Pachtverträge für Garagengemeinschaften: OB Wiegand legt Widerspruch ein
Vor zwei Wochen hat der hallesch Stadtrat beschlossen, dass Garagengemeinschaften auf eigenen Wunsch einen 15 Jahre währenden Pachtvertrag bekommen können. Gegen diese Entscheidung hat Oberbürgermeister Bernd Wiegand nun Widerspruch eingelegt. Wiegand erklärt dazu: “ Anstatt Rechtssicherheit für die Garagenbesitzer zu erzeugen, führt diese Entscheidung zu erheblichen Nachteilen und Verunsicherungen.“
Man habe wiederholt darauf hingewiesen, „dass bei Abschluss eines solchen neuen Vertrages die Garagennutzer ihr Eigentum an der Garage verlieren. Zudem erwarten auch die nicht vom Stadtratsbeschluss betroffenen Garagennutzer in der Stadt Halle (Saale) ähnliche Verträge, wie die vielen Nachfragen seit der Beschlussfassung in der Verwaltung belegen.“
Weiter heißt es von der Stadt:
Das Schuldrechtsanpassungsgesetz findet auf Vereinbarungen, bei denen die für den alten Vertrag (hier der Nutzungsvertrag bis zum 31.12.2019) kennzeichnenden Elemente – insbesondere die Vertragsdauer – wesentlich abgeändert werden, keine Anwendung. Dies hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 11.07.2007 (Az.: XII ZR 113/05) für einen Garagennutzungsvertrag ausdrücklich bestätigt: „Ein Mietvertrag, der nach dem Beitritt zu teilweise anderen Bedingungen und auch nicht mehr zwischen denselben Vertragsparteien, jedoch über denselben Mietgegenstand abgeschlossen wurde wie der vor dem Beitritt vereinbarte Nutzungsvertrag, unterliegt nicht dem zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich des Schuldrechtsanpassungsgesetzes.“
Die Änderung der Vertragsdauer führt zur Beendigung des dem Anwendungsbereich und damit dem Schutz des Schuldrechtsanpassungsgesetz unterfallenden Vertragsverhältnisses, mit der Folge, dass das Eigentum an den Baulichkeiten – hier den Garagen – auf den Grundstückseigentümer (die Stadt Halle) übergeht. Die Stadt Halle (Saale) wird daher mit Abschluss eines solchen Vertrages auch neue Eigentümerin der auf ihrem Grund und Boden errichteten Garagen. Gemäß § 112 Abs. 1 Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (KVG LSA) soll die Kommune Vermögensgegenstände nur erwerben, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben in absehbarer Zeit erforderlich ist. Der Vermögenserwerb darf nur Mittel zur Erreichung eines Ziels sein, dass im Aufgabenbereich der Kommune liegt. Die Möglichkeiten der Kommune werden dabei durch das Kriterium der Erforderlichkeit vom Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltsführung begrenzt. Sachlich erforderlich ist der Erwerb eines Vermögensgegenstandes nur, wenn er dazu dient, den gemeindlichen Zweck zu erreichen und andere Handlungsalternativen nicht wirtschaftlicher sind. Da der Eigentumsübergang hier auf eine freie Willensentscheidung der Stadt Halle (Saale) zurückzuführen ist: Angebot auf Abschluss eines Nutzungsvertrages mit einer Laufzeit von mindestens 15 Jahren, findet § 112 Abs. 1 KVG LSA auch Anwendung. Vorliegend ist kein Grund ersichtlich, warum die Stadt Halle (Saale) Eigentümerin auch der Garagenbauwerke werden sollte. Die Garagen werden weder zur Erfüllung kommunaler Aufgaben in absehbarer Zeit benötigt, noch ist ein sonstiger mit dem Eigentumsübergang zusammenhängender Vorteil für die Stadt Halle (Saale) erkennbar. Im Gegenteil sind – worauf bereits mehrfach hingewiesen wurde – mit dem Übergang des Eigentums an den Garagen auf die Grundstückseigentümerin Stadt Halle (Saale) nicht unerhebliche wirtschaftliche Aufwendungen und Lasten verbunden.
So sind gemäß der beigefügten Stellungnahme der kommunalen Bewertungsstelle Kosten über die gesamte Vertragslaufzeit von 15 Jahren für die Garageninstandhaltung in Höhe von 10,87 Millionen Euro und Kosten für die Garageninstandsetzung in Höhe von 2,3 Millionen Euro aufzuwenden. Darüber hinaus soll die Stadt Halle (Saale) auf Grund des Stadtratsbeschlusses auf die Geltendmachung von Abriss- und Beräumungskosten gegenüber den Garageninteressengemeinschaften/Garagenbesitzern verzichten. Gemäß § 15 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) haben die Garagennutzer bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 die hälftigen und ab dem 1. Januar 2023 die vollständigen Kosten bei Abbruch des Bauwerks zu tragen. Mit der Beschlussfassung wird daher in Abkehr dieser klaren gesetzlichen Regelung eine vollständige Übernahme der Abbruchkosten durch die Stadt Halle (Saale) als Grundstückseigentümerin festgelegt.
Dies widerspricht dem kommunalverfassungsrechtlichen Gebot des § 98 Abs. 2 KVG LSA, dass die Haushaltswirtschaft sparsam und wirtschaftlich zu führen ist. Wirtschaftlich ist ein Verhalten, wenn der Erfolg zu den unmittelbaren und mittelbaren Aufwendungen in einem guten Verhältnis steht. Ein wirtschaftliches Verhalten bedarf daher einer Betrachtung und Gegenüberstellung der möglichen (qualitativen und bzw. oder quantitativen) Varianten unter Berücksichtigung der Zielsetzung. Je günstiger das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen ist, desto wirtschaftlicher ist eine Maßnahme. Das Wirtschaftlichkeitsgebot gibt somit vor, die Aufwendungen im Hinblick auf den zu erreichenden Zweck so gering wie möglich zu halten. Mit der vorliegend beschlossenen Maßnahme Abschluss eines neuen Nutzungsvertrages mit einer Laufzeit von mindestens 15 Jahren und vollständiger Verzicht auf die Abriss- und Beräumungskosten sind keinerlei Nutzen bzw. sonstige Vorteile für die Stadt Halle (Saale) verbunden. Damit handelt es sich im Ergebnis um eine ausschließlich mit Nachteilen für die Stadt Halle (Saale) verbundene Maßnahme, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlechthin unvereinbar ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass im Falle einer möglichen späteren Investition der Investor gegebenenfalls die Abriss- und Beräumungskosten mit übernimmt. Bauliche Anlagen verfügen per se nur über eine begrenzte Nutzungsdauer. Unter Berücksichtigung der seit Jahrzehnten bestehenden Garagenanlagen ist das Risiko, dass die Stadt Halle (Saale) bei einer nicht mehr gegebenen Nutzbarkeit Abrisskosten zu tragen hat, naheliegend.
Ausweislich der beigefügten Stellungnahme der kommunalen Bewertungsstelle würden die Abriss- und Beräumungskosten nach Ende der Vertragslaufzeit für die vom Beschluss umfassten Garagenanlagen 6,43 Millionen Euro betragen.
Das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt hat mit Bescheid vom 18. Januar 2019 darüber hinaus angeordnet, dass die Stadt Halle (Saale) bis zum 30. September 2019 ein Haushaltskonsolidierungskonzept zu beschließen hat, welches eine schrittweise Rückführung des Höchstbetrages der Liquiditätskredite bis zur Genehmigungsgrenze des § 110 Abs. 2 KVG LSA aufzeigt. Zur Begründung hat es ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das die Stadt als „finanzarm“ einzustufen ist und große Risiken für die zukünftige Haushaltsführung bestehen. Auch vor diesem Hintergrund ist daher der Stadtratsbeschluss zu beanstanden.
Der Beschluss des Stadtrates zur Garagengrundstücksnutzung von Garagengemeinschaften in der Stadt Halle (Saale) ist daher nach Auffassung des Oberbürgermeisters rechtswidrig gemäß § 65 Abs. 3 S. 1 KVG LSA und darüber hinaus aus den vorgenannten Gründen auch nachteilig (§ 65 Abs. 3 S. 2 KVG LSA). Dem Stadtrat in der Mehrheitsentscheidung ist diese Rechtslage bewusst. Mehrfach hat der Fachbereich Recht in verschiedenen Ausschüssen darauf hingewiesen. Die Intention des Antrages der Fraktion DIE LINKE im Stadtrat Halle (Saale) und der mehrheitlichen Beschlussfassung des Stadtrates ist deshalb vor dem Hintergrund der am 26. Mai 2019 anstehenden Kommunalwahl ausschließlich als politisch motiviert zu bewerten.
Die Stadtverwaltung möchte noch einmal darauf hinweisen, dass sie stets dafür plädiert hat, die bestehenden Nutzungsverträge – wie bereits seit Jahren bei vielen Garagengemeinschaften einvernehmlich und erfolgreich praktiziert – ohne Änderungen gemäß § 545 BGB fortzusetzen.
Ah, ja, einleuchtend vor diesem Hintergrund der dann neuen Eigentumsverhältnisse bzgl. der Bauwerke (Garagen). Bislang kannte ich es so, dass lediglich der Grund und Boden im kommunalen Eigentum gewesen sind und die Garage mein Eigentum war. So wird die Stadt und das kann nicht ernsthaft in deren Interesse sein, für die Bauten unterhalts-und verkehrssicherungspflichtig. Das kostet freilich,ein Umlegen auf die Pächter und damit höhere Pachtzahlungen wären wohl die logische Folgen. Den Wiederspruch kann ich verstehen, macht Sinn.
Die (mögliche) Trennung der Eigentumsverhältnisse von Grundstück und darauf befindlicher Immobilie war eine Eigenheit des DDR-Rechts. Genau das ist der wesentliche Knackpunkt bei der Behandlung solcher Verträge im derzeitigen Recht.
Und BUMS, RRG jetzt rappelts in Eurer Kiste! Erst nachdenken, dann Antrag schreiben und beschließen! Ihr macht das immer andersrum, deswegen müßt Ihr nachsitzen! Bis Mai. Dann ist Eure „Meerheit“ weg. Gut so!
Ich denke, es würde genügen, alle Garagenautos mal einen Tag auf den Straßen zu parken, um den städtischen Bedarf am Erwerb der Grundstücke sichtbar zu machen.
Warum, weil man dann sieht, dass in der Mehrzahl der Garagen keine Autos stehen, sondern sie Bastel- oder Lagergaragen sind?
Was hat der Bedarf der Stadt an Parkplätzen mit dem hier zwangsläufigen Erwerb des Eigentums an den Garagen zu tun? Richtig: Nichts. Völlig zu Recht also Widerspruch eingelegt. Produziert nur horrende Kosten für die Stadt, wie im Artikel gut erklärt wird. Dem ist nichts hinzuzufügen. Das die Stadt sowieso kein Geld hat für Träumereien, sollte langsam allgemein bekannt sein. Oder sollen dafür noch mehr Kassenkredite aufgenommen werden? Das Land hat bereits Stopp gesagt.
Wiegand hat Recht. Wählt Wiegand
Am besten wäre es, den Garagennutzern die Grundstücke zum Kauf anzubieten. Die meisten Anlagen liegen sowieso in unattraktiven Gegenden (an der B80 z.B.). Damit wäre die Diskussion ein für alle mal erledigt.
Der Beschluss zur Freistellung von den Abrisskosten ist aus meiner Sicht nicht durchsetzbar. Da hat der OB nachvollziehbar Recht. Fakt ist aber, dass die Garagen so oder so in den Besitz der Stadt übergehen, wenn die alten Pachtverträge ausgelaufen sind. Das regelt das Schuldrechtsanpassungsgesetz klar und deutlich. Ob die Stadt will oder nicht. Bis zum 31.12.2022 kann sie zudem von den Alteigentümern auch nur 50% der anfallenden Abrisskosten verlangen. Die anderen 50% muss die Stadt selbst tragen oder muss sie einem Investor überhelfen.
Sie kann die Kosten nur umgehen, wenn es ihr gelingt, die bisherigen, derzeit noch bestehenen Pachtverträge über den 31.12.2022 hinaus irgendwie zu verlängern. Dann besagt das Schuldrechtsanpassunsgesetz, dass die Garageneigentümer die Abrisskosten in voller Höhe selbst zu tragen haben. Sollten also noch alte Pachtverträge existieren, die über das Jahr 2022 hinaus Bestand haben, ist man seitens der Pächter gut beraten, die Verträge vor Laufzeitende fristgerecht bis zum 31.12.2022 zu kündigen, um wenigstens so einem Teil der Abrisskosten zu entgehen.
Nach derzeitiger Lesart verlieren die Garagenbesitzer so oder so ihre Garagen an die Stadt.
Ob eine neuer Anschlußpachtvertrag diesen Umstand temporär aufhebt, oder ob die Stadt dennoch mit sofortiger Wirkung die neue Eigentümerin der Immoblien wird, wäre zu diskutieren und von Fachleuten zu prüfen.
Die einfachste und auch eleganteste Löstung wäre allerdings der Verkauf der städtischen Grundstücke an die Garagenbesitzer bzw. den Garagenvereinen zum jeweilien Verkehrswert. Das wäre aus meiner Sicht die einzige Lösung, wie man hier sauber aus dieser zunehmend verfahrenen Kiste heraus kommt. Ein Garagenverein hat scheinbar soweit schon vorausgedacht und eine Kaufanfrage bei der Stadt gestellt. Warum das andere Vereine bisher nicht getan haben, ist mir persönlich ein Rätsel.
Die kostenose Übernahme der durch die Bürger in Eigenleistung erbauten Garagen vor vielen Jahren stellt würde eine zu Unrecht „kalte Enteignung“ darstellen. Zudem müsste die Stadt alle Wartungs- u. Instandsetzungsarbeiten sowie Säuberungsarbeiten übernehmen. Das bedingt die Einstellung zusätzlicher Handwerker ! Deren erhebliche Kosten müsste auf die Garagenmieter umgelegt werden. Völlig unwirtschaftlich für eine Stadtverwaltung ! Besser die Pachtverträge um weitere 25 Jahre verlängern ! Klaus