Mega-Prozess gegen Autoglaser am Landgericht Halle: Vorsätzliche Insolvenzverschleppung, Bankrott, Betrug
Am Landgericht in Halle (Saale) beginnt heute der Prozess rund um die Firma Autoglaser. 12 Prozesstage sind zunächst angesetzt.
Gegen den im Februar 1974 geborenen Angeklagten K. und den im Januar 1966 geborenen Angeklagten N. liegen zwei Anklagen, gegen die im September 1976 geborene Angeklagte Kl. liegt eine Anklage vor.
Mit der ersten Anklage von September 2018 werden den Angeklagten K. und N. drei Straftaten vorgeworfen: Vorsätzliche Insolvenzverschleppung und zwei Straftaten des Bankrotts.
Die Angeklagten K. und N. waren Gesellschaftergeschäftsführer unter anderem der A. GmbH. Daneben vertraten sie noch eine Vielzahl von weiteren Gesellschaften der A.-Gruppe, in denen sie jeweils ebenfalls Gesellschafter waren und die – wie auch die A. GmbH – auf dem Gebiet der Scheibentönung, der Scheibenreparatur und des Scheibenaustauschs für Kraftfahrzeuge werbend am Markt auftraten. Weiter vertraten die Angeklagten K. und N. die Q. GmbH, die seit 2015 in Halle im gleichen Geschäftsbereich werbend am Markt auftrat. Enge Geschäftsbeziehungen bestanden zu der von der Angeklagten Kl., der Lebensgefährtin des Angeklagten K., als Geschäftsführerin vertretenen U. GmbH, die mit der Personalverwaltung für die Angestellten der A.-Gruppe beauftragt war.
Den Angeklagten K. und N. wird zur Last gelegt:
Die A. GmbH sei spätestens zum 01.01.2016 ohne positive Fortführungsprognose überschuldet und zahlungsunfähig gewesen. Obwohl den Angeklagten K. und N. die Insolvenzreife der Gesellschaft bewusst gewesen sei, hätten sie den gemäß § 15a Abs. 1 InsO unverzüglich, spätestens aber binnen drei Wochen zu stellenden Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A. GmbH erst am 28.03.2017 beim zuständigen Amtsgericht eingereicht.
In Kenntnis der eingetretenen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der A. GmbH hätten die Angeklagten K. und N. zudem beschlossen, im Februar 2017 zwei zum Vermögen der A. GmbH gehörende Pkw der Insolvenzmasse zu entziehen. Hierzu hätten die Angeklagten K. und N. die beiden Pkw auf ein abgelegenes Grundstück verbracht.
Mit Beschluss vom 03.05.2017 hat das Amtsgericht Halle (Saale) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. GmbH eröffnet.
Bereits mit Beschluss vom 01.03.2017 erweiterte das Insolvenzgericht die Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters um die Ermächtigung, Forderungen, Bankguthaben und Kassenbestände der A. GmbH auf ein Treuhandkonto einzuziehen. Daraufhin teilte der vorläufige Insolvenzverwalter den Kaskoversicherungen die Zielkonten mit, auf die schuldbefreiend an die A. GmbH geleistet werden kann. Parallel hierzu, spätestens aber am 02.03.2017, habe der Angeklagte N. auf Grund eines gemeinsamen Tatentschlusses mit dem Angeklagten K. mittels sog. Fernwartung die Angabe der Zielkontonummer der elektronisch hinterlegten Rechnungsformulare der A. GmbH dergestalt geändert, dass nunmehr die Kontonummer der Q. GmbH auf allen Rechnungen der A. GmbH mit Ausnahme denen einer Filiale als angeblich neue Bankverbindung der A. GmbH angegeben worden sei. Im Anschluss daran hätten die Angeklagten K. und N. die so manipulierten Rechnungen zur Abrechnung von Leistungen der A. GmbH an die jeweiligen Kunden bzw. deren Kaskoversicherungen versendet. Mit Angabe der Kontoverbindung der Q. GmbH hätten sie Kaskoversicherungen darüber getäuscht, dass auf dieses Konto schuldbefreiende Zahlungen möglich seien. Zugleich hätten die Angeklagten K. und N. durch den unberechtigten Forderungseinzug auf das Konto der Q. GmbH der A. GmbH insgesamt 4.976,00 Euro entzogen.
Mit der zweiten Anklage von Dezember 2021 wird den Angeklagten K., N. und Kl. gemeinschaftlich begangener Betrug im Zeitraum von Januar 2011 bis März 2014 zur Last gelegt. Alle drei Angeklagten seien während dieses Zeitraums von den Arbeitnehmern der zur A.-Gruppe gehörenden Gesellschaften als vertretungs- und weisungsbefugte Mitglieder der Geschäftsführung angesehen worden. Spätestens seit Ende 2010 hätten sich die Angeklagten zur dauerhaften Erzielung eines Wettbewerbsvorteils und höherer Umsätze entschlossen, gegenüber den (teil-)kaskoversicherten Kunden der zur A.-Gruppe gehörenden Gesellschaften auf die Zahlung der von den Kunden mit den jeweiligen Kaskoversicherungen vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von regelmäßig 150,00 Euro zumindest teilweise zu verzichten. Die sich durch diese einseitig wirksame Erlasserklärung ergebende Minderung der gesamten Werklohnforderung hätten die Angeklagten aber nicht in der Rechnung ausgewiesen, sondern hätten hierin die Selbstbeteiligung des Kunden als angeblich vollständig in Abzug gebracht aufgeführt. Den (Teil-)Erlass der Werklohnforderung hätten die Angeklagten buchhalterisch auf einem von der Rechnung getrennten Beleg erfasst, mit dem sie den Kunden eine Gutschrift in Höhe des Erlasses der Werklohnforderung erteilt hätten. In Kenntnis des anspruchsmindernden Teilerlasses der Werklohnforderung hätten die von den Angeklagten vertretenen Gesellschaften der A.-Gruppe sodann aus von den Kunden abgetretenem Recht in insgesamt über 16.600 Einzelabrechnungen mit den jeweiligen Versicherungen ihre Leistungen abgerechnet. Dabei hätten sie bewusst den Teilerlass der Werklohnforderung verschwiegen und gegenüber den Kaskoversicherungen eine vollständige Zahlung der Selbstbeteiligung durch die Kunden vorgetäuscht. Infolgedessen seien die Versicherungen einem Irrtum über die tatsächliche Höhe der Werklohnforderung und der tatsächlich gezahlten Selbstbeteiligungen erlegen und hätten die Werklohnforderungen irrtumsbedingt in voller Höhe abgerechnet. Hierdurch hätten die Gesellschaften der A.-Gruppe zum Nachteil der Versicherungen im Tatzeitraum einen Gesamtbetrag in Höhe von über 1,9 Millionen Euro erlangt, auf den sie nach dem Teilerlass der Werklohnforderungen keinen Anspruch mehr gehabt hätten.
Die Angeklagten haben sich bislang nicht bzw. bestreitend zu den Tatvorwürfen eingelassen.
Im Fall einer Verurteilung droht ihnen eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, bei Annahme eines besonders schweren Falles des Betrugs Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren.
Jetzt weiß ich warum manche lieber in die Politik gehen und nicht in die Wirtschaft.
Liest sich wie das Handbuch für Mittelkriminelle, kommt bestimmt 100-fach in Deutschland vor.