Fragen an die Direktkandidierenden zur #ltwlsa21: die Antworten von Igor Matviyets, SPD


- Stellen Sie sich bitte in drei Sätzen kurz vor.
Erst einmal bin ich der Mann von Anne Matviyets, der hoffentlich, wenn alles gut geht, im Sommer zum ersten Mal Vater werden darf. Und derjenige, der mit Tierheimhund Pepe morgens eine Runde auf der Würfelwiese dreht. Der 1991 in der Ukraine geboren wurde und mit sieben Jahren nach Deutschland kam. Der in Halle Politik und Russistik studiert. Gearbeitet hat, seit er 14 ist: als Zeitungsausträger, in der Gastronomie, als Büroassistent, im Callcenter. Parallel zum Studium beim Bundestagsabgeordneten Dr. Karamba Diaby. Ein Mensch, der sich gerne ehrenamtlich engagiert, im Vorstand der AWO und des Leopold-Zunz-Vereins, dem Veranstalter der jüdischen Kulturtage in Halle.
- Nennen Sie bitte jeweils drei Ihrer Stärken und Schwächen.
Ich bin ein begeisterungsfähiger, engagierter und loyaler Mensch. Leider kann ich auch ungeduldig, sturköpfig und emotional sein.
- Warum soll man Sie wählen?
Bei Problemen kann ich nicht wegschauen. Seit Jahren versuche ich ehrenamtlich in unserer Stadt Dinge zum Besseren zu bewegen. Ob bei der AWO Halle-Merseburg, bei der Organisation der jüdischen Kulturtage oder mit Hilfe der SPD. Als Landtagsabgeordneter kann ich die kommenden fünf Jahre das Engagement zu meinem Beruf machen und so noch mehr Zeit in die Aufwertung unserer Region investieren. Halle ist meine Wahlheimat. Hier möchte ich mit meiner Familie glücklich alt werden. Und das möchte ich auch allen anderen Menschen in Halle ermöglichen. Deswegen will ich Halle voranbringen: in Bildung, Wirtschaftsansiedlung und auch in Nachhaltigkeit und Klimaschutz.
- Verkehr
a. Wie muss sich der ÖPNV in Halle und dem Umland entwickeln? (Weiterer Ausbau, Taktverdichtung, ÖPNV kostenlos / 365€-Ticket, bessere Anbindung ländlicher Gebiete)
Ein Schwerpunktthema meines Wahlkampfes ist Mobilität. Ich möchte, dass jeder Mensch in Sachsen-Anhalt das ganze Jahr über für einen Euro am Tag durchs ganze Land fahren kann. Deswegen setze ich mich für das 365-Euro-Jahresticket ein. Der ÖPNV muss zwingend barrierefrei und regelmäßig gestaltet werden. Über Mobilität kann man auch Klimaschutz betreiben. Deshalb setze mich für einen ökologischen öffentlichen Nahverkehr und mehr Car-Sharing in unserer Stadt ein. Außerdem brauchen wir einen Ausbau des Radwegenetzes an Landes- und Bundesstraßen.
b. Wie stehen Sie zum Konzept einer autoarmen Altstadt?
Ich wünsche mir ganz klar weniger Privatfahrzeuge in unserer Innenstadt für mehr Attraktivität, Sicherheit und Klimafreundlichkeit. Wir brauchen aber einen Weg dahin, der soziale Aspekte (wie Barrierefreiheit, berufliche und finanzielle Gründe) berücksichtigt.
- Wirtschaft
a. Wie stehen Sie zu einer stärkeren Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle und der damit einhergehenden Zunahme von Flugbewegungen?
Die Anwohner:innen rund um den Flughafen waren zuerst da. Bei allen Plänen zu einer Erweiterung des Flughafens muss gelten: Der Schutz der Gesundheit der Bürger:innen hat Vorrang. Ohne Maßnahmen zum Lärmschutz und Lärmobergrenzen sollte es keine Erweiterung geben. Mit Lärmobergrenzen hat man auch in Frankfurt am Main gute Erfahrungen gemacht, diese Erfahrungen sollten wir auch bei uns in der Region nutzen. Zudem ist der Flugverkehr eine Belastung für die Umwelt. Unendliches Wachstum des Flughafens ist daher nicht in meinem Sinne.
b. Die Erweiterung des Star-Park ist beschlossen. Wie soll sich Halle, in Bezug auf weitere Gewerbeansiedlungen, entwickeln?
In Halle ist die Kreativwirtschaft ganz groß und es gibt gute Voraussetzungen zur Gründung von Start-Ups. Aber aktuell fehlen uns die Anreize diese jungen Unternehmen in der Region zu halten, wenn sie wachsen. Gründer:innen müssen wir bei der Antragstellung, Fördergestaltung und Ansiedlung – auch nach der Anfangsphase – unterstützen. Dazu zählt auch die Ausbildung von benötigten Fachkräften voranzutreiben. Unser Wirtschaftsminister Armin Willingmann hat in den vergangenen Jahren starke Unternehmen ins Land gelockt. Das brauchen wir auch für den Star-Park. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter:innen anständig bezahlen und hier vor Ort ihre Gewerbesteuer abgeben, müssen gezielt in den kommenden Jahren angelockt werden. Die Förderung bei der Ansiedlung soll sich auch an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen orientieren.
- Bildung
a. Die Klassenstärken und Raumkapazitäten kommen vielerorts an die Grenze. Was muss sich hier verbessern und wie kann dies finanziert werden?
Wir müssen mehr Geld in die Hand nehmen, um mehr Lehrer:innen einzustellen. Wir brauchen mehr Stellen an der Universität Halle, um damit die Attraktivität beim Lehramtsstudium zu verbessern. Bisher wurde eher die Anzahl der Studierenden erhöht, aber nicht die Anzahl der Dozent:innen. Wir brauchen außerdem einen garantierten Referendariatsplatz in Sachsen-Anhalt. Und wir müssen am Ende des Referendariats den zukünftigen Lehrer:innen viel schneller Arbeitsverträge hinlegen, als es die anderen Bundesländer tun, mit einer ordentlichen Startbesoldung, die die Besoldungsgruppe E13/A13 nicht unterschreitet. Wir können uns das leisten, wenn uns Bildung wirklich wichtig ist.
b. Die Corona-Pandemie hat es schonungslos gezeigt: Für die allermeisten Schulen und den Großteil der Lehrenden ist das Internet noch Neuland. Was muss sich hier ändern und wie kann hier eine Verbesserung schnell herbeigeführt werden?
Es ist notwendig viele junge Lehrer:innen einzustellen, für die digitales Lernen kein Fremdwort ist. Außerdem braucht es Laptops, Tablets & Co für die Schulen und Schüler:innen, die kostenlos bereitgestellt werden. Aber damit die Technik in den Schulen auch gut eingesetzt werden kann, wollen wir Digitalmentor:innen für unsere Schulen ausbilden und einstellen. Denn derzeit hängt die technische Betreuung für die Geräte oft am Engagement einzelner Lehrkräfte, die das in ihrer Freizeit erledigen. Das darf nicht so bleiben.
c. Wie stehen Sie zur Gemeinschaftsschule als Schulform: Soll diese gestärkt werden und weitere dieser Schulen errichtet werden?
Nicht ohne Grund ist die Gemeinschaftsschule eine beliebte Schulform in Halle. Das macht Sinn, denn hier können Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrer sozialen Herkunft ihre Potenziale entfalten, indem sie länger gemeinsam lernen. Ich setze mich für mehr Gemeinschaftsschulen in Stadt und auf dem Land ein, damit alle Schüler:innen in der Nähe ihres Zuhauses auch alle Schulabschlüsse machen können.
d. Immer mehr Kita-Plätze werden benötigt. Wie kann der Ausbau hier vorangetrieben werden und wie stehen sie zur Idee von kostenlosen Kita-Plätzen?
Für mich ist klar: Bildung und Betreuung muss von der Kita bis zur Hochschule und zum Meister:innen-Brief beitragsfrei sein. Nur so ermöglichen wir eine gerechte und auch leistungsstarke Ausbildung, die sich nicht an der sozialen Herkunft oder am Geldbeutel orientiert. Beitragsfreiheit ist aber nicht alles. Wir brauchen mehr Ganztagsbetreuung in Kitas für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und genügend und gut bezahlte Fachkräfte für eine hohe Qualität der Bildung und Betreuung.
- Klimaschutz
a. Das Land Sachsen-Anhalt erhält in nicht unerheblichem Maße Fördergelder durch dem Kohleausstieg, auch Halle will hiervon profitieren. In welcher Form kann dies geschehen?
Ganz konkret: Das RAW-Gelände kann ein neues Zentrum der Innovation in unserer Stadt werden. Die Idee dort einen Mix aus Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur zu bündeln, unterstütze ich und werde mich hierfür im Landtag stark machen. Die Chance mit diesen Mitteln zukunftsfähige Jobs in Halle zu schaffen, dürfen wir nicht verpassen.
b. Welche Optionen sehen Sie für unser Bundesland, beim Thema Klimaschutz seinen Beitrag zu leisten? Was konkret muss in den nächsten 10 Jahren geschehen?
Konkret muss Sachsen-Anhalt mehr Geld in die Hand nehmen, um in erneuerbare Energiequellen – wie Windenergiekraft – zu investieren. Außerdem sollten wir bei der öffentlichen Beschaffung in der Landes- und den Kommunalverwaltungen auf fair produzierte Arbeitsmittel umsteigen. Knapp ein Viertel der Fläche in Sachsen-Anhalt ist Waldfläche, diese müssen wir klimaneutral aufforsten. Wir müssen unsere heimischen Pflanzen-, Tier-, und Insektenbestände schützen und ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein für die Umwelt fördern. Natürlich gehört auch ein einen flächendeckenden, bezahlbaren und ökologischen öffentlichen Nahverkehr zu den Maßnahmen für mehr Klimaschutz. Es ist mir wichtig, dass ALLE an der ökologischen Entwicklung partizipieren können. Deswegen setze ich mich dafür ein, dass insbesondere Projekte mit nachhaltigen, ressourcenschonenden und naturbewahrenden oder -schaffenden Charakter durch Landesmittel finanziell subventioniert werden.
- Finanzen
a. Mehr als 30 Jahre nach der Deutschen Einheit gibt es in vielen Bereichen immer noch, teils gravierende, Unterschiede. Wie kann zum Beispiel das Lohngefälle endlich ausgeräumt werden?
Wer arbeitet, soll so viel Lohn erhalten, dass er*sie ohne staatliche Zuschüsse gut leben und einen menschenwürdigen Rentenanspruch ohne Angst vor Armut erwerben kann. Wir brauchen ein Tariftreuegesetz, damit bei jedem öffentlichen Auftrag Tariflohn gezahlt wird. Wo es noch keine Tarifverträge gibt, soll mindestens ein Vergabemindestlohn von 13 Euro gezahlt werden.
b. Auch in Ballungsgebieten in unserem Land steigen die Mieten kontinuierlich. Was kann hiergegen unternommen werden?
Wir haben in Sachsen-Anhalt lange nur den Rückbau von Wohnraum finanziert. Das muss sich ändern. Gerade in Halle und auch in Magdeburg brauchen wir wieder mehr sozialen Wohnungsbau, auch gefördert durch das Land. Bei Neubauprojekten sollte eine feste Quote für sozialen Wohnraum festgeschrieben werden. Keine Kommune sollte ihre Wohnungsunternehmen verkaufen müssen, um ihren Haushalt zu sanieren. Ein Verbot finde ich hier angemessen.
- Asyl / Migration
a. Durch die räumlich konzentrierte Unterbringung von Schutzsuchenden und Migranten entstehen über Jahrzehnte oft Parallelgesellschaften. Wie kann dies in Halle (Saale) / Sachsen-Anhalt verhindert werden?
Indem wir die Angebote zur Integration verbessern und an die Bedarfe der zugewanderten Menschen anpassen. Niemand, der Integration in Halle beruflich oder ehrenamtlich betreibt, beschwert sich über eine zu geringe Teilnahme an den Angeboten. Im Welcome-Treff in der Geiststraße ist beispielsweise die Nachfrage nach den Angeboten hoch. Ich bin überzeugt davon, dass eine weltoffene Haltung auf beiden Seiten zu einem guten Zusammenleben führt.
b. Wo setzen Sie die Priorität: Integration von Schutzsuchenden in die Gesellschaft oder die Rückführung in die Heimatländer wo diese möglich und zumutbar ist?
Die Menschen, die als Geflüchtete nach Halle gekommen sind, haben auch eine Chance verdient Teil unserer Gesellschaft zu werden und hier eine Zukunft aufzubauen. Ich setze mich auch aus humanitären Gründen für ein Landesaufnahmeprogramm für Geflüchtete und aus Seenot gerettete Menschen ein. Neben effektiven Integrationsprogrammen brauchen wir aber auch eine attraktive Willkommenskultur für ausländische Fachkräfte. Deswegen möchte ich auch die Verankerung von Demokratiebildung sowie interkultureller Bildung in Lehrplänen, eine vollumfängliche Anerkennung von Maßnahmen der Demokratiebildung als Bildungsurlaub, Investitionen in den Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus sowie verlässliche und strukturelle Förderung von Zentren bürgerschaftlichen Engagements und die Anerkennung durch eine Ehrenamtskarte. Wer zurück in sein Land kehren will, dem bieten wir auch unsere Hilfe an. Um Menschen, die strafrechtlich auffällig geworden sind, kümmert sich die Justiz und trifft gegebenenfalls auch Entscheidungen bezüglich des Aufenthalts.
- Corona-Pandemie
a. Wie beurteilen Sie den bisherigen Umgang der Landesregierung mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie?
Ob jede einzelne Entscheidung richtig oder angemessen ist, zeigt sich oft erst im Nachhinein. Wichtig ist, dass immer wieder aus allen Richtungen die Arbeit der Regierungen kritisch geprüft wird. Manche Maßnahmen haben zurecht nicht lange „überlebt.“ Andere haben sich bewährt. Insbesondere in den Bereichen Arbeit und Wirtschaft muss man sagen, dass hier in Deutschland dank Kurzarbeit wenig Menschen arbeitslos wurden und dank der vielen Hilfen wenig Unternehmen Insolvenz anmelden mussten. Ich bin ehrlich gesagt sehr glücklich, dass ich während der Corona-Krise in Deutschland lebe.
b. Was hätten Sie anders gemacht?
Für Eltern von Kindern in Schulen und Kitas ist die Pandemie durch die Wechsel zwischen Homeschooling/häusliche Betreuung und Regelbetrieb eine große Zumutung. Da hätten klare, länger anhaltende Ansagen für mehr Sicherheit gesorgt. An einigen Stellen wurden Hilfsgelder spät ausgezahlt (zum Beispiel in der Gastronomie). Andere Bereiche, wie beispielsweise Tierschutzvereine, blieben zu lange allein in der Krise. Hier wurde erst sehr spät nachgesteuert. Auch die Studierenden litten unter den kurzfristigen Entscheidungen über die Finanzierung ihres Studiums und dem Wegfall vieler Nebenjobs. Pächter:innen von Stellplätzen auf Wasserstraßen oder Mieter:innen öffentlicher Gebäude wurden spät oder gar nicht entlastet.
- Ihr persönliches Statement: Was ist Ihnen besonders wichtig, welches Thema möchten Sie noch ansprechen?
Halle hat so viel zu bieten. Die Menschen leisten so viel Gutes. Unser Außenbild ist aber oft geprägt von wenigen, die Hass und Angst sähen. Im Landtag will ich meinen Beitrag leisten, dass unsere Stadt national und international an Anerkennung gewinnt und die Aktivitäten für ein friedliches Zusammenleben gestärkt werden.
Danke für die besten Wahlplakate in ganz Halle.