Maulkorb-Erlass: Stadt-Eltern-Rat kritisiert Brief des Schulamts

Seit drei Wochen sorgt ein Brief des Landesschulamts an die Schulleiter im Land für Aufregung. Anlass ist das Volksbegehren gegen den Lehrermangel. Darin wird den Lehrern untersagt, an den Schulen Werbung für das Volksbegehren zu machen, da wäre politische Betätigung. Der Stadt-Eltern-Rat in Halle übt daran heftige Kritik. Das Land fordere darin die Schulleitungen zu einem „rechtswidrigen Handeln“ auf, schreibt der StadtElternRats-Vorsitzende und Vorsitzende des Elternrats der IGS Am Steintor Thomas Senger. Auch die Autonomie der Elternvertretungen und dadurch die Unterstützung des Volksbegehrens sieht Senger durch den Brief des Landes in Gefahr. Das Land versuche indirekt über die Schulleitungen vorzuschreiben, welche Themen die Eltern in ihren Versammlungen behandeln. Sollte das Land diese Aussagen nicht zurücknehmen, droht Senger mit juristischen Schritten.
Der Brief im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Degner,
bezugnehmend auf den Schulleiterbrief vom 21.01.2020 möchte ich unseren Unmut über diesen und die damit deutlich gemachte politische Motivation zum Ausdruck bringen.
Einerseits erklären Sie im ersten Absatz zwar das Volksbegehren als ein legitimes Mittel der Gesetzesinitiative zu verstehen andererseits setzen Sie die notwendige Neutralität der Schulleitungen und Lehrer gerade entgegen der Gesetzeslage außer Kraft.
Sie weisen zunächst zu Recht auf den Artikel 91 Abs. 1 der Landesverfassung des Landes Sachsen-Anhalt hin, der allen Bediensteten des Landes Sachsen-Anhalt die politische Neutralität auferlegt.
Gleichzeitig weisen Sie die Schulleitungen, an keinerlei Unterlagen des Volksbegehrens weiterzuleiten. Mit dieser Anweisung verlassen Sie jedoch gerade die selbst eingeforderte Neutralität.
Doch was bedeutet ihr Schreiben eigentlich? Die Schulleitungen sollen bewusst Postunterlagen zurückhalten? Damit würden Sie die Schulleitungen anweisen, beispielsweise gegen Artikel 14 der Landesverfassung i. V. m. Artikel 91 Abs. 1 zu verstoßen, denn Neutralität bedeutet nichts anderes, als keine aktive Unterstützung als auch keine Behinderung des Volksbegehrens durchzuführen. Fraglich ist, wie die Schulleitungen sicherstellen sollen, dass die genannten Materialien nicht weitergeleitet werden. Sollen die Schulleitungen die Post an die Elternvertretung öffnen, um deren Inhalt zu prüfen? Dieses wäre als Anstiftung zu einer strafbaren Handlung zu verstehen.
Darüber hinaus behaupten Sie in ihrem Schreiben widerrechtlich
Zitat: „Die vorgenannten Regeln gelten auch für die Elternvertretungen, sofern sie Aufgaben nach dem Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt erfüllen.“
Es trifft nicht zu, dass die Elternvertreter in den Anwendungsbereich des Art. 91 fallen, denn der Artikel 91 der Landesverfassung richtet sich ausschließlich an Bedienstete des Landes. Gemäß § 55 Abs. 1, S. 1 SchulG LSA sind „Elternvertretungen unabhängige, von den Erziehungsberechtigten selbst gewählte oder gebildete Gremien, die die Erziehungsberechtigten über ihre Arbeit informieren und sie dafür interessieren, an der Verbesserung der inneren und äußeren Schulverhältnisse mitzuarbeiten, diesbezügliche Vorschläge und Anregungen der Erziehungsberechtigten aufnehmen, beraten und an die Schule und den Schulträger herantragen sowie das Verständnis der Öffentlichkeit für die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Schule stärken.“
Das heißt Elternvertretungen sind autonome Gremien der Eltern und sollen diese bewegen, an der Verbesserung der inneren und äußeren Schulverhältnisse mitzuwirken.
Das derzeitige Volksbegehren hat zum Ziel, die inneren Schulverhältnisse zu verbessern (Unterrichtsversorgung). Dies entspricht der originären Aufgabe, zu der Elternvertretungen die Eltern gem. SchulG LSA bewegen sollen.
Was liegt also näher, dieses dann in den Elternversammlungen zum Gegenstand der Versammlung zu machen?
Nachdem alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft waren, mussten die Elternvertretungen der Problematik der Unterversorgung Einhalt gebieten und sich dafür an den entsprechenden Stellen stark machen, dass die notwendigen Schritte unternommen werden, um den drohenden massiven Unterrichtsausfall zu begrenzen. Weder die Verantwortlichen in den zuständigen Ministerien noch die verantwortlichen Politiker in der Regierung haben auf Petitionen, Volksinitiativen, Demonstrationen oder Hinweise des Landeselternrates und den kommunalen Elternvertretern gehört und entsprechend gehandelt.
Minister Tullner hatte unter dem entstandenen Druck unlängst zugegeben müssen, dass die Zahlen, die die Elternvertreter seit Jahren genannt hatten, richtig sind. All die Versäumnisse der aktuellen Landesregierung seit Beginn ihrer Legislatur, das zögerliche Handeln des Ministeriums für Bildung, haben die Probleme von heute in diesem Ausmaß erst möglich gemacht.
Die Information über das Volksbegehren in den Elternversammlungen ist somit die gesetzliche Aufgabe der Vertretungen. Dass die Eltern darüber beraten dürfen ist durch den § 59 Abs. 1 SchulG LSA abgesichert, welcher ausdrücklich aussagt, „Von den Klassenelternschaften und dem Schulelternrat sowie in Versammlungen aller Erziehungsberechtigten der Schule können alle schulischen Fragen erörtert werden.“
Sie, Herr Degner hingegen, haben nicht das Recht den Elternvertretungen direkt oder indirekt über die Schulleitungen vorzuschreiben, welche Themen diese in ihren Versammlungen behandeln.
Für mich als Vorsitzender des Schulelternrates der IGS Halle Am Steintor und des StadtElternRates der Stadt Halle ist dieser Schuleiterbrief ein Übergriff auf unsere Autonomie, dem ich mich mit aller Entschiedenheit entgegenstelle. Ich erwarte gerade von Ihnen als Dienstvorgesetzter der Schulleitungen Zurückhaltung und ein unmissverständliches Signal, dass jeder der Ihnen unterstellt ist, ebenso wie Sie diese Autonomie respektieren.
In dem Bewusstsein der Unabhängigkeit und dem Recht auf eigenständiges Handeln inner-halb der Elternvertretungen, stelle ich mich vor die Elternsprecher, alle Eltern an der Schule und Eltern der Stadt Halle.
Ich fordere Sie auf, die Textpassagen, die zum einen die Schulleitungen zum rechtswidrigen Handeln auffordern, als auch die Positionierung und Ausführungen zu den Elternvertretungen (letzter Absatz des Schulleiterbriefes) öffentlich zurückzunehmen und damit das Ziel der Elternvertretungen und die damit einhergehende Umsetzung des Volksbegehrens nicht zu behindern.
Ich erwarte, dass dieses zeitnah erfolgt, um all den Elternvertretungen und Schulleitungen die Unsicherheit zu nehmen, die durch das Dokument unnötigerweise entstanden ist. So dass auch diese Elternvertretungen, ihrer gesetzlichen Verpflichtung gegenüber den Eltern nachkommen können.
Sofern Sie eine Richtigstellung nicht zeitnah vornehmen, werde ich zur Wahrung der Interessen der Eltern und Elternvertretungen nicht zögern, hier eine juristische Klärung herbeizuführen.
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