Gibt es ihn auch ohne Hund? Was für ein Mensch ist er? Gespräch mit dem neuen Oberbürgermeister von Halle (Saale) Dr. Alexander Vogt

dubisthalle: In wenigen Tagen werden sie, Dr. Alexander Vogt, der neue Oberbürgermeister der Stadt Halle. Was für ein Mensch sind Sie? Und gibt es Sie ohne Hund?
Alexander Vogt: Also am besten beschreibt man mich, glaube ich, mit, „Ich bin Hallenser durch und durch!“ Und gibt es mich auch ohne Hund? Ja, gab es viele, viele Jahre. Ich habe meinen Hund erst 2019 bekommen. Vorher war es für mich einfach nicht möglich, einen Hund zu haben, weil ich viel gereist bin. Durch meine beruflichen Verpflichtungen in Brüssel und Straßburg war es für mich nicht möglich, einen Hund zu haben. Jetzt kann ich es noch, mit meinem Amtsantritt müssen mich dann Freunde unterstützen. Es bleiben dann wohl nur noch abendliche Gassirunden.
dubisthalle: Sie haben es gerade schon angesprochen, Hallenser durch und durch. Die Kindheit in der Bodestraße in Halle-Neustadt verbracht, kurz vor der Wende elf Jahre alt geworden. Was ist von der Kindheit in Halle-Neustadt hängen geblieben? Welche Erinnerungen haben Sie an die Wende? Sind da überhaupt noch lebendige Erinnerungen?
Alexander Vogt: Ja selbstverständlich ist noch sehr, sehr, sehr viel an Erinnerungen vorhanden. Grundsätzlich muss man sagen, wir haben sehr gut gelebt in Halle-Neustadt und wir wussten auch, dass wir innerhalb der DDR privilegiert waren. Es gab die kurzen Wege, die wir hatten. Schulweg fünf Minuten, Kindergarten war fast direkt vor der Haustür, keine zwei Minuten weg. Das war auch in der Stadt Halle und dem Umland bekannt und man ist da gerne hingezogen. Es gab Zentralheizungen, damit fließendes warmes Wasser aus der Wand, etc. Und ich bin aufgewachsen in einem Bewusstsein, dass Halle in der DDR eine sehr wichtige Stadt war. Die Wende bedeutet für mich u. a. Massenarbeitslosigkeit…
dubisthalle: Ihre Mutter war betroffen…
Alexander Vogt: Genau, dann das Thema: wer wird Landeshauptstadt? Wir wurden nicht Landeshauptstadt, die Entscheidung fiel am 28.10.1990 in Dessau. Ich weiß noch genau, das war ein Sonntag, ich kam mit meinem Papa von meiner Oma zurück aus Baalberge (Bernburg), wo meine Oma lebte. Am Hauptbahnhof sind wir in ein Taxi eingestiegen und mein Papa fragte, ob Halle Landeshauptstadt sei. Und dann meinte der Taxifahrer: Nein. Den Moment werde ich nie in meinem Leben vergessen. Ich bin auch davon überzeugt, dass es auch für viele Hallenser eine Zäsur war.
dubisthalle: Wirkt das noch nach?
Alexander Vogt: Ja, würde ich schon sagen, aber es ist so entschieden worden und Halle hat in meinen Augen unglaublich viel Potenzial, das komplett zu kompensieren. Ich muss jetzt auch mal als Geograph reden. Es war strategisch für die Entwicklung des Bundeslandes Sachsen-Anhalt die richtige Entscheidung, Magdeburg zu wählen. Bekanntlich hat Magdeburg im Zweiten Weltkrieg stark gelitten und wäre Magdeburg nicht Landeshauptstadt geworden, hätten wir mit der Entwicklung des nördlichen Sachsen-Anhalts ein fundamentales Problem bekommen. Wäre Halle Landeshauptstadt geworden, lägen wir im Städte-Ranking in Ostdeutschland jetzt ganz klar auf Nummer 4 nach Berlin, Leipzig und Dresden und hätten auch wesentlich mehr Einwohner. Es wäre für Halle großartig geworden, aber man muss für Sachsen-Anhalt sagen, dass das schon auf eine gewisse Art und Weise eine Entscheidung war, die ich nachvollziehen kann.
dubisthalle: Ein thematischer Sprung hin zu ihrer Ausbildung: Realschulabschluss, dann eine Ausbildung als Kaufmann für Bürokommunikation und das Abitur auf dem Zweiten Bildungsweg. Später dann das zweite Staatsexamen, um richtiger Lehrer zu werden, auch auf dem zweiten Bildungsweg, parallel zur Arbeitstätigkeit. Nicht unbedingt der einfachste Weg, dafür braucht man schon den Willen, es zu schaffen.
Alexander Vogt: Natürlich bin ich bereit, Leistung zu bringen, um Ziele zu erreichen. Da gehört ein starker Wille dazu. Ich habe in meinem Leben sehr viel aufgegeben, auch sicherlich im privaten Bereich, um das durchzuziehen. Ich bin ehrlich: ich bin ein Spätzünder gewesen. Ich war an der Schule nicht sehr gut, habe dann aber in der Ausbildung gemerkt, dass ich gerne studieren möchte. Daher habe ich im Zweiten Bildungsweg das Abitur nachgeholt, was ich aber jetzt nicht so schlimm fand, weil wir tagsüber für das Abitur gelernt haben. Man hat natürlich noch einen Nebenjob gehabt, das ist klar, aber ich fand das jetzt nicht so belastend. Ich fand es eine schöne Zeit, die drei Jahre. Das Thema Schule und zweites Staatsexamen: ich habe nicht Vollzeit gearbeitet und konnte somit das zweite Staatsexamen einfacher nachholen. Ich ziehe daher den Hut vor den Leuten, die tatsächlich 20 oder mehr Unterrichtsstunden leisten und dann noch das Staatsexamen nachholen.
dubisthalle: In ihrem Lebenslauf folgt nach dem Abitur das Studium in Freiburg im Breisgau , Montreal und Straßburg. Freiburg und Montreal liegen nicht unbedingt nebeneinander. Wie kam es zum Studium in diesen beiden Städten und hat zum einen Freiburgs Nähe zu Frankreich und die Tatsache, dass Montreal im französischsprachigen Teil Kanadas liegt, die ihnen nachgesagte liebe zur frankophonen Welt zum Leben erweckt?
Alexander Vogt: Also erstmal ist Freiburg im Breisgau die wärmste Stadt Deutschlands und es ist natürlich eine Stadt, die unglaublich international ist, weil sie nah an der Grenze zu Frankreich und der Schweiz liegt. Das liegt mir sehr und darum habe ich mich für Freiburg und Breisgau entschieden. Dort habe ich mich um einen Austauschplatz für Montreal beworben und bin dann auch an der englischsprachigen Universität angenommen worden.
dubisthalle: Warum an einer Englischsprachigen?
Alexander Vogt: Ich wollte eigentlich in Französisch studieren, hatte aber noch nicht das Leistungsniveau, damit das BAföG-Amt das bezahlt. Entsprechend habe ich an einer englischsprachigen Universität studiert, wo übrigens auch Prof. Brian Slack forschte, einer der bekanntesten Verkehrsgeografen ganz Kanadas. Dort habe ich in Englisch studiert, konnte jedoch im französischen Umfeld leben und so Französisch gelernt. Dann bin ich nach einem Jahr zurückgekommen, um noch kurzzeitig in Straßburg zu studieren. Ich habe da in Französisch ein Seminar zum Thema Geopolitik gemacht, um mein Französisch nochmal zu verbessern. Und ja, Französisch ist meine Lieblingssprache, auch mittlerweile meine Zweitsprache, die ich verhandlungssicher spreche. Ich bin ein großer Freund der französischsprachigen Welt und das erklärt auch Québec, Kanada und natürlich auch Frankreich.
dubisthalle: Nach der Wahl war Herr Vogt verschwunden, nur wenige Menschen wussten, wo sie waren. Kann man jetzt auflösen, wo sie sich Kraft für das Amt geholt haben?
Alexander Vogt: Ja, das kann ich erklären. Ich bin nach Brüssel gefahren, habe dort viele meiner alten Freunde wieder getroffen. Nebenbei habe ich angefangen, mein altes Netzwerk im Interesse von Halle zu reaktivieren.
dubisthalle: Freunde in Brüssel, da sind wir direkt beim nächsten Punkt. Acht Jahre als Büroleiter eines der Vizepräsidenten des Europäischen Parlamentes. Was für Netzwerke sind da entstanden und wie kann man die nutzen? Was hat es privat für sie bedeutet, weitere acht Jahre als Hallenser außerhalb von Halle zu leben?
Alexander Vogt: Es formt einen natürlich, wenn man so viele Jahre im In- und Ausland tätig ist.Man lernt auch einen globalen Blick auf die Dinge zu haben und versteht, dass es viele verschiedene Lösungen für Kommunen gibt, um Ziele zu erreichen. Ich habe viele verschiedene Lösungsansätze und viele verschiedene Lösungen gesehen, die mir sicherlich jetzt auch zugutekommen werden in den nächsten 7 Jahren. Ich habe acht Jahre mit im Präsidium des Europäischen Parlamentes gesessen, hinter meinem Chef, und habe das Europäische Parlament, ich sage mal, aufgesaugt. Ich kenne die Prozesse, wie politische Entscheidungen getroffen werden, ich kenne das Zusammenspiel zwischen Interessensvertretern und Politikern. Ich war ja selbst auch vier Jahre Interessensvertreter für den Verband Deutsche Verkehrsunternehmen in Köln. Ich kenne das Zusammenspiel zwischen der Kommission, dem Parlament, das Zusammenspiel auch mit dem Rat, also den Interessen der Mitgliedstaaten, wie diese dort und auch in Brüssel vertreten werden. Ich kenne auch sehr gut die Möglichkeiten von Sachsen-Anhalt und von Halle in Brüssel besser vertreten zu sein, wie man das machen könnte. Ich weiß auch sehr gut, wie Fördermittel gestrickt werden, die Logik von Fördermitteln, die ja in der Kommission entstehen und dann im Europäischen Parlament noch verabschiedet werden. Brüssel ist ja auch ein Ort, wo sich die europäische Wirtschaft trifft. Da ist Dreisprachigkeit, wie in meinem Fall, und sind Netzwerke natürlich sehr von Vorteil für die Kommune Halle.
dubisthalle: Jetzt wieder ein Cut, der Schritt zurück. Warum zurück nach Halle?
Alexander Vogt: Man muss irgendwann wissen, wo man hingehört. Ich hatte in Brüssel mit jemandem ein Gespräch, der mich viele Jahre kennt und der hat mir gesagt, ja Alexander, du wolltest ja schon vor zehn Jahren Oberbürgermeister von Halle werden. Das hat er scherzhaft gesagt. Aber alle in meinem persönlichen Umfeld wissen, die mich seit vielen Jahren kennen, dass Halle immer meine Stadt war, meine Heimatstadt. Sicherlich spielte auch eine Rolle, dass hier mein soziales Umfeld ist, was sehr stabil ist, was immer stabil war. Brüssel ist ein Ort, wo man kommt und geht. Und ich kenne viele Menschen, die in Brüssel waren, die sagen dann auch nach fünf, sechs, sieben Jahren reicht es.
dubisthalle: Wie ist denn die Idee spruchreif geworden Oberbürgermeister werden zu wollen?
Alexander Vogt: Für mich ist es immer wichtig, etwas für Halle und die Menschen hier in meiner Heimatstadt zu tun. Dass es jetzt gleich das Amt des Oberbürgermeister für mich wurde, damit habe ich nicht gerechnet, muss ich ehrlich sagen. Zumal sich der Weg seit August als sehr kompliziert und steinig erwiesen hat, wie wir alle wissen. Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Jetzt muss ich natürlich liefern. Das werde ich und ich werde meine ganze Kraft jetzt in diese neue Position und die damit verbundenen Aufgaben investieren, zum Wohle der Hallenserinnen und Hallenser.
dubisthalle: Wir danken ihnen für das Gespräch Herr Vogt.

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