Stadtrat lehnt Bewerbung als Kulturhauptstadt ab
Die Stadt Halle wird sich nicht um den Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2025“ bewerben. Der Stadtrat hat die Pläne der Verwaltung mit 23 Stimmen abgelehnt. 20 Räte waren für eine Bewerbung, vier enthielten sich.
Unter dem Titel „Halle (Saale): vernetzte Stadt“ sollte die Bewerbung für das Jahr 2025 erarbeitet werden. 1,3 Millionen Euro sollten dafür ausgegeben werden.
Doch vor der Entscheidung wurde lange diskutiert. Es gehe um kein Kulturprogramm, sondern um eine mittelfristige Entwicklung der Stadt, sagte Kulturdezernentin Judith Marquardt. Annegret Bergner (CDU) äußerte Skepsis. „Wir wollen natürlich alle gerne Kulturhauptstadt werden“, sagte sie. Doch die Chancenabwegung sei nicht schlüssig und überzeuge nicht. Die Voraussetzungen für eine Bewerbung halte sie für schlechter als beim ersten Versuch. Es habe Kürzungen in der Kultur gegeben, zudem stehe die Landesregierung nicht hinter der Bewerbung. Das Geld könne besser für andere Projekte in der Kultur genutzt werden.
Stefan Rosinski, der Leiter des Beirats zur Chancenauslotung, warb noch einmal für die Zustimmung. „Dies ist eine historische Chance für die Stadt, die sich nur alle 15 Jahre bietet.“ Er bedauere auch, dass viele Kritiker das Gespräch nicht gesucht hätten. „Bitte geben Sie allen Kulturschaffenden diese einmalige Chance.“ OB Wiegand sagte, neben der Kultur biete die Bewerbung auch Chancen zur städtebaulichen Veränderung. Der Beirat, vom Stadtrat beschlossen, habe ein einstimmiges Votum für die Bewerbung getroffen. Bei der Themenfindung habe er Tränen in den Augen gehabt. Er geht auch noch einmal auf die Kosten ein. Viele Unternehmen hätten sich positiv geäußert. Er habe in den Gremien nicht einen Gegner gesehen und der Stadtrat mache es mies. Katja Müller (Linke) sagte, auch ihre Fraktion habe das Vorhaben zunächst als Schnapsidee angesehen, die man versenken sollte. Doch man könnte das Votum des vom Stadtrat bestimmten Beirats nicht ignorieren. Das Positionspapier habe Potential. Eine parallele Bewerbung Magdeburgs sehe sie sportlich. Das einzige Problem sei, dass Halle das Thema aus der Hüfte geschossen. Dies sei suboptimal, damit habe OB Wiegand dem Anliegen geschadet. Inés Brock (Grüne) war ebenfalls für eine Bewerbung und kritisierte die „rückwärtsgewandte“ Ablehnung. Es sei zudem nicht so gewesen, dass man Bewerbungen verloren habe. „Wir waren dicht dran.“ Johannes Krause (SPD) erklärte, seine Fraktion werde die Bewerbung mehrheitlich ablehnen. Eine zustimmungsfähige Vorlage bräuchte ein Konzept und eine nachvollziehbare Finanzierung. Es gebe keine Deckung, zudem gebe es Disparititäten im Kulturbereich. Viele Initiativen seien unterfinanziert, „wo man eigentlich ansetzen müsste, wenn man etwas entwickeln will.“ Das Thema sei zwar gut gewählt, „aber was ist dabei Halle-spezifisch“, so Krause.
OB Wiegand sagte, der Rat habe einen Beirat gewollt. „Ich höre immer nur jammern.“
Denis Helmich (Grüne) vermisste in der Debatte eine Offenheit zu den Finanzen. Zudem gebe Halle mit der Gegensätzlichkeit in den Debatten kein gutes Bild gegenüber der Jury ab. „Der Betrag ist gedeckelt“, sagte OB Wiegand zu Befürchtungen zu Kostensteigerungen. Annegret Bergner (CDU) geht darauf ein, dass Wiegand von Chancen für die Stadt gesprochen habe. Andere Städte wie Leipzig hätten sich gegen eine Bewerbung entschieden. Auch wenn Wiegand sage, die gesamte Stadt profitiere, so vermisse sie Impulse für Sport und Soziales. Statt das Geld in eine Bewerbung als Kulturhauptstadt auszugeben, sollte die Stadt lieber die Honorare für die Musikschullehrer am Konservatorium erhöhen. Er freue sich über die umfassende Diskussion, meinte Tom Wolter (MitBürger), „das finde ich fetzig.“ Doch er finde es schade, wenn Kritik an der Bewerbung mit Häme überschüttet werde. Zudem könne er nicht nachvollziehen wenn gesagt werde, es sei nichts los in der Stadt. „Lasst doch mal Magdeburg Magdeburg sei“, meinte Katja Müller (Linke). Das Gegeneinander ausspielen nerve sie. „Wir müssen uns trauen, auch mal zu springen.“ Aufgrund des Positionspapiers brauche man ein gewisses Grundvertrauen.
Fabian Borggreve (SPD) sagte, was beschlossen werde, bestimme das Leben der nächsten Generationen. Kultur werde oft in einem Elfenbeinturm hineingezwängt. Doch was hier die Stadt vorlege, bringt eine bessere Beteiligung der Bürger. „Der Zug wird auch ohne uns fahren. Aber jetzt wird uns die Tür aufgemacht.“ Christian Feigl (Grüne) vermisst derzeit den Schwung in der Bevölkerung zu einer Bewerbung. Viel mehr sollten die dringenden Probleme angegangen werden, wie die Schaffung einer Kulturhalle. Andreas Scholtyssek (CDU) mahnt, dass die tatsächliche Bewerbung dann weitere 10 Millionen Euro kosten wird. Er habe zudem Zweifel, dass der Titel Kulturhauptstadt wirklich das Image verbessere. OB Wiegand ist dafür, den Beirat auch für die Bewerbung selbst einzusetzen, weil dieser sich schon mit dem Thema befasst habe. Mit dem Thema gebe es die Chance, „viel gemeinsam zu erarbeiten.“ Detlef Wend (SPD) meinte, wer die Bewerbung ablehne sei nicht rückwärtsgewandt, sondern mutig. Jetzt sei nicht der richtige Zeitpunkt. Stefan Rosinski sagte, das meiste Geld soll für vier Mitarbeiter verwendet werden, die ein konkretes Konzept erarbeiten sollen. Auch Workshops für die Hallenser sind geplant.
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