Müllhaufen als Zeitkapseln – Die Bauernkriege archäologisch entschlüsselt: Sonderausstellung im Landesmuseum eröffnet

Am Freitag wurde im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (Saale) die Kabinettausstellung ›Klöster. Geplündert. In den Wirren der Bauernaufstände‹ eröffnet. Bis zum 30. November 2025 bietet sie den Besucherinnen und Besuchern des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle (Saale) Einblicke in laufende Forschungen, die das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt seit 2023 an drei authentischen Orten des Bauernkriegs im heutigen Sachsen-Anhalt durchführt: den einstigen Klöstern Himmelpforte bei Wernigerode (Landkreis Harz) und Kaltenborn im Landkreis Mansfeld-Südharz sowie der erst 2024 wiederentdeckten Mallerbacher Kapelle bei Allstedt (ebenfalls Mansfeld-Südharz). Die Schau ist Teil der dezentralen Landesausstellung ›Gerechtigkeyt 1525‹. Im Mittelpunkt stehen Funde und Befunde, die Aufschluss über die Geschichte und das Alltagsleben an diesen Stätten sowie zu den gewaltsamen Geschehnissen geben, die sich dort vor 500 Jahren ereigneten.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff betonte, dass ja viele der damaligen Ereignisorte in Vergessenheit geraten sind, die Stellen heute bewaldete sind oder sich dort Ackerflächen befinden. Wie Landesarchäologe Harald Meller sagte. hatte man ursprünglich gar keine Ausstellung geplant. “Aber dann hatten wir spektakuläre Entdeckungen.” Wider erwartet habe man riesige Schutthaufen ausgegraben. “Etwas objektiveres, als Müllhaufen, gibt es nicht”, sagte Meller. Bei der Konzeption der Schau und den zuvor stattgefundenen Ausgrabungen es es wichtig gewesen, die Menschen vor Ort mitzunehmen. Und auch Besucher kamen immer mal wieder vorbei und schauten den Archäologen über die Schulter, insbesondere in Wernigerode, wo ein Wanderweg in unmittelbarer Nähe vorbei führte. Für Meller haben die Funde auch eine Bedeutung für die Landesidentität. Zudem könne man Kinder über den trockenen Unterricht hinaus begeistern. “Die Menschen sollen stolz sein auf ihre Schätze und historischen Traditionen.
Vor 500 Jahren wurde die alte Ordnung aus den Angeln gehoben. Zehntausende Menschen lehnten sich gegen die hergebrachten Obrigkeiten auf, denen gegenüber sie zu Abgaben und Diensten verpflichtet waren, mit denen sie oftmals aber auch wirtschaftlich konkurrierten. Erstmals stellte der ›gemeine Mann‹ über Herrschaftsgernzen hinweg Forderungen nach gerechter Behandlung und Selbstbestimmung, die heute von vielen als eine Forderung nach unveräußerlichen Grundrechten verstanden werden. Durch die an Fahrt aufnehmende Reformation war die Atmosphäre aufgeheizt und kirchlichen Einrichtungen gegenüber kritisch eingestellt. So wurden nicht nur Adelssitze, sondern vor allem auch Klöster Ziel von Angriffen der Aufständischen. Mit den im Frühling 1525 an zahlreichen Orten in Mitteldeutschland und Südwestdeutschland sowie Tirol parallel aufflammenden Konflikten kann der Bauernkrieg vor 500 Jahren als größter Volksaufstand vor der Französischen Revolution gelten.
Seit 2023 führt das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt archäologische Forschungsgrabungen an ausgewählten authentischen Stätten des Bauernkrieges auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt durch. Das einstige Augustiner-Chorherrenstift Kaltenborn bei Allstedt (Landkreis Mansfeld-Südharz) und das ehemalige Augustiner-Eremitenkloster Himmelpforte bei Wernigerode (Landkreis Harz) wurden im Zuge der Bauernkriegsaufstände überfallen und geplündert. Hinzu kommt die erst im vergangenen Jahr wiederentdeckte, ebenfalls bei Allstedt gelegene Mallerbacher Kapelle. Deren Zerstörung am Gründonnerstag des Jahres 1524 kann als Vorbote der gewaltsamen Auseinandersetzungen des Folgejahres in Mitteldeutschland gelten.
Gewissermaßen grabungsfrische Funde aus diesen Forschungen werden vom 28. Juni bis zum 30. November 2025 in der Kabinettausstellung ›Klöster. Geplündert. In den Wirren der Bauernaufstände‹ im Landesmuseum für Vorgeschichte als Beitrag des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt zur dezentralen Landesausstellung ›Gerechtigkeyt 1525‹ gezeigt. Ermöglicht wurde dies durch die Förderung durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und das Land Sachsen-Anhalt im Rahmen des Gedenkjahres ›Gerechtigkeyt. Thomas Müntzer & 500 Jahre Bauernkrieg‹.
Anlässlich der heutigen Eröffnung der Kabinettausstellung erklärte der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt Dr. Reiner Haseloff: »Geschichte kann durchaus spannend sein und nicht nur die Forscher, sondern auch interessierte Laien begeistern. Ich bin überzeugt, dass die Ausstellung archäologischer Funde aus den Trümmern zweier Klöster und der Mallerbacher Kapelle die Neugier vieler Menschen wecken wird. Das Landesmuseum hat mit dieser Schau einen sehr interessanten und wichtigen Beitrag zum Bauernkriegsgedenken geleistet«.
Die Kabinettausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte
Die Kabinettausstellung ›Klöster. Geplündert. In den Wirren der Bauernaufstände‹ führt erstmals ausgewählte Funde von authentischen Stätten des Bauernkrieges zusammen, die seit 2023 im Fokus archäologischer Forschungs¬grabungen des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt stehen.
Das Augustiner-Chorherrenstift Kaltenborn bei Emseloh (Stadt Allstedt) wurde 1118 durch den sächsisch-thüringischen Grafen Wichmann aus dem Erbe seiner Gemahlin Kunigunde, einer Tochter des als Begründer der Wartburg und der Neuenburg bei Freyburg bekannten Grafen Ludwig des Springers, gegründet. Es war eines der wohlhabendsten und angesehensten Klöster der Region. Am 30. April 1525 wurde es von Bauern aus den benachbarten Dörfern Emseloh und Riestedt gestürmt. Fenster wurden zerbrochen, die Orgel beschädigt, Vieh, Holz, Getreide und Vorräte gestohlen. Zuletzt legten die Plünderer Feuer.
Wie Kaltenborn, so war auch das 1253 durch das niederadelige Geschlecht von Hartesrode (Hasserode) gegündete Augustiner-Eremitenkloster Himmelpforte bei Wernigerode ein wichtiges religiöses, kulturelles und wirtschaftliches Zentrum seiner Region. Am 30. April oder 1. Mai 1525 wurde es von aufrührerischen Bauern und mehreren namentlich bekannten Bürgern aus Wernigerode erstürmt und geplündert.
Beide Klöster erholten sich nie vollständig von den Überfällen, wurden in der Reformationszeit aufgehoben und verschwanden nahezu komplett von der Erdoberfläche, bis die 2023 einsetzenden archäologischen Forschungsgrabungen Teile ihrer einstigen Bauten wieder ans Licht brachten. In der Kabinettausstellung ›Klöster. Geplündert. In den Wirren der Bauernaufstände‹ gewähren etwa 90 Exponate und Exponatgruppen auf rund 70 Quadratmetern Fläche Einblicke in die Geschichte dieser Orte und die laufenden Forschungen in enger Zusammenarbeit von Archäologie und Landesgeschichte. Münzen und Schreibgriffel, aber auch Fragmente glasierter Ofenkacheln und tönerne Murmeln vermitteln das Alltagsleben in den Konventen. Eingeschlagene Kirchenfenster und Reste von Büchern erlauben einen außergewöhnlichen Einblick in den Untergang der mittelalterlichen Klosterkultur. Bauernwehr, Axt und Hammer stehen für die Arbeitsgeräte der Bauern, die in den Aufständen auch als Waffen eingesetzt werden konnten. Die Nachbildung eines vollständig erhaltenen spätmittelalterlichen Hiebmessers, einer sogenannten Bauernwehr, aus Wittenberg, die eigens für die Kabinettausstellung angefertigt wurde, vermittelt Besucherinnen und Besuchern einen Eindruck von der Gestaltung und Haptik dieser Geräte.
Besondere Funde sind insbesondere ein kleiner Schatz von vier Goldgulden, die im Kloster Himmelpforte gefunden und womöglich im Zusammenhang mit der Plünderung 1525 in einem Versteck verborgen wurden. Ebenfalls aus Himmelpforte stammt ein weiterer außergewöhnlicher Fund in Gestalt eines Silberstifts. Es handelt sich um einen Buntmetallstift mit aufgelöteter Silberspitze, die es ermöglichte, auf speziell vorbehandeltem Papier oder Pergament feinste Linien zu zeichnen. Namhafte Künstler der Renaissance wie Albrecht Dürer oder Hans Baldung Grien nutzten auf Reisen oder in ihren Ateliers Silberstifte für Vorzeichnungen und Skizzen. Während einiger solcher Silberstiftzeichnungen heute in Museen erhalten sind, sind originale Silberstifte höchst selten.
Ein geradezu spektakulärer Fund aus dem Augustiner-Chorherrenstift Kaltenborn ist der bewusst zerstörte Siegelstempel des Konvents, der bis zu seiner Entdeckung während der letztjährigen Forschungsgrabung in Kaltenborn nur von einer Abbildung seines Abdrucks aus der Mitte des 18. Jahrhunderts bekannt war. Nach deren Vorbild lässt sich die Umschrift des Siegels rekonstruieren. Vom Siegelbild ist etwa ein Drittel erhalten. Recht gut zu erkennen ist ein Adlerkopf mit Heiligenschein, der das Sinnbild für den Evangelisten Johannes vermuten lässt, den Schutzheiligen des Klosters Kaltenborn.
Die erst im September 2024 wiederentdeckte Mallerbacher Kapelle wird in der Kabinettausstellung durch zwei Pilgerplaketten repräsentiert, die zwar nicht dort hergestellt, aber dort von Pilgern verloren oder gespendet wurden. Die Pilgerfahrt zu dem Marienbild, das in dem kleinen Gotteshaus verehrt wurde, wurde von keinem geringeren als dem 1524 in Allstedt als Prediger wirkenden Thomas Müntzer scharf verurteilt. Die Zerstörung der Kapelle durch mutmaßlich unter dem Einfluss Müntzers stehende Allstedter Bürger am Gründonnerstag 1524 gilt als Vorbote der gewaltsamen Auseinandersetzungen des Bauernkriegs im darauf folgenden Jahr.
















Das Gedenken an den Bauernkrieg hatte in der DDR einen hohen Stellenwert.
Nicht umsonst war Thomas Müntzer bei jedem präsent. In Form des 5 Mark Scheines.
Professor Werner Tübke hat zudem dereinst in über 10 jähriger Fleißarbeit in Bad Frankenhausen am Ort der Entscheidungsschlacht zum Thema das größte Gemälde der Welt geschaffen.
Absolut sehenswert.
Ich fände es ehrlich gesagt toll, wenn sich das Landesmuseum mit dem Panoramamuseum zusammen schließen würde und zum Thema was Gemeinsames auf die Beine stellen würde. Das hätte richtig Strahlkraft.
Die „Plünderungen“ und Zerstörungen von Kirchen, Klöstern und anderen klerikalen Stätten, bezog sich auf die Wut der geknechteten Bauern gegenüber den Pfaffen, die im Sinne der Grafen und Fürsten ihre Predigten hielten und mystifizierende Inhalte an den Realitäten von Hunger und Leid vorbei Ausgaben.
Das widerspricht der bisherigen Forschung.
Du bist vom Fach?
Wessen Forschung?
Von welchem Fach bist Du?
„Wessen Forschung?“
Gesellschaftswissenschaft – Geschichte.