Sahnehäubchen Kulturhauptstadt: Stadträte wollen „kulturellen Kassensturz“
Wie erwartet haben sich die halleschen Stadträte zum Thema „Kulturhauptstadt“ geäußert. Anlass sind die Pläne von Oberbürgermeister Bernd Wiegand zu einer Bewerbung. In einer gemeinsamen Erklärung haben sich die Räte von Die Linke, Bündnis 90 / Die Grünen, MitBürger / Neues Forum und SPD an Wiegand gewendet. Sie wollen im Oktober eine gemeinsame Sondersitzung von Haupt- und Kulturausschuss zum Thema. Dabei solle ein „kultureller Kassensturz“ erfolgen. Am Ende könne, aber müsse nicht, die Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt als Sahnehäubchen stehen. „Ich begrüße die Formulierungen“, so Wiegand. Er wolle die Räte unterstützen.
Erklärung:
Wir sind der Überzeugung, dass die Stadt Halle (Saale) eine historisch gewachsene Stadt der Bildung und Kultur ist. Den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ zu tragen, wäre in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung für die Stadt. Zugleich sind wir jedoch der Überzeugung, dass sich das kulturelle Selbstbewusstsein Halles nicht vordergründig aus Titeln speist. Eine nachhaltig gewachsene und geförderte, weil gesellschaftlich und politisch gewollte Kulturlandschaft ist das, was eine „Kulturhauptstadt“ wirklich ausmacht.
Der Vorstoß des Oberbürgermeisters, sich als Stadt Halle um den Titel der „Kulturhauptstadt Europas“ 2025 zu bewerben, könnte zu einer weiteren, wichtigen Diskussion über die städtische Kulturlandschaft führen.. Diese Diskussion wollen wir breit und intensiv führen, denn wir erachten sie jenseits der Frage, ob am Ende eine Bewerbung der Stadt Halle um den Titel der „Kulturhauptstadt Europas“ steht, für wichtig und in jedem Falle bereichernd. Es muss eine Diskussion sein, die sich auf eigene Stärken besinnt und sich nicht von städtischen Konkurrenzkämpfen leiten lässt, wenn sie glaubwürdig sein soll.
Vordergründiges Ziel der Diskussion darf nicht sein, wie die Stadt schnell zu einer Bewerbung findet. Die Fixierung darauf birgt die Gefahr, dass eine „Kulturhauptstadt“ konstruiert wird. Hauptaugenmerk der Diskussion muss sein, wie die städtische Kulturlandschaft nachhaltig erhalten, ausgebaut und gefördert werden kann und Halle aus sich selbst heraus zu einer „Kulturhauptstadt“ wird. Dazu gehört auch die kritische Reflexion über den massiven Abbau der halleschen Kulturlandschaft in den zurückliegenden Jahren.
Am Ende kann, muss aber keine Bewerbung um den Titel der „Kulturhauptstadt Europas“ stehen. Wir verstehen diesen nicht als identitätsstiftend für das kulturelle Halle, vielmehr als Sahnehäubchen auf einer aus eigener Kraft erlangten kulturellen Identität und Vielfallt.
Dieser Kraftakt, den dieses Verfahren erfordert, kann nur gelingen, wenn sich alle in Betracht kommenden Kräfte der Stadt dafür einsetzen. Der Stadtrat als demokratische Institution der halleschen Bürgerschaft fühlt sich verpflichtet, maßgeblich daran mitzuwirken und ein Verfahren in die Wege zu leiten, wie der Vorstoß des Oberbürgermeisters fruchtbringend in eine entsprechende Diskussion münden kann.
Das bedeutet, dass die im Stadtrat vertretenen Fraktionen die vom Oberbürgermeister per Presseerklärung angekündigte Beschlussvorlage für den September-Stadtrat als einen bereichernden Beitrag zur Diskussion verstehen. Die Beschlussvorlage wird in den Haupt- und Kulturausschuss verwiesen, die in einer gemeinsamen Sondersitzung im Oktober 2016 über die Zusammenführung von Personen, Institutionen, VertreterInnen der städtischen Kultur und der Stadtpolitik (usw.) in einem geeigneten Gremium beraten, um die angestrebte Diskussion in Gang zu setzen.
Indem das Gremium in einem ersten Schritt das Hauptaugenmerk auf eine umfassende Evaluierung und kritische Aufstellung der Kulturlandschaft Halles lenkt, wird die Diskussion um die Bewerbung zur „Kulturhauptstadt Europas“ begleitend und ergebnisoffen geführt – sowohl was die Frage des „ob“ als auch die des Zeitpunkts betrifft. Das bedeutet, dass die Auseinandersetzung mit einem bereits vorgelegten Konzept nicht am Anfang der Diskussion stehen kann.
Ist es von allen Beteiligten gewollt, macht die Stadt Halle zunächst einen kulturellen Kassensturz, der zur Klarheit über den Zustand und die Herausforderungen der halleschen Kultur genauso beiträgt wie über die Sinnhaftigkeit einer Bewerbung Halles um den Titel der „Kulturhauptstadt Europas“ 2025. So oder so würde am Ende ein fundiert diskutiertes und breit getragenes Ergebnis stehen, das so oder so nicht das Ende des Diskussionsprozesses bedeuten darf.
Die Kulturentwicklungsplanung der vergangenen Jahre lässt grüssen. Was macht denn eigentlich eine „Kulturhauptstadt Europas“ aus?
Bezeichnend: Weder OB noch Fraktionen reden über die zu erwartenden Kosten: Graz 59 Mio, Istanbul 270 Mio, Essen 62 Mio. Magdeburg investiert allein in die Bewerbung 4 Mio.
Bin wirklich mal gespannt, wann die AfD die Subventionierung der Eliten zum kommunalen Wahlkampfthema macht. Liebe Stadträte bitte nicht wundern, wenn 2019 über 20% Afd im Stadtrat sitzen.
Ein Zitat aus dem Widerspruch des OB zur Ausrichtung des Internationalen Hansetages 2019 (2013 ging es um 0,5 – 1,5 Mio):
„… Der Beschluss verstößt gegen die elementaren haushaltsrechtlichen Grundsätze aus § 90 GO LSA, insbesondere den Grundsatz der Planung und Führung der Haushaltswirtschaft zur Sicherung der stetigen Aufgabenerfüllung (§ 90 Abs. 1 GO LSA) und den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit …
… Das Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung enthält eine Aufforderung an die Stadt Halle (Saale) zu prüfen, ob die beschlossene Maßnahme überhaupt erforderlich ist. Sparsamkeit bedeutet hier die Vermeidung unnötiger Ausgaben….
Bezüglich der Begründung wird vollumfänglich auf die obigen Ausführungen zur Rechtswidrigkeit verwiesen“
Diesen Vergleich halte ich nicht für geeignet.
Warum nicht?
Die Stadt Halle hat mit der Hanse seit 500 Jahren nüscht mehr zu tun – das Salz was gesiedet wird hat nicht mal eine eigene Sole. Es gibt keine Tradition, die wird herbei geredet.
Der Widerspruch gegen den Stadtratsbeschluss wurde aber nicht mit der Tradition begründet sondern mit der Gemeindeordung. OK, die Kosten für die Kulturstadt sind 10 – 30 mal so hoch, aber schon eine freiwillige Leistung.
Es ist mir zu einfach, darüber abzustimmen, ob Halle sich nun bewerben soll oder nicht.
Wenn man sich für eine größere Sache bewerben sollte, dann gerne für eine Bundesgartenschau, davon könnten die Bürger und Besucher lange zehren.
„Stadt am Fluss“ wäre hierfür ein spannendes Thema.
Kulturhauptstadt ist so ne null Chance-Angelegenheit.
„Stadt am Fluss“ finde ich toll. Wenn ich nur daran denke, dass Magdeburg 4 Millionen Euro allein für die Bewerbung ausgeben will, wird mir schon übel.