Stärkere Werbeschranken für ungesunde Lebensmittel gefordert
Mehr als 60 Organisationen appellieren an FDP-Parteichef Christian Lindner, die von Bundesernährungsminister Cem Özdemir geplanten Werbeschranken für Lebensmittel mit einem hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehalt zu unterstützen. Mit „großer Sorge“ blicke man auf die ablehnenden Äußerungen von Parteivertreter:innen der FDP zu den Plänen für Kinderschutz, heißt es in dem offenen Brief an die Parteispitze, den zahlreiche Verbände, wie medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften, Kinderrechtsorganisationen, Eltern- und Pädagogikverbände, Verbraucherschutz- und Ernährungsorganisationen sowie Ärzteverbände und Krankenkassen unterzeichnet haben. Umfassende Werbeschranken für unausgewogene Lebensmittel seien ein wichtiges Instrument zur Förderung einer gesunden Ernährung bei Kindern, mahnt das Bündnis. Mit ihrer Blockadehaltung stelle sich die FDP gegen den einhelligen Konsens in der Wissenschaft und Zivilgesellschaft.
„Die Blockadehaltung der FDP beim Kinderschutz wirft kein gutes Licht auf die Partei und steht im Widerspruch zum liberalen Leitbild der Chancengerechtigkeit“, erklärt Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK). „Möglichst allen Kindern ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen und ernährungsbedingte Krankheiten zu verhindern, muss im ureigenen Interesse einer Wirtschaftspartei liegen. Werbeschranken für Ungesundes könnten einen Beitrag dafür leisten, wenn die FDP nicht länger auf der Bremse steht“, fordert Bitzer.
Anders als FDP-Vertreter:innen es darstellten, seien Werbeschranken für ungesunde Lebensmittel weder eine Beschneidung der persönlichen Freiheit noch staatliche Bevormundung. Vielmehr beeinflusse Werbung für unausgewogene Produkte „nachweislich die Präferenzen, das Kaufverhalten und das Essverhalten von Kindern in negativer Weise“, schreiben die Organisationen in dem offenen Brief. „Wenn Kinder und Jugendliche – in Folge einer Regulierung – weniger Werbung für ungesunde Lebensmittel ausgesetzt werden, stärkt das die souveräne und freie Entscheidung der Familien über die Ernährungsweise ihrer Kinder“, so das Bündnis. Die FDP-geführten Ministerien blockieren seit Monaten das im Koalitionsvertrag vereinbarte Gesetzesvorhaben von Bundesernährungsminister Cem Özdemir in der Ressortabstimmung. Führende FDP-Vertreter:innen machen zudem öffentlich Stimmung gegen die Pläne.
„Deutschland hat mit der UN-Kinderrechtskonvention das Recht des Kindes auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit anerkannt – es ist an der Zeit, auch im Bereich der Lebensmittelwerbung danach zu handeln. Die Ampel-Koalition sollte Kinder umfassend vor schädlichen werblichen Einflüssen schützen. Das ist keine Frage der Eigenverantwortung, Kinder sind schließlich keine kleinen Erwachsenen“, ergänzt Oliver Huizinga, Politischer Geschäftsführer der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG).
Mit ihrer Blockade konnten die Liberalen dem Ernährungsminister bereits Zugeständnisse abringen: Eigentlich hatte Özdemir geplant, die Werbung für unausgewogene Lebensmittel im TV und Hörfunk tagsüber zwischen 6 und 23 Uhr grundsätzlich zu untersagen. Auf Druck der FDP beschränkt sich die Regelung nun wochentags nur noch auf die Abendstunden, wenn besonders viele Kinder Medien nutzen. Auch für Plakatwerbung soll es nun lediglich eine 100-Meter-Bannmeile um Kitas und Schulen, nicht aber um Spielplätze und Freizeiteinrichtungen geben. Die FDP will jedoch auch den Kompromissvorschlag Özdemirs nicht unterstützen.
„Ein Großteil der Verbraucher:innen befürwortet umfangreiche Regelungen zum Schutz der Kinder. Eine umfassende Regulierung von Werbung für Ungesundes ist überfällig, die Zeit der wirkungslosen freiwilligen Selbstverpflichtungen ist vorbei. Gesunde Ernährungsumgebungen sind ein wichtiger Beitrag zum Kinderschutz. Dafür muss die Koalition den Weg freimachen“, sagt Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).
Laut einer Studie der Universität Hamburg sehen mediennutzende Kinder zwischen drei und 13 Jahren pro Tag im Schnitt 15 Werbespots für ungesunde Lebensmittel. 92 Prozent der gesamten Werbung, die Kinder wahrnehmen, vermarktet ungesunde Lebensmittel wie Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten. Allein die Süßwarenindustrie in Deutschland hat 2022 knapp eine Milliarde Euro für Werbung ausgegeben. Um Fehlernährung bei Kindern zu bekämpfen, empfahl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erst kürzlich, Junkfood-Werbung gesetzlich einzuschränken. Der WHO zufolge müssen Werbeschranken verbindlich sein, Kinder aller Altersgruppen schützen und auf konkreten Grenzwerten für Zucker, Fett und Salz basieren. Die Beschränkungen sollten die Exposition von Kindern gegenüber Werbung für Ungesundes verringern und dürften nicht allein im Umfeld von Kindersendungen greifen.
„Kinder leben nicht in einer Blase. Etwa jede Dritte der bei Kindern unter 14 Jahren beliebtesten Sendungen ist keine klassische Kindersendung, sondern ein Familienfilm, eine Castingshow oder eine Sportübertragung. Gerade in der abendlichen Primetime überschüttet die Lebensmittelindustrie Kinder mit Junkfood-Werbung – genau hier müssen die Werbeschranken greifen, sonst ist nichts gewonnen“, ergänzt Luise Molling von foodwatch.
Kinder essen mehr als doppelt so viel Süßigkeiten, aber nur halb so viel Obst und Gemüse wie empfohlen. Den letzten repräsentativen Messungen zufolge sind etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht und sechs Prozent sogar von starkem Übergewicht (Adipositas) betroffen. Ihnen drohen im späteren Leben Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Jeder siebte Todesfall in Deutschland ist laut Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf ungesunde Ernährung zurückzuführen.
Den offenen Brief an die FDP-Parteispitze unterzeichneten:
- AOK-Bundesverband
- Aktion gegen den Hunger
- Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) der DAG
- Arbeiterwohlfahrt Bundesverband (AWO)
- Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung (BLUE 21)
- Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ)
- Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP)
- Bundesarbeitsgemeinschaft Kommunale Kinderinteressenvertretungen (BAG Kinderinteressen)
- Bundeselternvertretung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege (BEVKi)
- Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen für Bildung & Teilhabe (bbt)
- Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd)
- Bundeszahnärztekammer (BZÄK)
- D•A•CH-Gesellschaft Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG)
- Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK)
- Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)
- Deutsche Diabetes Stiftung (DDS)
- Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik (DeGeDe)
- Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi)
- Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM)
- Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
- Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft (dgh)
- Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK)
- Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ)
- Deutsche Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS)
- Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN)
- Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP)
- Deutsche Krebshilfe
- Deutsche Liga für das Kind
- Deutsche Umwelthilfe (DUH)
- Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
- Deutsches Kinderhilfswerk (DKHW)
- Deutsches Netzwerk Schulverpflegung (DNSV)
- Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung (DNVF)
- Deutscher Frauenring (DFR)
- diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe
- Die Freien Bäcker
- FIAN Deutschland
- foodwatch Deutschland
- Forum Ökologie & Papier
- Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE)
- Institut für Urban Public Health, Universitätsklinikum Essen
- Institut für Welternährung
- Internationaler Bund (IB)
- Jugend der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG-Jugend)
- Katholische Erziehergemeinschaft (KEG) Deutschlands
- Kompetenznetz Adipositas
- National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN – Kinderrechtskonvention
- PAN International – Physicians Association for Nutrition
- Sarah Wiener Stiftung
- Slow Food Deutschland
- Spielmobile – Bundesarbeitsgemeinschaft der mobilen kulturellen Projekte
- Stiftung Bildung
- Stiftung Kindergesundheit
- Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD)
- Verband der Diätassistenten (VDD)
- Verband Wohneigentum (VWE)
- VerbraucherService Bundesverband im Katholischen Deutschen Frauenbund
- Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)
- WWF Deutschland
- Zentrum für Ernährungsmedizin und Prävention – ZEP, Krankenhaus Barmherzige Brüder München
Die Mövenpick-Partei kann natürlich nichts gegen den Zucker-Konzern Mövenpick unternehmen…
Wäre schön gewesen, wenn sich diese Verbände gegen die viel schädlicheren Auswirkungen der Corona-Beschränkungen für Kinder zu Wort gemeldet hätten. Eltern und Kindern aber die Unmündigkeit abzusprechen, ist schon ein starkes Stück.
Absolut korrekt. Früher ist eine liberale Partei vor allem für Selbstverantwortung eingetreten. Heute stehen sie wie die restliche Ampel für Verbote und Übergriffigkeiten des Staates in den privaten Bereich.
Möööp….
Es ist sehr wohl wissenschaftlich (weiß kennste nich, willste nich, kannste nich) erwiesen , dass Werbung Menschen in ihrem Verhalten beeinflusst….auch in ihren Essgewohnheiten.
Meine Kinder, eigentlich alle Kinder, die ich kenne, haben weder Schäden noch reden sie überhaupt noch über die sogenannten Beschränkungen. Du hast ein Problem und schiebst für deine Interessen andere vor…
Weniger Staatsmedien konsumieren.
Könnte helfen.
@Palimchen…Warum sind solche Typen wie du, immer so ,,Realitätsfremd“ unterwegs?
Oder ist dir vieleicht deine ,,Tür-Glocke“ zu Kopfe gestiegen?
Da haben Sie absolut Recht. Deshalb sind Sie auch ganz sicher für die Freigabe von Cannabis, zu den bereits frei käuflich zu erwerben Drogen wie Alkohol, Tabak und anderen mehr?
„Eltern und Kindern die Unmündigkeit absprechen“? Ist das Nicht Doppeltgemoppelt? Mal abgesehen von dem ganzen Corona-gesabbel…
„…Auswirkungen der Corona-Beschränkungen für Kinder…“
an dummheit kaum zu überbieten
Alles klar, Sie wussten wohl schon als 5-Jähriger, welches Essen gut oder schlecht für Sie ist und kannten auch die ganzen Inhaltsstoffe.
Supermärkte zu und für is!
An und gut eine siche Idee.
Da sind wohl auch die Eltern in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder nicht zuviel süßes essen. Außerdem konsumieren viele Minderjährige bestimmt nicht nur zuviel Süßigkeiten, sondern auch zuviel Internet und TV. Letzten Endes ist der sicherste Weg zuviel und ungesunden Konsum zu vermeiden das Trainieren von Verzicht , Selbstbeherrschung, Selbstdisziplin und Selbstbegrenzung, so dass man weniger anfällig für Versuchungen wird. Schädliche Konsumgewohnheiten kann man sich auch wieder abgewöhnen oder durch gesündere Gewohnheiten ersetzen.
Du hast mit allem Recht, aber das ist leichter gesagt als getan. Bei den Eltern fängt das Problem ja schon an, und die haben’s auch bloß von ihren Eltern gelernt. Die heutige Elterngeneration war genauso von zu viel Werbung und zu viel Fernsehkonsum geprägt. Wie sollen sie’s also besser wissen?
Wenn ich sehe, wie Eltern heute stundenlang auf dem Smartphone rumdaddeln und ihren Kindern so im Prinzip vorleben, dass das ganz normal ist und jeder so macht, und wenn ich sehe, wie manche Eltern sogar ihre Kinder „ruhigstellen“, indem sie ihnen schon im Kleinkindalter das Smartphone mit bunten Bewegtbildern vor die Nase halten, dann überrascht mich unreflektiertes Konsumverhalten kein bisschen.
Gerade die Omnipräsenz internetfähiger mobiler Endgeräte hat dazu geführt, dass jegliche natürliche Impulskontrolle (durch die Tatsache, dass man nicht sofort auf etwas zugreifen konnte) verloren gegangen ist. Man braucht schon einen sehr starken Charakter, um „Selbstbeherrschung, Selbstdisziplin und Selbstbegrenzung“ erfolgreich leben zu können, bei den ständigen Verlockungen, die es so gibt – nicht nur in der Verfügbarkeit von Produkten, sondern auch von medialer Ablenkung.
Darauf zu hoffen, dass die Menschen Selbstbeherrschung lernen, ist daher sinnlos. Manche muss man einfach zu ihrem Glück zwingen, sonst schnallen die’s nicht.
Es sind nicht nur die Eltern. Jede Werbung, auch die auf den Artikeln selbst, suggeriert den Kindern etwas schönes. Warum funktioniert in anderen Ländern der Zuckerkonsum weniger. Mal über den Tellerrand schauen.
Hier hat der Leser sehr weltfremde Auffassungen
Alles richtig und auf das reine Angebot von Süßigkeiten sollten Ihre Forderungen angewandt werden.
Aber…
Nicht das Angebot von Süßigkeiten soll verkleinert oder abgeschafft werden, sondern die direkte Beeinflussung durch Werbung (und das ist der eigentliche Sinn und Zweck von Werbung, Menschen zum Kauf zu beeinflussen) soll unterbunden werden. Bei den Zigaretten ist man ja auch schon diesen Weg gegangen, Angebot noch da, aber den Marlboro Cowboy sieht man nicht mehr im Fernsehen oder an der Haltestellenwerbung.
@Leser:
Beim ersten Teil deines Kommentares stimme ich dir zu, bei deinem letzten Satz aber nicht:
„Schädliche Konsumgewohnheiten kann man sich auch wieder abgewöhnen oder durch gesündere Gewohnheiten ersetzen.“
Ein Kind, das mit ungesunden Essgewohnheiten aufwächst, weil es von der Werbung animiert wird und dann von seinem Taschengeld die entsprechenden Süssigkeiten kauft, wird diese Gewohnheit mit grosser Wahrscheinlichkeit beibehalten und als Erwachsener dann zu Diabetes, Übergewicht etc. tendieren.
Wem dient die Werbung? Nur den Herstellern und Verkäufern.
Da sollte das Kindeswohl wichtiger sein.
„Die Blockadehaltung der FDP beim Kinderschutz wirft kein gutes Licht auf die Partei und steht im Widerspruch zum liberalen Leitbild der Chancengerechtigkeit“,
Alles blockieren, was Kinder betrifft. Dann wundern, wenn diese Kinder nicht die FDP wählen wollen. Herr Lindner orientiert sich am Kapital, was ihm seine Taschen füllt. Ähnlich wie es ehemals Schröder gemacht hat.
Normalen Menschen liegt der Nachwuchs am Herzen
🥱💭