Untersuchung: Hatten einzuschulende Kinder in Sachsen-Anhalt nach dem ersten Corona-Lockdown vermehrt Gesundheits- und Entwicklungsdefizite?
Das Landesamt für Verbraucherschutz (LAV) ist für die Gesundheitsberichterstattung (GBE) des Landes verantwortlich. Im Rahmen der GBE werden seit 2008 unter anderem auch die anonymisierten Daten der Schuleingangsuntersuchungen (SEU) eingezogen, ausgewertet und im Internet veröffentlicht (www.gbe.sachsen-anhalt.de >> Daten zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen). Da sich in der Literatur derzeit Berichte über negative Folgen der Corona-Eindämmungsmaßnahmen auf die Gesundheit von Kindern häufen (z. B. 1,2), setzte sich auch das LAV das Ziel, ausgewählte Befundhäufigkeiten bei der SEU auf eine mögliche Verschlechterung nach den ersten Kitaschließungen in Sachsen-Anhalt (16.03. bis 02.06. 2020, teilweise länger) und nach anderen allgemeinen Eindämmungsmaßnahmen des Sommers 2020 hin zu untersuchen.
Methodik
Zur Verfügung standen SEU aus der zweiten Jahreshälfte 2020 (die Übermittlung der Daten der SEU 2021 ist pandemiebedingt noch nicht abgeschlossen). Die Befundhäufigkeiten von 5-jährigen Kindern, die von Juli bis Dezember 2020 untersucht worden waren, wurden zunächst deskriptiv mit Daten von Gleichaltrigen, im selben Zeitraum untersuchten Kindern der Jahre 2011–2019 verglichen. Da das Monatsalter der Kinder, die Jahreszeit der Untersuchung und regionale Gegebenheiten Einfluss auf bestimmte Gesundheitsparameter bei Kindern haben können und die Verteilung der Untersuchungen auf die Monate Juli bis Dezember (Abb. 1a), die Altersstruktur der Kinder (Abb. 1b) und die regionale Zusammensetzung der Daten (nicht gezeigt) im Jahr 2020 etwas anders waren als in den Vorjahren, wurden binäre logistische Regressionsanalysen durchgeführt, welche diese möglicherweise gleichzeitig wirkenden Co-Faktoren berücksichtigen und aus dem eigentlich zu untersuchenden Einflussfaktor (Untersuchungsjahr) herausrechnen.
Ergebnisse
Deskriptiv zeigte sich bei den Kindern im Herbst/Winter 2020 ein deutlich stärkerer Anstieg der Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas als in den Vorjahren (Abb. 2). Die Zunahme der Prävalenz von Bluthochdruck und Entwicklungsdefiziten entsprach hingegen dem Zeittrend der Vorjahre (Abb. 3 und 4). Die Regressionsanalysen bestätigten, dass Kinder, die im zweiten Halbjahr 2020 untersucht wurden, tatsächlich ein deutlich erhöhtes Risiko für Übergewicht und Adipositas hatten (Tab. 1). Sie deckten darüber hinaus auf, dass Kinder im Herbst/Winter 2020 auch ein geringfügig erhöhtes Risiko für feinmotorische Defizite hatten (Tab. 2). Zwar hatten die Kinder 2020 auch ein erhöhtes Risiko für diastolischen Bluthochdruck (Tab. 1) und Artikulations- und Grammatik-Defizite (Tab. 2) im Vergleich zu 2019, allerdings fand sich auch in den Vorjahren schon ein stetig in vergleichbarer Höhe steigendes Risiko für diese Befunde.
Diskussion
Die Zunahme des Risikos und der Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas bei 5-Jährigen in der zweiten Jahreshälfte 2020 ist wahrscheinlich auf das weitgehende Fehlen von organisierter (Kita, Sportverein) und unorganisierter (mit Freunden) sportlich-körperlicher Aktivität während des ersten Corona-Lockdowns zurückzuführen. Auch häufigerer Verzehr von kalorienreichen Genussmitteln in einem unorganisierten Tagesablauf könnte hier eine Rolle gespielt haben. Dass Kinder nach dem ersten Corona-Lockdown ein etwas erhöhtes Risiko für feinmotorische Entwicklungsdefizite hatten, könnte daran liegen, dass über Monate die vielfältigen feinmotorischen Anregungen und Übungen in der Kita fehlten. Es ist geplant, die hier dargestellten Auswertungen an den Daten der SEU 2021 für die Zeit nach dem zweiten Lockdown (Mitte Dezember 2020 bis Februar 2021) zu wiederholen und ggf. zu erweitern, um den möglichen Einfluss der Corona-Eindämmungsmaßnahmen auf die Kindergesundheit noch genauer zu untersuchen.
Für weitere Informationen besuchen Sie uns im Verbraucherschutzportal unter
verbraucherschutz.sachsen-anhalt.de/
1 Ravens-Sieberer, U., Kaman, A., Otto, C., Adedeji, A., Napp, A.-K., Becker, M., Blanck-Stellmacher, U., Löffler, C., Schlack, R., Hölling, H., Devine, J., Erhart M., Hurrelmann, K. (2021). Seelische Gesundheit und psychische Belastungen von Kindern und Jugendlichen in der ersten Welle der COVID-19-Pandemie – Ergebnisse der COPSY-Studie. Bundesgesundheitsbl, 64:1512–1521
2 Bantel, S., Buitkamp, M., Wünsch, A. (2021). Kindergesundheit in der COVID-19-Pandemie: Ergebnisse aus den Schuleingangsuntersuchungen und einer Elternbefragung in der Region Hannover. Bundesgesundheitsbl, 64:1541–1550
Abbildung 1a Untersuchungszeitraum der Schuleingangsuntersuchungen 2011-2019 (Mittelwerte) bzw. 2020
Abbildung 1b Alter der Kinder in den Untersuchungsmonaten Juli bis Dezember der Schuleingangsuntersuchungen 2011-2019 (Mittelwerte) bzw. 2020
Abbildung 2 Adipositas und Übergewicht bei Kindern1 bei den Schuleingangsuntersuchungen2 2011-2019 (Zeittrend3) und 2020 (nach erstem Corona-Lockdown)
1Nur Kinder im Alter von 60-71 vollendeten Lebensmonaten
2Nur Untersuchungen im Zeitraum Juli-Dezember
3gestrichelt: Trendlinien für die Jahre 2011 bis 2019 (2020 ausgeschlossen)
Abbildung 3 Bluthochdruck bei Kindern1 bei den Schuleingangsuntersuchungen2 2011-2019 (Zeittrend3) und 2020 (nach erstem Corona-Lockdown)
1 Nur Kinder im Alter von 60-71 vollendeten Lebensmonaten
2 Nur Untersuchungen im Zeitraum Juli-Dezember
3 gestrichelt: Trendlinien für die Jahre 2011 bis 2019 (2020 ausgeschlossen)
Abbildung 4 Förderbedarfe nach SEBES1 bei Kindern2,3 bei den Schuleingangsuntersuchungen4 2011-2019 (Zeittrend5) und 2020 (nach erstem Corona-Lockdown)
1 Schuleingangsbezogenes Entwicklungsscreening Sachsen-Anhalt
2 Nur Kinder im Alter von 60-71 vollendeten Lebensmonaten
3 ohne Landkreis Harz, wo etwas abweichende Entwicklungstests verwendet werden
4 Nur Untersuchungen im Zeitraum Juli-Dezember
5 gestrichelt: Trendlinien für die Jahre 2011 bis 2019 (2020 ausgeschlossen)
Tabelle 1 Test1 auf signifikante Einflüsse bzgl. der Häufigkeit von Übergewicht, Adipositas und Bluthochdruck bei den Schuleingangsuntersuchungen 2011-2020
1 Binäre logistische Regressionsanalysen
2 Odss-Ratio >1 = Erhöhung des Risikos, Odds-Ratio <1 = Verminderung des Risikos
3 Referenzjahr
Tabelle 2 Test1 auf signifikante Einflüsse bzgl. der Häufigkeit von Förderbedarfen bei den Schuleingangsuntersuchungen2 2015-2020
1 Binäre logistische Regressionsanalysen
2 ohne Landkreis Harz
3 Odss-Ratio >1 = Erhöhung des Risikos, Odds-Ratio <1 = Verminderung des Risikos
4 Referenzjahr
Who cares? Sind nur Kinder und keine Wähler.
Das kann das System gut: mit seinem aufgeblähten Verwaltungsapparat sinnlose Analyse anfertigen, anstatt die Kinder erst gar nicht zu zerstören.
Das kann das System gut: mit seinem aufgeblähten Verwaltungsapparat sinnlose Analysen anfertigen, anstatt die Kinder erst gar nicht zu zerstören.
Ich sehe zuerst die Eltern in der Pflicht, sie sollten ihre Kinder fordern und fördern.
Als zweites müsste man in den Kindergärten auch mehr fördern und fordern.
Meine Tochter hatte im letzten Kindergartenjahr keinen Vorschulunterricht, aber aus ihr ist trotz alledem etwas geworden.