IDAHIT: Aktionstag in Halle gegen Diskriminierung anderer Sexualitäten
Auch in Halle (Saale) haben sich verschiedene Organisationen am „International Day against Homo-, Inter- and Transphobia“ (IDAHIT) beteiligt. Auf dem Marktplatz waren verschiedene Stände aufgebaut. Um 17.05 Uhr stiegen außerdem Luftballons in den Himmel über Marktplatz auf.
Der Stadtratsvorsitzende Hendrik Lange verwies darauf, dass die Teilnahme der Stadt Halle mittlerweile Tradition habe und er sich über die rege Beteiligung freue. Es sei gerade einmal 27 Jahre her, dass Homosexualität von der Liste der Krankheiten gestrichen wurde. Die heutige Aktion sei ein Zeichen für Gleichstellung. Und dieses sei wichtig. Denn durch den Zuwachs rechter Parteien wehe Homosexuellen ein eisiger Wind entgegen. Es sei beispielsweise gruselig, was man sich von Seiten der AFD im Landtag anhören müsse. Auch in der Landesregierung tue sich wenig beim Aktionsplan. Das Land lege immer mehr Steine in den Weg,beispielsweise bei der Beantragung von Mitteln. Man werde zudem genau beachten, welche Auswirkungen der Regierungswechsel in Schleswig-Holstein und NRW im Bezug auf die Gleichstellung hat. Es bestehe die Gefahr, dass Errungenschaften zurück gedreht werden. Schwierig sei zudem die Situation in Ost- und Südosteuropa.
Auf dem Marktplatz waren Informationsstände aufgebaut. Neben Parteien wie Grünen und Linken war auch der Landessportbund anwesend. Für die Stadtverwaltung nahm der Beigeordnete Uwe Stäglin an der Aktion teil.
Am 17. Mai 1990 beschloss die Generalversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Homosexualität von der Liste psychischer Krankheiten zu streichen. Die Initiative zum Internationalen Tag gegen Homophobie ging von Louis-George Tin (Frankreich) aus. In vielen Ländern machen seit 2005 zahlreiche Organisationen mit Aktionen und Veranstaltungen auf Homophobie, Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen aufmerksam und fordern Respekt für Lesben und Schwule ein. In immer mehr Ländern und Städten wird am 17. Mai zudem die Diskriminierung von inter- und transgeschlechtlichen Menschen thematisiert.
Homophobie bezeichnet die emotionale Abneigung bzw. kognitive Ablehnung gegenüber homo-, bi- und pansexuellen Menschen sowie Homosexualität allgemein. Ausdrucksformen sind Angst (auch die unbewusste Angst vor der Infragestellung der eigenen Identität), Hass, Vorurteile und ablehnende Einstellungen. Aus Homophobie können Diskriminierung und Gewalt erwachsen. Sozialwissenschaftler*innen ordnen Homophobie als eine Form „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ ein. Sie ist demnach keine phobische Störung im medizinischen Sinne. Ursachen für Homophobie sind vor allem Unkenntnis, traditionelle Geschlechterrollen, fundamentalistische Religiosität, fehlender Kontakt zu offen lebenden Lesben, Schwulen und Bisexuellen sowie unterdrücktes, verdrängtes homosexuelles Begehren.
Interphobie bezeichnet die Ablehnung und Diskriminierung von intersexuellen Menschen sowie körperlicher Zwischengeschlechtlichkeit. Ausdrucksformen sind Angst, Ausgrenzung, Tabuisierung sowie gesundheitlich nicht notwendige medizinische Eingriffe und gesellschaftliche Zwangszuweisungen.
Transphobie bezeichnet die Ablehnung und Nicht-Akzeptanz von transgeschlechtlichen Menschen und deren geschlechtlichen Selbstverständnisses. Ausdrucksformen sind Angst, Vorurteile und negative Einstellungen. Aus Transphobie entstehen Benachteiligungen, Diskriminierung und Gewalt sowie Zumutungen bei der medizinischen und rechtlichen Transition. Trotz Fortschritten in der rechtlichen Gleichstellung und gesellschaftlichen Akzeptanz ist auch in Deutschland das Ausmaß von Diskriminierung und Gewalt weiterhin erheblich.
„Schwuchtel“ ist das von Jugendlichen mit am häufigsten verwendete Schimpfwort. Zudem wird das Wort „schwul“ oft gebraucht, um Dinge zu bezeichnen, die als nervend oder schlecht empfunden werden. Eine Befragung an Berliner Schulen ergab, dass 40 % aller Berliner Sechstklässler*innen und 22 % aus 9./10. Klassen das Wort „Lesbe“ als Schimpfwort verwenden. „Schwuchtel“ oder „schwul“ benutzten 62 % der Sechstklässler*innen als Schimpfwort, in den 9./10. Klassen sind es 54 %. Die Erfahrungen des BBZ „lebensart“ an Schulen belegen, dass „Schwuchtel“ in Sachsen-Anhalt noch von einer größeren Zahl der Schüler*innen verwendet wird. Der Gebrauch der Schimpfwörter fördert ein Klima, welches nicht-heterosexuellen oder nicht-Geschlechterrollen-konformen Schüler*innen das Leben schwer macht.
Die im Jahr 2010 durchgeführte EMIS-Studie, an der über 54.000 schwule und bisexuelle Männer aus Deutschland teilnahmen, ergab, dass 13 % aller Befragten Opfer körperlicher Gewalt geworden sind und 41 % Bedrohungen und Beleidigungen erlebten. In den letzten 12 Monaten vor der Befragung erlebten bei den unter 20-Jährigen 7 % Gewalt und 59 % mussten Erfahrungen mit verbaler Diskriminierung machen, bei den 20 bis 29-jährigen waren es 3 %, die geschlagen bzw. 41 %, die beleidigt wurden.
Die LesMigraS-Studie zu Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen von lesbischen, bisexuellen und Trans*-Frauen, an der sich im Jahr 2011 2143 Personen beteiligten, ergab, dass 30,7 % der Befragten wegen ihrer lesbischen/bisexuellen Lebensweise am Arbeits- bzw. Ausbildungsplatz gemobbt wurden. 72,6 % der Frauen sind der Meinung, dass ihre Leistungen aufgrund ihrer lesbischen/bisexuellen Lebensweise schlechter bewertet wurden.
Eine Studie des Instituts für Psychologie der ChristianAlbrechtsUniversität zu Kiel ‐‐ unter Leitung von Dr. Anne Bachmann (Erhebung 2011) belegt, dass etwa zwei Drittel der schwulen Männer und die Hälfte der bisexuellen Männer Diskriminierung in Bezug auf ihre sexuelle Orientierung erlebt hat. Häufigste Formen sind Beleidigungen, Bedrohungen und Ungleichbehandlungen, die vor allem am Arbeitsplatz und im Bekanntenkreis erlebt werden. 9% der schwulen Männer berichteten, in Bezug auf ihre sexuelle Orientierung gewalttätig angegriffen worden zu sein.
Eine Umfrage der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte im Jahre 2012 in allen EU-Mitgliedstaaten und Kroatien ergab, dass sich zahlreiche Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender im Alltag nicht bekennen können. Viele verheimlichen ihre Identität und leben in Isolation oder Angst. Andere erfahren Diskriminierung oder sogar Gewalt, wenn sie ihre sexuelle Orientierung bzw. Geschlechtsidenität offen leben.
Eine Befragung im Bundesland Rheinland Pfalz (Erhebung 2013) im Auftrag der Landesregierung ergab, dass über die Hälfte der Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter* wegen ihrer sexuellen Orientierung bzw. Geschlechtsidentität Benachteiligungen und Diskriminierung erleben mussten. Besonders wurden der öffentliche Raum und die Schule als Orte der Diskriminierung benannt. Insgesamt zeigt sich eine stärkere Benachteiligung der befragten transsexuellen Menschen gegenüber anderen Identitätsgruppen in nahezu allen Lebensbereichen.
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