Sachsen-Anhalts Kinder gehen zu selten zum Zahnarzt, 8 Prozent haben „Kreidezähne“

Kinder in Sachsen-Anhalt gehen viel zu selten zum Zahnarzt. Das geht aus einem Reporter der Krankenkasse Barmer und der Zahnärztekammer hervor. Rund 43 Prozent aller Null- bis Sechsjährigen gehen im Jahr nicht zu Kontrolle.
„Eltern warten oft zu lange, bevor sie mit ihrem Kind das erste Mal zum Zahnarzt gehen“, sagte Axel Wiedemann, Landesgeschäftsführer der BARMER in Sachsen-Anhalt. „Das ist fahrlässig und ein Irrglaube, dass Karies im Kindesalter nicht dramatisch wäre, weil die Milchzähne ohnehin ausfallen. Milchzahnkaries oder suboptimale Zahnstände können lebenslange Folgen haben, denn sie wirken sich auch auf die nachwachsenden Zähne aus“, so Wiedemann.
Eine wichtige Zahnuntersuchung bei kleinen Kindern ist laut Barmer die Früherkennung. Lediglich bei einem Drittel der Kinder zwischen zweieinhalb und sechs Jahren wird eine jährliche zahnärztliche Früherkennungsuntersuchung durchgeführt. Die Inanspruchnahmequote lag im Jahr 2018 in Sachsen-Anhalt nur bei 33,1 Prozent. Innerhalb des Landes sind die Quoten sehr unterschiedlich: Während im Landkreis Wittenberg 41,2 Prozent der Zweieinhalb bis Sechsjährigen zur Früherkennungsuntersuchung waren, lag die Quote im Landkreis Stendal mit 25,7 Prozent deutlich darunter. Immerhin: Der landesweite Trend lässt hoffen. Seit dem 1. Juli 2019 übernehmen alle gesetzlichen Krankenkassen zur Vermeidung von Karies bei Kleinkindern schon ab dem sechsten Lebensmonat zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen und damit deutlich früher als bisher (zuvor erst ab zweieinhalb Jahren). Eine erste Auswertung belegt: Die Inanspruchnahme hat sich leicht verbessert. Die BARMER hat die Daten von rund 4.500 unter Dreijährigen in Sachsen-Anhalt untersucht. Im dritten und vierten Quartal 2019 wurden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr Kinder unter drei Jahren dem Zahnarzt vorgestellt, insgesamt ist ein Plus von 6,1 Prozent zu verzeichnen. „Dieses Ergebnis ist unbedingt weiter ausbaufähig. Doch insgesamt scheinen die früher angesetzten Untersuchungen eine Wirkung zu entfalten“, sagte Wiedemann.
„Die Verbesserung der Mundgesundheit von Kindern ist bereits seit Jahren ein besonderes Anliegen der Zahnärzteschaft“, sagte Dr. Carsten Hünecke, Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt und Zahnarzt aus Magdeburg. Denn von den Zielen der Weltgesundheitsorganisation WHO, die für 2020 einen Anteil kariesfreier Gebisse bei Einschülern von über 80 Prozent angibt, sei Sachsen-Anhalt noch weit entfernt. Wie Zahlen des Landesamtes für Verbraucherschutz zeigen, hatten 2018 nur rund 60 Prozent der einzuschulenden Kinder naturgesunde Zähne. Mehr als ein Viertel der Kinder hat sogar ein behandlungsbedürftiges Gebiss, wie die bei Reihenuntersuchungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes gewonnenen Daten zeigen. Damit gehört Sachsen-Anhalt bei der Kariesprävalenz bundesweit zu den Schlusslichtern. Betroffene Kinder leiden unter Störungen der Kaufunktion und der Nahrungsaufnahme sowie psychischen Folgen und Sprachproblemen, warnte Dr. Carsten Hünecke. Besorgniserregend ist die Lage auch bei den unter Dreijährigen: Bei frühkindlicher Karies (ECC) ist eine Polarisierung zu beobachten, das heißt, fünf Prozent der 0- bis 3-Jährigen in Sachsen-Anhalt vereinen mehr als 70 Prozent aller kariösen Zähne auf sich.
Die seit dem 1. Juli 2019 möglichen drei zusätzlichen Früherkennungsuntersuchungen sowie die Zahnschmelzhärtung mit Fluoridlack für Kleinkinder bis zum vollendeten 33. Lebensmonat sind aus Sicht der Zahnärzteschaft deshalb ein wichtiger Meilenstein für die Mundgesundheit der kleinsten Patienten, so Dr. Hünecke. Er hoffe, dass Eltern dieses Angebot und auch die Früherkennung für über Dreijährige möglichst zahlreich annehmen und durch die Corona-Pandemie eventuell verschobene Vorsorgetermine zeitnah nachholen. Besondere Bedeutung komme im Übrigen dem Zahnputztraining in den Kitas des Landes zu. Im Zuge der Corona-Pandemie hätten viele Kitas das Zähneputzen eingestellt, kritisierte der Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt. Es gebe jedoch keine Hinweise auf ein erhöhtes Infektions-risiko infolge des Putzens, andererseits stärke es die Immunkompetenz und sei für die Mundgesundheit gerade der Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen überaus wichtig, so Dr. Hünecke. Er forderte die Kitas im Land deshalb auf, im Interesse ihrer Schützlinge die gute Arbeit schnellstmöglich fortzusetzen.
Der BARMER-Zahnreport liefert außerdem erstmals Zahlen zu einer Erkrankung bei Kindern, die Ärzten und Wissenschaftlern noch Rätsel aufgibt: Den sogenannten „Kreidezähnen“, medizinisch Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH). Diese Schmelzbildungsstörung tritt meist an den ersten bleibenden Backenzähnen auf, häufig auch an den bleibenden Frontzähnen. Auch Milchzähne können schon betroffen sein. „Die Zähne haben weiße bis gelblichbraune Flecken – je größer und dunkler die verfärbten Stellen sind, desto stärker ist die Mineralisationsstörung. Das schmerzt und die Kinder können kaum noch Zähneputzen. Die Zähne zerbröseln im schlimmsten Fall“, sagte Wiedemann. Allein im Jahr 2018 waren laut dem Zahnreport acht Prozent der Kinder in Sachsen-Anhalt zwischen sechs und zwölf Jahren von MIH betroffen – das ist der zweithöchste Wert im Bundesvergleich nach Brandenburg und entspricht rund 9.000 Heranwachsenden in Sachsen-Anhalt. „Um solchen Krankheitsbildern vorzubeugen, appellieren wir an Eltern und Erziehende, die vorgesehenen Früherkennungsuntersuchungen für Kinder stärker zu nutzen, um Erkrankungen und Entwicklungsstörungen im Zahn-, Mund- und Kieferbereich rechtzeitig zu erkennen. Je früher man an solche Dinge herangeführt wird, desto stärker verstetigen sie sich und werden im Erwachsenenalter zur Normalität“, so Wiedemann.
Ein Problem ist auch die mangelnde Aufklärung von werdenden Eltern, insbesondere der Schwangeren,welche eigentlich im 4. und 8. Monat zur Prophylaxe gehen sollten. Schon während der Behandlung der schwangeren Mutter können Ernährungs- und Pflegehinweise gegeben werden. Insbesondere betont werden sollte,dass das Kind ab dem 1. Zahn mit in die Praxis gebracht werden kann und zu diesem Termin einfach nur geschaut wird,damit das Kind sich schon frühzeitig daran gewöhnen kann.
Mich würde mal interessieren, ob es das früher schon gab oder erst ein neueres Phänomen ist. Anscheinend wurde ja bisher noch nicht sehr viel darüber berichtet. Aber auch wenn die Erkrankung noch weitgehend unerforscht ist, müssen doch früher auch schon Ärzte auf Mineralisationsstörungen aufmerksam geworden sein?
Der Begriff ist seit 2001 gebräuchlich, das stomatologische Phänomen ist seit mindestens 50 Jahren, das Erscheinungsbild seit ungefähr 100.000 Jahren bekannt.
Als Kinderlose bist du nicht betroffen. Bei deiner Erfolgsquote in der Reproduktionsanbahnung solltest du mit dem Thema auch nie in Berührung kommen. ?
Wenn es schon so lange bekannt ist, warum wird es dann hier als etwas besonderes erwähnt? Das müsste dann ja das gleiche Gewicht in der Aufklärungsarbeit wie Karies o. ä. haben.?
Wo wird es als etwas Besonderes erwähnt? Warum sollte es nicht als etwas Besonderes erwähnt werden? Ist etwas Besonderes nicht mehr besonders, wenn es schon lange bekannt ist?
Haifisch (ca. ein paar Millionen Jahre bekannt) in der Saale (ein paar 100tausend Jahre haifrei am fließen) gesichtet -> besonders
Karies (vermtl. erstmals vor 5000 Jahren beschrieben) bei Kindern in ähnlich hoher Zalh wie bisher -> nicht so besonders
Anderes Beispiel?
Masern – vor 1000 Jahren erstmals beschrieben, vor 40 Jahren nahezu ausgerottet, seit 20 Jahren wieder erhebliche Fallzahlen -> sehr besonders, besonders aufgrund der dafür kausalen besonders gefährlichen Idiotie von besonderen, selbsternannten Impfgegnern.
Deine Anforderungen an Berichterstattung sind Mumpitz. Die kannst du haben, du kannst das Gelesene (und selten auch Verstandene) einordnen, wie du lustig bist. Aber warum jemand über etwas mit welchem Gewicht berichtet, bleibt Sache dieses Jemands.
Ich kenn auch Eltern, die ihren Kindern nachts eine Flasche (Bananen-)saft ins Bett legen. Dabei hat Halle so nette Kinderzahnärztinnen. Aber Hauptsache die Kinder tragen Markenklamotten.