auch wenn die Medienhäuser gerne mit ihrer PR was anderes behaupten. Wir brauchen keine 32 Radioprogramme die alle dieselbe Musik spielen und kaum Inhalt bieten. Und dann wundert ihr euch wirklich wenn alle zu Spotify abwandern? Die ARD ist da extrem blind und solange in den verkrusteten Strukturen das Geld fließt wird sich daran auch nichts ändern.
Danke Enrico Seppelt, dass du mit deiner Webseite zeigst, dass es auch anders geht und das als extrem kleine Organisation, die nicht mit öffentlich-rechtlichen Mitteln finanziert wird.
Ich habe nie verstanden, wieso man neben Sputnik auch noch JUMP mit der gleichen Alterszielgruppe etablieren musste (was außerdem mit kommerziellen Dudelradios konkurriert). Sollen sie JUMP abschaffen und das gesparte Geld in Sputnik investieren.
Weil Jump und Sputnik anfangs unterschiedliche Inhalte hatten, zumindest abends und nachts. Jump war immer schon Dudelfunk, insofern könnte man wirklich aus beiden Sendern einen machen.
DT 64 und MDR Sputnik – Dazwischen liegen Welten. Wie konnte es nur zu so einem Qualitätszusammenbruch kommen?
Kapitalismus.
Erst die Wende und anschließend ungehemmter Neoliberalismus.