Vergessen, verkannt, geehrt: Stadtmuseum Halle würdigt den halleschen Künstler Hans Nowak mit erster Ausstellung in seiner Heimatstadt

Nach Jahrzehnten im Schatten der öffentlichen Wahrnehmung kehrt ein Sohn der Stadt Halle (Saale) symbolisch zurück: Hans Nowak, 1922 ebendort geboren, ist die zentrale Figur der Ausstellung „Von Halle nach Halle“, die seit Kurzem im Stadtmuseum zu sehen ist. Es ist die erste umfassende Würdigung eines Künstlers, der zeitlebens mit seiner Geburtsstadt verbunden blieb – auch wenn sein Werk dort lange unbeachtet blieb.
Bis zum 6. Januar 2026 zeigt die Ausstellung rund 35 Werke – darunter Gemälde, Zeichnungen und Skizzen – sowie biografische Zeugnisse und zeitgeschichtliche Dokumente, die den Lebensweg eines Mannes nachzeichnen, dessen künstlerische Karriere ihn über Bielefeld, München, Paris und Niedersachsen führte – ohne dass er dabei je seine halleschen Wurzeln vergaß.
“Ich fand die Heimatverbundenheit spannend”, sagte Museumsdirektorin Jane Unger zur Intention, warum ausgerechnet das Stadtmuseum eine Kunstausstellung zeigt, wo es doch eigentlich kein Kunstmuseum ist.
Kindheit in Halle: Frühe Prägung am Moritzkirchhof
Hans Nowak wuchs in einem musisch geprägten Elternhaus am Moritzkirchhof auf – der Vater war Schneidermeister, die Mutter Sängerin am Stadttheater. Dieses Spannungsfeld aus Handwerk und Kunst wirkte prägend: In seinen frühen Arbeiten finden sich Porträts der Mutter, Szenen vom halleschen Wochenmarkt und Selbstbildnisse, die bereits eine klare künstlerische Handschrift erkennen lassen.
Ein geplanter nächster Schritt ist die Anbringung einer Gedenktafel am Moritzkirchhof – ein sichtbares Zeichen der Rückbesinnung auf einen lange übersehenen Sohn der Stadt.
Künstlerischer Weg eines Autodidakten
Mit dem Umzug nach Bielefeld in den 1930er Jahren erwachte Nowaks künstlerische Ambition. Er entschied sich früh, als Künstler leben zu wollen – und setzte dies auch gegen Widerstände um. Als Autodidakt ohne akademische Ausbildung entwickelte er eine eigene Bildsprache, verkaufte als Jugendlicher erste Werke von einem Eiswagen aus und arbeitete unermüdlich an seinem Stil.
Der Krieg brachte einen jähen Einschnitt: Nowak wurde zum Wehrdienst eingezogen, verweigerte mehrfach den Dienst und verbrachte dreieinhalb Jahre in Haft – wegen Fahnenflucht und Wehrkraftzersetzung. Nach dem Krieg führte ihn sein Weg in die Kunstzentren der Nachkriegszeit: München, Braunschweig, schließlich Paris, wo er als erster deutscher Künstler nach dem Krieg an den Jahresausstellungen im Grand Palais teilnahm und in die Société des Artistes aufgenommen wurde – ein bemerkenswerter Erfolg für einen Autodidakten.
Halle blieb ein Thema – trotz der Teilung
Trotz der geografischen und politischen Trennung blieb Halle ein wiederkehrendes Motiv in Nowaks Werk. Immer wieder kehrte er in Gedanken und Bildern zu seiner Heimatstadt zurück – und gelegentlich auch persönlich, trotz erschwerter Grenzverhältnisse. Ein eindrückliches Beispiel ist das Gemälde „Grenzkontrolle an der GÜST“, das die belastende Erfahrung der DDR-Grenzübergänge aus der Sicht eines Westdeutschen verarbeitet.
Auch sein Werk „Marktkirche Halle“ aus den 1970er Jahren zeigt diese anhaltende Auseinandersetzung mit der Heimat. In abstrahierten Formen und gedeckten Farben lässt es die hallesche Stadtsilhouette erkennen – beeinflusst von Lyonel Feiningers ikonischem Blickwinkel auf dasselbe Motiv. Das Gemälde lagerte lange unbeachtet im Depot des Stadtmuseums, bis es durch private Kunstsammler restauriert und so zum Ausgangspunkt der aktuellen Ausstellung wurde.
Stilistische Breite und politisches Gespür
Die Ausstellung legt großen Wert auf die stilistische Vielfalt von Nowaks Werk. Sie spannt den Bogen von naturalistischen Porträts über sozialrealistische Skizzen bis hin zu expressiven und abstrakten Arbeiten. Gezeigt werden u. a. Pariser Straßenszenen mit Clochards, frühe Bielefelder Zeichnungen und politische Arbeiten wie „Begegnung mit Dresden“, das die Zerrissenheit der Nachkriegszeit thematisiert.
Nowaks Werk ist dabei stets vom Zeitgeschehen durchdrungen, ohne je plakativ zu sein. Er beobachtete genau, verdichtete persönliche Erlebnisse zu künstlerischen Aussagen – ein Zugang, der ihn von vielen Zeitgenossen unterschied.
Der Monet-Skandal: Ruhm und Rückschlag
Ein drastischer Wendepunkt in Nowaks Laufbahn war der Kunstskandal von 1968. Im Auftrag des Stern-Magazins hatte er ein impressionistisches Gemälde im Stil Claude Monets gefertigt, das über Mittelsmänner einem Museumsdirektor präsentiert wurde. Die Kunstwelt zeigte sich begeistert – man glaubte, ein unbekanntes Werk Monets entdeckt zu haben. Als Nowak gemeinsam mit dem Stern die Täuschung aufdeckte, wollte man ihm zunächst keinen Glauben schenken.
Erst nachdem er das Bild aus dem Gedächtnis in der Redaktion des Magazins erneut malte, wurde die Fälschung anerkannt – doch sein Ruf blieb beschädigt. Fortan galt er als „Monet-Fälscher“, was dazu führte, dass seine Werke in vielen offiziellen Ausstellungskontexten nicht mehr berücksichtigt wurden. Ein Makel, der sein weiteres Schaffen überschattete, obwohl er nie in betrügerischer Absicht gehandelt hatte.
Ein Künstler mit 10.000 Werken – und ohne Verzeichnis
Kurator Prof. Dr. Bernd Lindner, der die Ausstellung wissenschaftlich betreut, schätzt Nowaks Œuvre auf über 10.000 Werke. Die meisten davon wurden verkauft – wohin genau, lässt sich heute kaum noch sagen, da Nowak kein Werkverzeichnis führte. Sein Werk ist damit ebenso weit verstreut wie seine Biografie – und gleichzeitig ein kostbares kulturelles Fragment, das nun erstmals in seiner Geburtsstadt zusammengeführt wird.
Späte Heimkehr – überfällige Würdigung
Die Ausstellung „Von Halle nach Halle“ ist mehr als ein museales Ereignis. Sie ist eine späte Anerkennung für einen Künstler, der sich nie in gängige Kategorien einordnen ließ – und dem genau das zum Verhängnis wurde. Dass nun ausgerechnet das Stadtmuseum, kein klassisches Kunstmuseum, diese Schau ausrichtet, ist ein bewusstes Zeichen. Museumsdirektorin Jane Unger betonte, es sei die Heimatverbundenheit Nowaks gewesen, die das Haus zu diesem Schritt bewogen habe.
Mit dieser Ausstellung erhält Hans Nowak in Halle posthum den Platz, den er zeitlebens dort nie hatte – als Künstler, der zwischen Ost und West, zwischen Tradition und Moderne, zwischen Ruhm und Missverständnis seinen ganz eigenen Weg ging.
Wenn Kunstfälscher geehrt werden, dann ist man in Halle.
Auf zur nächsten Runde bullshit Bingo.
Wenn ein T. sein Dauerabo auf „Dümmster Kommentar des Tages“ verliert, dann ist da olga…