Offener Brief der IGS-Eltern in Halle: Hygienesorgen und Bedenken zu Chancengleichheit

Mit einem offenen Brief an Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner wenden sich die Elternvertreter der IGS „Am Steintor“ in Halle (Saale) zu Wort. Sie haben, genauso wie Schüler und Lehrer, sehr große Bedenken. So sei die Chancengleichheit in keinem Fall gegeben. Auch Hygienebedenken werden geäußert. So habe das Land nicht genügend Desinfektionsmittel und Mundschutz zur Verfügung gestellt.
Der Brief in voller Länge:
Sehr geehrter Herr Bildungsminister Tullner,
wir als Eltern der 10. Klassen der IGS „Am Steintor“ in Halle (Saale) möchten Sie auf unsere Bedenken und Ängste hinsichtlich der bevorstehenden Prüfungen unserer Kinder aufmerksam machen.
Wir sind der Meinung, dass die für eine erfolgreiche Prüfung erforderliche Chancengleichheit in dieser Krisensituation in keinem Fall gegeben ist.
Dies begründen wir zum einen mit den seit 13. März 2020 geschlossenen Schulen und die damit verbundene sehr individuelle Vorbereitungsphase der SchülerInnen. Nicht jede Familie kann ihrem Kind die erforderliche technische Ausstattung für ein erfolgreiches „Homeoffice“ bieten. Hinzukommt, dass sich einige SchülerInnen um die jüngeren Geschwister, welche normalerweise in den Kita‘s und Grundschulen untergebracht wären, kümmern müssen, da die Eltern aus finanziellen Gründen nicht vollständig zu Hause bleiben können. Die SchülerInnen sind somit sehr unterschiedlichen und teils belastenden Lebenssituationen ausgesetzt. Sie müssen weiterhin mit der Ungewissheit leben, wann und wie die Prüfungen stattfinden werden und es fehlt oft auch an häuslichen Rückzugsorten zum Lernen, Lesen und Entspannen. De facto ist eine ordentliche Prüfungsvorbereitung nur unter sehr schwierigen Bedingungen möglich und mündet letztlich darin, dass die SchülerInnen, die keine oder wenig familiäre Hilfe bekommen, hinter den anderen zurückzubleiben drohen. Damit wächst die ohnehin vorhandene Prüfungsangst nicht unerheblich.
Unser Appell an Sie als Bildungsminister des Landes Sachsen-Anhalt ist:
Sehen Sie bitte nicht die häuslichen Wohnzimmer als perfekte Lernorte an. Wir
Eltern sind auch keine studierten Lehrer, die unseren Kindern die
lehrplanrelevanten Inhalte professionell vermitteln können. Unsere Kinder
benötigen die Professionalität von Lehrkräften, ErzieherInnen und
SozialarbeiterInnen, um erfolgreich die Prüfungen absolvieren zu können.
Nun sollen die Schulen wieder geöffnet werden. Am Freitag (24. April 2020) gehen unsere Kinder wieder in Etappen in die Schule. Diese hat – da sind wir uns sicher – das Bestmögliche zur Vorbereitung getan, um sich an die Hygienevorschriften zu halten. Aber ist tatsächlich gewährleistet, dass der Hygieneplan eingehalten werden kann? Wir sind uns alle einig, dass die Gesundheit unserer Kinder und aller Lehrkräfte das größte Gebot sein sollte. Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand sind jedoch weder Desinfektionsmittel in ausreichendem Maße bei den Schulen angekommen noch entsprechender Mundschutz. Ein großes Problem sehen wir auch bei der Ausstattung und Reinigung hygienisch einwandfreier Toiletten für die Anzahl der Schüler.
Bezüglich der Einhaltung der Hygienevorschriften haben wir große Bedenken und empfinden es als fahrlässig, dass unsere Kinder diesem Infektionsrisiko zwangsläufig auf Grund der Schulpflicht ausgesetzt sind. Weiterhin sollte nicht vergessen werden, dass einige SchülerInnen und auch ca. 50 % der Lehrkräfte zur sogenannten Risikogruppe gehören. Damit verbunden ist die Angst, dass man sich, und damit vielleicht auch ein zur Risikogruppe gehörendendes Familienmitglied, anstecken könnte. Auch diese Ängste führen zu einem weiteren emotionalen Stress, dem sich diejenigen, die vor der Pandemie geprüft wurden, nicht stellen brauchten, aber heute zusätzlich zur ohnehin vorhandenen Prüfungsangst belastend wirken können.
Der Vollständigkeit halber möchten wir noch darauf hinweisen, dass an unserer Schule sowohl die Abschlussprüfungen für die Mittlere Reife wie auch für die Allgemeine Hochschulreife abgehalten werden müssen und damit wesentlich mehr Schüler und Lehrkräfte an der Schule zusammenarbeiten müssen, als an einer reinen Realschule oder einem Gymnasium.
Dies alles wird dazu führen, dass die diesjährigen Prüfungen unter anderen Bedingungen und Voraussetzungen stattfinden als diejenigen, die im letzten Jahr abgehalten wurden. Dies bedeutet auch, dass unsere Kinder nicht dieselben Chancen haben, ihre Bestleistungen in Prüfungen zu erbringen, wie diejenigen, die im letzten Jahr geprüft wurden.
Sicher könnte man sagen, dass auch die Abiturienten den gleichen Stressfaktoren ausgesetzt sind wie die Realschüler. Es soll hier jedoch darauf hingewiesen werden, dass ein Abiturient, der die 10. Klasse erreicht hat und die Schule nicht fortführt, ohne jede Prüfung den erweiterten Realschulabschluss erhält, auch wenn die bei den Realschülern geforderten Durchschnittswerte nicht erreicht worden sind. Nach unserem Kenntnisstand gibt es daher keine gesetzliche Grundlage für die Durchführung von Prüfungen, um den Realschulabschluss zu erhalten.
Unserer Meinung nach können daher Abschlussprüfungen in der derzeitigen Situation nicht wie gewohnt und unter Chancengleichheit durchgeführt werden. Es wäre somit überlegenswert, wenn es für dieses Jahr eine Sonderregelung dahingehend geben würde, dass die SchülerInnen, die durch die vorhandenen Vornoten in Klasse 10 ohnehin schon den erweiterten Realschulabschluss erreicht haben, auf die Prüfung verzichten könnten und diejenigen SchülerInnen, die sich noch verbessern wollen oder müssen, die Prüfungen freiwillig absolvieren.
Sehr geehrter Herr Bildungsminister Tullner,
wir laden Sie hiermit ein, unsere Schule zu besuchen, um mit den Schüler-,
Lehrer- und Elternvertretern ins Gespräch zu kommen und sich mit den Gegebenheiten
vor Ort vertraut zu machen. Wir appellieren an Ihr Verantwortungsgefühl als
gewählter Volksvertreter und bitten um Prüfung unseres Vorschlages.
Herzliche Grüße
fast alle Eltern der Klassenstufe 10 der Integrierten Gesamtschule „Am Steintor“, Halle (Saale)
Sehr gut!
Schon die Verwendung des Binnen-I zeigt doch, was für ewig dauerbesorgte, aber unbedingt politisch korrekte Helikoptereltern da wieder am Werk sind, und angeblich „für alle“ sprechen. Ich bin überzeugt davon, dass die meisten gar keine Probleme haben, nur ein paar wenige vertreten eine Minderheitsmeinung, krakeelen aber am lautesten rum.
Lesen kannst Du auch nicht , es steht “ fast alle Eltern “ . Noch etwas zu den Kommentaren von Deiner Seite , links, grün , rot —–DUMM.
Was stimmt eigentlich mit dir nicht 10010110 ?
Du gehst doch bestimmt auch zum Lachen in den Keller……
Die Sauberkeit und Hygiene ist in allen Schulen nicht gegeben. …auch schon vor Corona! Prüfungen sollten verschoben werden! Aber die Schule sollte so langsam für alle wieder los gehen! Denn wir können den Kindern zu Hause nicht alles richtig vermitteln!
Absolut richtig! Eltern, Kindern und Lehrern aus dem Herzen geschrieben!
Ein toller Elternbrief, drücke die Daumen das er Gehör findet und auch den Humboldtschülern die es betrifft hilft ??
Es ist die Rede von Chancengleichheit… aber wenn die Prüfungen abgesgat werden, herrscht doch auch keine Chancengleichheit !? Nette Idee aber da haben die Eltern nicht nachgedacht!
Die Überlegungen und Vorschläge dieser Eltern passen genau in diese ungewöhnliche und auch für Schüler, außerordentlich anstrengende Zeit. Ich wünsche all den Schülern, die unter diesen Umständen einen bestmöglichen Abschluss erreichen wollen, recht gutes Gelingen.
Chancengleichheit im Homeoffice, ist nie gegeben, egal wo.
Bisher war vielfach zu lesen, daß einige(?) Eltern alles besser können als die studierten Lehrkräfte. Ist das jetzt wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt, oder nur die Angst, es vielleicht(?) doch nicht so gut wie die Profis gemacht zu haben?
Egal, dieser brief sollte auch gerade denen kräftig schwarz ins Stammbuch geschrieben sein, die mein(t)en, das die Lehrkräfte doch ohnehin keine Ahnung hätten und ihre „Goldkinder“ die Spitze der Evolution darstellten.
Spätestens am Tag nach der Prüfung wird man dann den Wahrheitsgehalt solcher Idealismen kennen…
Zum Glück waren dann diesmal nicht die Lehrer die Schuldigen.
Einfach die Sommerferien streichen ? Oder ist das den lieben Eltern auch nicht gerecht ?