Bildungsminister: Unterrichtsversorgung hat sich verbessert

Viele Eltern in Halle (Saale) beklagten Unterrichtsausfälle, an manchen Schulen gelten Notpläne. Doch im Gegensatz zum Vorjahr hat sich die Situation verbessert, meint man beim Land.
An den öffentlichen allgemeinbildenden Schulen Sachsen-Anhalts lernen im aktuellen Schuljahr 176.030 Schülerinnen und Schüler. Die Zahl ist im Vergleich zum vergangenen Schuljahr um 1.801 bzw. 1,1% gestiegen. Der Anstieg der Schülerzahlen fällt damit laut Bildungsministerium deutlich geringer aus, als Prognosen es vor Schuljahresbeginn erwarten ließen. „Jede neue Schülerin und jeder neue Schüler sind ein Gewinn und eine Bereicherung für unser Land. Es ist die Pflicht des Landes, ein verlässliches und gutes Bildungssystem für sie zu organisieren“, erklärte Bildungsminister Marco Tullner. 17.218 Erstklässler wurden zum neuen Schuljahr begrüßt.
Die Unterrichtsversorgung lag im Durchschnitt zum Schuljahresbeginn bei landesweit 101%. „Der Wert von 101% am Schuljahresstart darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir weiterhin vor großen Herausforderungen stehen. Wie auch in den vergangenen Jahren ist die Unterrichtsversorgung vier Wochen nach dem Start um etwa 1% abgesackt. Sie liegt damit aber weiterhin über dem Niveau des Vorjahres“ so Tullner.
Von 763 öffentlichen allgemeinbildenden Schulen lagen zum ersten Schultag 146 Schulen unter 100% bei der Unterrichtsversorgung, dort war bei Grundschulen mindestens ein Bedarf von 10 Lehrerwochenstunden und bei anderen Schulformen ein Bedarf von 15 Lehrerwochenstunden vorhanden.
„Das Bildungsministerium wird alle Kräfte mobilisieren, die zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen zu nutzen und die Bedarfe zu decken. Aktuell sind bereits 134 befristete Stellen ausgeschrieben. Am kommenden Freitag werden weitere 220 unbefristete Stellen ausgeschrieben“, sagte Tullner.
Dabei sollen vorwiegend Bedarfsschulen sowie Grundschulen von den Ausschreibungen profitieren. Es sei davon auszugehen, dass mit den Ausschreibungen die Unterrichtsversorgung bei 101% über das Schuljahr stabilisiert werden kann.
Die künftige Ausschreibungspraxis wird mit der kommenden Ausschreibung weiter flexibilisert. So wird überwiegend ein Bedarfsfach ausgeschrieben und auf konkrete Fächerkombinationen verzichtet werden. In einem Testlauf soll künftig ein Teil der Ausschreibungen nicht mehr schulgenau, sondern regionalisiert erfolgen.
Insgesamt sind an den allgemeinbildenden Schulen mehr Lehrkräfte be-schäftigt als im vergangenen Jahr. Die Zahl der Stammlehrkräfte stieg von 14.348 auf 14.408. Gleichzeitig stieg die Zahl der Beurlaubungen (Mut-terschutz, Elternzeit) von 176 zum Stichtag der Unterrichtsversorgung am 21.09.2016 auf 388 in 2017. Die Zahl der Beschäftigten in der Freistellungsphase der Altersteilzeit lag bei 881. (1.209 zum Stichtag der Unter-richtsversorgung am 21.09.2016)
Zu den Fakten und den zunehmenden Meldungen über die realen Zustände in vielen Schulen des Landes erklärt der bildungspolitische Sprecher der Fraktion „Die Linke“ im Landtag, Thomas Lippmann: „Minister Tullner hatte gute Gründe, den Mantel des Schweigens möglich lange über die Ergebnisse seiner verfehlten Personalpolitik zu legen. Trotz der größten Welle von Stundenkürzungen vor allem an Grund-, Sekundar- und Gemeinschaftsschulen und der zusätzlichen rücksichtslosen Heranziehung der noch in der Ausbildung befindlichen Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst zu eigenverantwortlichem Unterricht ist es ihm nicht gelungen, die schlechte Unterrichtsversorgung des letzten Schuljahres zu verbessern. Im Gegenteil: Mit dem vorhandenen Stammpersonal kann nur wenig mehr als 96% des Bedarfs nach den Vorgaben aus dem vergangenen Schuljahr gedeckt werden. Die Zahlen für die Unterrichtsversorgung konnten nur dadurch optisch aufgebessert werden, weil den Schulen fast 10.000 Unterrichtsstunden gar nicht erst zugewiesen wurden. Das ist ein Volumen von etwa 385 Vollzeitstellen. Zwar stehen gegenüber dem September 2016 heute 60 Stammlehrkräfte mehr im Dienst des Landes, diese können aber das gleichzeitig Ausscheiden der 185 befristet eingestellten Sprachlehrkräfte nicht kompensieren. Darüber stehen immer mehr Lehrkräfte durch Elternzeit, Mutterschutz und Langzeiterkrankungen nicht für einen Einsatz in der Schule zur Verfügung. Minister Tullner hat gemessen am tatsächlichen Bedarf zum Schuljahresbeginn hunderte Stellen zu wenig ausgeschrieben. Zusammen mit seinem Festhalten an einer längst überholten Ausschreibungspraxis hat er so an vielen Schulen ein Personalchaos erzeugt, wie es dieses Land noch nicht erlebt hat. Dass Schulen noch Wochen nach dem Schuljahresstart mit reduzierten Notplänen arbeiten müssen und Eltern von Erstklässlern aufgefordert werden, ihre Kinder bis auf Widerruf möglichst zu Hause zu betreuen, offenbart eine Dimension des Mangels, die vor der Amtszeit von Minister Tullner noch undenkbar war. Das Arbeitsvolumen, das für die Arbeit im Klassenzimmer tatsächlich zur Verfügung steht, ist entgegen den Behauptungen von Finanzminister Schröder und Bildungsminister Tullner nicht um 140 oder 200 Lehrkräfte gestiegen, was allein schon wegen der gestiegenen Schülerzahl notwendig gewesen wäre, sondern es ist erneut um fast 200 Lehrkräfte gesunken und hat damit einen historischen Tiefststand erreicht. Von einer Wende in der Personalpolitik kann keine Rede sein. Auch die Prognosen über die Entwicklung der Schülerzahlen und insbesondere über die Zahl ausländischer Schüler mit Sprachförderbedarf haben sich als haltlos erwiesen. Die Bilanz zeigt, dass zum wiederholten Mal für deutlich mehr Schüler deutlich weniger Lehrkräfte zur Verfügung stehen und die gesamte Unterrichtsversorgung auf Sand gebaut ist. Mit ihrer Unterstützung für die Volksinitiative „Den Mangel beenden! – Unseren Kindern Zukunft geben!“ haben viele zehntausend Bürgerinnen und Bürger gezeigt, dass sie nicht bereit sind, diese Zustände an den Schulen weiter hinzunehmen. Die berechtigten Forderungen der Volksinitiative werden von der Fraktion Die LINKE vorbehaltlos unterstützt. Die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen sind damit nachdrücklich aufgefordert, ihre bisherige Politik der Personalreduzierung in den Schulen aufzugeben und wieder für eine Personalausstattung zu sorgen, die dem realen Bedarf entspricht. Dazu muss die Landesregierung für das Jahr 2018 einen Nachtragshaushalt vorlegen.“
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