Genscher: Stadtrat beschließt Umbenennung von Bahnhofsvorplatz und Herder-Gymnasium

Der Hallesche Stadtrat hat am Mittwoch mehrheitlich dafür gestimmt, das Herder-Gymnasium und den Bahnhofsvorplatz nach Genscher zu benennen. Gegenstimmen kamen von Linken und Grünen. Zuvor gab es lange Debatten.
Bereits in der Bürgerfragestunde war Genscher Thema. „Ich bin hier, weil ich mich schäme für meine Stadt Halle, wie sie mit Genscher umgeht“, sagte die 76 Jahre alte Reideburgerin Anna Wolf. Es sei angesichts der großen Verdienste Genschers unwürdig, dass die Stadt es nicht geschafft habe, ihn zu ehren. „Es ist jetzt wirklich an der Zeit, den Mann so zu Ehren, wie es ihm gebührt.“
Doch auch im Kommunalparlament selbst gab es Debatten. Eine Ehrung sei längst überfällig, sagte Andreas Scholtyssek (CDU). Zwar sei der Bahnhofsvorplatz kein schöner Platz und nicht die idealste Lösung, doch der kleinste gemeinsame Nenner. Und auch in vielen anderen Städten seien die Bahnhofsplätze nach berühmten Politikern benannt.
Katja Müller (Linke) kritisierte insbesondere das gesamte Verfahren mit ordentlich „Getriebeschaden“. Bereits die Arbeitsgruppe sei nicht konstruktiv gewesen. Sie finde es aber in einer Demokratie richtig, zu streiten, „das ist völlig in Ordnung.“ Bei neuen Toiletten für die Peißnitz seien alle einer Meinung, „bei Genscher eben nicht.“ Müller kritisierte auch die Mitteldeutsche Zeitung (MZ), die in zahlreichen Artikel für eine Benennung nach Genscher geworben hatte. Man habe den Eindruck gehabt, von einer Ehrung Genschers hänge das „persönliche Seelenheil“ des Autors ab. Wochenlang habe die MZ auf die Stadträte eingedroschen.
„Schwierigkeiten“ mit der Benennung einer Schule nach Politikern äußerte Tom Wolter (MitBürger). So etwas kenne er aus DDR-Zeiten. Doch den Beschluss der Gesamtkonferenz des Herder-Gymnasiums wolle er akzeptieren.
„Untragbar“ nannte Erwin Bartsch (Linke) die Umbenennung des Herder-Gymnasiums. Herder sei einer der „größten und einflussreichsten Dichter des 18. Jahrhunderts“ gewesen, sagte er. „Und wir wollen Kulturhauptstadt werden?“ Johannes Krause (SPD) meinte in diesem Zusammenhang, die Umbenennung nach Genscher sei keine Entscheidung gegen Herder. Und Andreas Schachtschneider (CDU) erinnerte daran, dass sich der Stadtrat bisher nie gegen das Votum der Gesamtkonferenz einer Schule gestellt habe und das Schulgesetz des Landes dies auch nicht zulasse. Katja Müller (Linke) forderte aber eine politische Neutralität von Schulen. „Man sollte Schulen nicht nach Politikern benennen.“ Ulrike Wünscher (CDU) wunderte sich über ein Argument aus der Schule zur Umbenennung, dass man mit Genscher mehr als mit Herder anfangen könne. Dies mache sie nachdenklich. „Was ist eine gymnasiale Ausbildung wert, wenn Herder nicht im Bewusstsein der Schüler und Lehrer ist?“, fragte sie.
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