Krise & Aufbruch: die Franckeschen Stiftungen starten ins Themenjahr
Am Wochenende haben die Franckeschen Stiftungen in Halle (Saale) ihr Jahresprogramm gestartet, das sich in diesem Jahr Krise und Ausbruch widmet. Auf der Wiese vor den Stiftungen wurde das „KRISENFEST für alle Fälle!“ gefeiert. An verschiedenen Stationen konnten Kinder ihr Rüstzeug für alle Fälle zusammenzustellen. Die Biobäcker Fischer und Kirn haben zum Schaubacken in die historische Backstube eingeladen und wie in der Schulstadt Franckes gebacken.
Kein Gesellschaftsbereich sei von Krisen ausgenommen, sagte Thomas Müller-Bahlke, Direktor der Franckeschen Stiftungen. Man wolle in diesem Jahr der Frage nachgehen, was überhaupt eine Krise sei. Man erwarte keine einheitliche Antwort und keine Patentrezepte. Viel mehr hoffe man auf einen Wettstreit der Ideen.
Die Festrede Prof. Dr. Harald Welzer, Direktor der Futurzwei-Stiftung Zukunftsfähigkeit und Professor für Transformationsdesign an der Universität Flensburg, unter dem Titel „Wie wollen wir in Zukunft leben?“ Er warf erstmal die Frage auf, ob es denn überhaupt eine Krise gebe. Stattdessen sei eine Krise eine „mediale Dauererregung, während gleichzeitig die Lebensverhältnisse immer besser werden. Zudem sei das Wort „Krise“ auch „empirisch unzutreffend.“ So gebe es keine Klimakrise. Denn das suggeriere, man habe es nur mit einer Unterbrechung eines stabilen Zustands zu tun. „Aber es handelt sich um eine Veränderung, die Auswirkungen auf unser Leben hat. Der Zustand kehrt sich nicht um.“ Ebenso gebe es keine Flüchtlingskrise, hier stehe man erst am Beginn. „Hier gibt es keinen Rückgang auf die Ausgangssituation.“ Welzer nannte es zudem „Bullshit“, Menschen durch Mauern aufhalten zu wollen. „Das funktioniert nicht. Menschen. Die überleben wollen, lassen sich von Mauern nicht aufhalten.“ Das ganze Krisengerede verstelle die Perspektive, „dass wir die Gesellschaft besser machen können.“ Welzer kritisierte eine „permanente Negativkommunikation.“ Das habe zur Folge, dass Jugendliche die Zukunft nicht mehr als erstrebenswert ansehen. „Es ist gilt als etwas, das schlechter ist als die Gegenwart“, so Welzer, der dafür die Politik verantwortlich macht. „ Politik kümmert sich nur um die Gegenwart, nicht um die Zukunft.“ Allenfalls bei der Digitalisierung könne man etwas Bewegung beobachten. Aber für Welzer ist auch das nur „reine Reklame“ mit völlig unbestätigten Behauptungen.“ Als Beispiel nahm Welzer das autonome Fahren auf und fragte in den Saale, war eigentlich dafür ist. Gerade einmal fünf Anwesende haben sich daraufhin gemeldet. Die meisten hätten andere Vorstellungen von der Zukunft als eine durchtechnisierte Welt, sagte er. Zwei Tage Stromausfall würden auch schon reichen, dann könne man das I-Pad allenfalls als Brettchen zum Brot schmieren nutzen. Den Klimastreik nannte Welzer „positiv und vielversprechend.“ Er ging auch auf die Initiativen von Eltern und Wissenschaftlern ein. „Aber Solidarität bekunden nutzt nichts“, sagte er und rief dazu auf, sich auch aktiv an den Protesten zu beteiligen. Auch auf das ehrenamtliche Engagement ging Welzer ein. Dies müsse man „zum normalen Alltag machen.“ Die Idee sei einfach umzusetzen. Ein Fünftel seiner Arbeitszeit solle man für das Gemeinwohl verwenden. Ein Problem seien Filterblasen, meinte Welzer, die man durch eine gemeinnützige Arbeit aufbrechen könne. Beispielhaft nannte er einen LKW-Fahrer an der Bezahltheke einer Autobahnraststätte. Das habe sich darüber aufgeregt, dass im Radio beispielsweise von fröhlichen Moderatoren immer nur von Begrüßungen an die Autofahrer ins Büro die Rede sei. Da würden aber viele ausgeschlossen. Gemeinnützige Arbeit könne helfen, die Filterblasen aufzubrechen und neue Perspektiven kennenzulernen. Wäre es nicht eine schöne Vorstellung, dass sich der CEO einer Bank in einem Hospiz engagiere. Einen kurzen Schwenk gab es auch noch zur Lebensqualität. Alles diskutiere über hohe Mietpreise und Flächenprobleme in Städten, doch niemand thematisiere, wieviel Fläche durch geparkte Autos verloren gehe. In München seien beispielsweise 12 Prozent der Verkehrsfläche mit parkenden Autos zugestellt. Welzer warb für eine „Stadt als Begegnungsraum“ und Autos aus den Innenstädte herauszuwerfen, um die Lebensqualität zu verbessern-
Am Samstagnachmittag wurden am Francke-Denkmal Kränze und Blumengestecke niedergelegt, um dem Gründer der Glauchschen Anstalten, August Hermann Francke, zu würdigen. Umrahmt von musikalischen Klängen des Stadtsingechores und des Blechbläserensembles der Latina hatten sich Vertreter der rund 40 auf dem Stiftungsgelände vertretenen Einrichtungen wie Grund- und Gemeinschaftsschule, Kindergärten, Freundeskreis und Instituten der Martin-Luther-Universität versammelt. Anlass für die Francke-Feier ist 356. Geburtstag August Hermann Franckes. Er kam am 22. März 1663 in Lübeck zur Welt. In Halle gründete er dann seine Schulstadt, die in alle Welt ausstrahlte.
Gestaltet wurde das 1829 errichtete Denkmal vom Berliner Bildhauer Christian Daniel Rauch. Ursprünglich waren zwei Knaben rechts und links neben Francke vorgesehen, am Ende wurden doch ein Junge und ein Mädchen daraus. Franckes Mantel ist dem des Luther-Denkmals in Wittenberg nachempfunden. Allerdings “fehlt” am Denkmal das Beffchen des Theologen. 5.000 Reichstaler kostete das Denkmal damals, weitere 2.442 Taler wurden für den Sockel nötig. Vor dem Waisenhaus auf dem Franckeplatz sollte das Denkmal seinen Platz finden, so hatte es die Stadt als Auftraggeber vorgesehen. Eine Kabinettsorder sagte dann aber: Ein geeigneter Platz im Hof des Waisenhauses. Dort am Ende des Lindenhofes steht es noch heute.
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