AOK-Neujahrsempfang über Demografie und Digitalisierung
Der traditionelle Neujahrsempfang der AOK Sachsen-Anhalt in Halle stand in diesem Jahr unter den Stichwörtern Demografie und Digitalisierung. Rund 300 Experten aus Gesundheitswesen, Politik und Wissenschaft waren gekommen.
Traudel Gemmer, Vorsitzende des Verwaltungsrates der AOK Sachsen-Anhalt, übte in ihrer Rede Kritik an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Dessen Angriff auf die Selbstverwaltung der Krankenkassen sei fatal. Durch die Sozialwahlen könne man direkte Demokratie in den Kassen praktizieren. „Mir ist unklar, warum man das aufgeben wollte.“ Spahn sei ein Mann, der immer wieder kontroverse Debatten ausgelöst hat. Doch während Gemmer seinen Vorstoß bei der Selbstverwaltung kritisiert hat, so lobte sie doch dessen Vorstoß bei der Organspende.
Gemmer hob auch das AOK-Pilot-Projekt „Careconsil plus“ in Halberstadt hervor. Damit zeige man neue Wege auf, wie Pflege und medizinische Versorgung dank digitaler Hilfsmittel besser vernetzt werden können. In dem Projekt kommunizieren der Hausarzt, das Pflegepersonal und behandlungsbedürftige Bewohner eines Seniorenzentrums in Halberstadt wöchentlich via Videosprechstunde miteinander. So werden den Patienten häufige Arztbesuche erspart. Bei seinen regelmäßigen Visiten hat der Hausarzt nicht nur seine medizinischen Instrumente dabei, sondern auch ein Tablet und sein Smartphone. Das erlaubt dem Hausarzt zügige Absprachen mit dem Facharzt. Nur in medizinisch notwendigen Fällen wird der Patient ins Krankenhaus eingewiesen – das bedeutet nicht nur mehr Lebensqualität für die Patienten, sondern auch eine effiziente medizinische Versorgung. „Vor allem im ländlichen Raum, wo wir heute schon einen gravierenden Mangel an Ärzten haben, wird dies zunehmend an Bedeutung gewinnen“, sagte Gemmer. Und mit der Wohnungsgenossenschaft Freiheit in Halle hat man das Projekt „Händel“ gestartet, ebenfalls ein Telemedizin-Projekt. Hier konnte sich Bundesgesundheitsminister Spahn kürzlich informieren. So wurden seine Blutdruck-Daten über die Datenleitung an einen Arzt übertragen, der per Videokonferenz zugeschaltet war. Anschließend wurde symbolisch ein digitales Rezept ausgestellt. Aus Sicht der AOK sollen solche Projekte Schule machen und Angebote dieser Art zur Regelversorgung gehören. Das müsse allerdings sektorenübergreifend geschehen – hier handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit vielen Beteiligten.
Ministerpräsident Reiner Haseloff sagte in seiner Rede, zum Glück gelte bei den Krankenkassen das Örtlichkeitsprinzip und das Geld fließe nicht in andere Bundesländer. Haseloff ging auch auf die Krankenhaus-Situation ein. 47 Standorte seien viel für das kleine Land, deshalb sei eine Spezialisierung nötig. Er wies auch darauf hin, dass das Sozialversicherungskonzept in Sachsen-Anhalt entwickelt wurde. Viele Nationen hätten kopiert. Ein Problem sei die Demografie, unter anderem auch ausgelöst durch die niedrige Geburtenrate. Diese habe sich seit der Wende halbiert. Dies habe Auswirkungen darauf, dass Patienten immer älter werden und es an Fachkräften fehle. Haseloff appellierte deshalb auch an die Arbeitsgeber, die Verständnis für die Belange von Eltern haben müssten, dass eben einmal ein Kind krank werde.
Der Herzmediziner Daniel Sedding von der Uniklinik Halle sprach ein wenig zur Gesundheit. Das Risiko für Alzheimer lasse sich mindern, wenn man sich öfter einmal umgewöhne. Auch die Prävention sei für die Gesundheit nötig. Sedding zählte hier die „Big Five“ auf: Körperliche Bewegung, Gesunde Ernährung, Lebensstil, kein Tabak, wenig Alkohol. Statistische lasse sich so die Lebenszeit um elf Jahre verlängern. Die zunehmende Krankenhaus-Privatisierung kritisierte er. Wie könne es sein, das ein Gesundheitsunternehmen Gewinne aus dem solidarischen Gesundheitssystem heraus nehme. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bekam Kritik ab für seine Äußerungen bezüglich einer Studie des Marburger Bunds. Hier hatten sich Klinikärzte über Überlastung, Schlafstörung und Bürokratie beklagt. Spahn hatte hier nur vorgeschlagen, die Arbeitgeber – also die Klinikleitungen – sollten eben dafür sorgen, dass die Ärzte pünktlich in die Feierabend gehen können. Und bei der zunehmenden Bürokratisierung könnten ja Sprachsoftware und Digitalisierung helfen. Für Sedding keine realistischen Vorschläge, um dem Problem Herr zu werden.
Die Zahl der Versicherten der AOK in Sachsen-Anhalt ist bis Ende 2019 auf 790.000, gestiegen, die der betreuten Arbeitgeber liegt bei 50.000. Zum Jahreswechsel wurde der Zusatzbeitrag von 0,3 auf 0,0 Prozent gesenkt. Mit einem Marktanteil von 39 Prozent AOK Sachsen-Anhalt ist sie die größte Krankenkasse in Sachsen-Anhalt.
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