Weniger Krankmeldungen, aber längere Krankheitsdauer wegen psychischer Erkrankungen in Sachsen-Anhalt
In der Corona-Krise waren viele Betriebe in Kurzarbeit. Das hat sich auch auf den Krankenstand ausgewirkt. Denn die Arbeitnehmer in Sachsen-Anhalt haben zwischen Mai und August 2020 deutlich seltener krankheitsbedingt am Arbeitsplatz gefehlt. Das geht aus einer Auswertung der AOK hervor. Zuvor hatte es im März und April 2020 vor allem wegen Erkältungskrankheiten sehr viel mehr Krankmeldungen gegeben als ein Jahr zuvor. Dafür gab es viel mehr und viel längere Krankschreibungen wegen psychischer Belastungen.
Die aktuellen Analysen des WIdO verzeichnen für Sachsen-Anhalt vom 1. Januar bis zum 31. August 2020 im Durchschnitt 12,5 Arbeitsunfähigkeitsfälle je 100 AOK-Mitglieder wegen psychischer Erkrankungen (Bund: 11,1 Fälle). Das waren deutlich weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres: 2019 waren von Januar bis August 13,3 AU-Fälle je 100 AOK-Mitglieder gemeldet worden (Bund: 12 AU-Fälle). „Es ist zu vermuten, dass viele erkrankte Beschäftigte in der Lockdown-Phase zu Beginn der Pandemie aus Angst vor Ansteckung auf einen Arztbesuch verzichtet haben“, so Thomas Fröhlich, Leiter des Geschäftsbereiches Entgeltersatzleistungen bei der AOK Sachsen-Anhalt.
Bemerkenswerterweise zeigt sich allerdings parallel zur Abnahme der Fallzahlen von psychisch bedingten Krankschreibungen eine sprunghafte Zunahme der Länge dieser Krankschreibungen. So stieg die Dauer eines durchschnittlichen psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeitsfalls bei den AOK-Mitgliedern in Sachsen-Anhalt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als zwei Tage – von 26,2 Tagen (Bund: 25,9) bis August 2019 auf 28,6 Tage (Bund: 29,3) bis August 2020.
„Offenbar haben Patientinnen und Patienten mit psychischen Erkrankungen verstärkt auf die Einschränkungen und Belastungen reagiert, die mit der Pandemie einhergingen, und waren dadurch über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig“, so Fröhlich. Damit bekam der Trend der letzten Jahre zu immer längeren Krankschreibungen wegen psychischer Erkrankungen im Pandemie-Jahr 2020 einen weiteren Schub.
Im Vergleich zum Vorjahr insgesamt weniger Fehlzeiten
Die Covid-19-Pandemie hat die bisherige AU-Statistik des Jahres 2020 stark beeinflusst – das lässt zumindest der Vergleich mit dem Vorjahr vermuten: Zunächst gab es zu Beginn der Pandemie im März und April 2020 einen deutlichen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Der höchste Krankenstand wurde in Sachsen-Anhalt im März mit einem Krankenstand von 8,7 Prozent (Bund: 7,8 Prozent). Das waren knapp 1,4 Prozentpunkte mehr als im März 2019 mit 7,3 Prozent (Bund: 6,1 Prozent).
Von Mai bis August lagen die Krankenstände hingegen unter denen der entsprechenden Vorjahresmonate. So meldeten sich AOK-versicherte Beschäftige in Sachsen-Anhalt im Mai 2020 nur an 5,2 Prozent (Bund: 4,4 Prozent) der Tage krank – im Vorjahresmonat waren es 6 Prozent (Bund: 5,2 Prozent). Auch in den Sommermonaten setzte sich dieser Trend fort. „Der Effekt, den wir bei den psychischen Erkrankungen sehen, gilt auch für andere Erkrankungen, die beim niedergelassenen Arzt oder im Krankenhaus behandelt werden sollten: Viele Beschäftigte haben vermutlich aus Angst vor einer Infektion den Gang zum Arzt vermieden“, so Fröhlich. Der Rückgang könne auch damit zusammenhängen, dass das Infektionsrisiko durch die Maßnahmen zum Schutz vor Covid-19 gesunken sei, vermutet Fröhlich: „Mehr Homeoffice, weniger Mobilität und die Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln dürften zum Rückgang beigetragen haben. Angesichts aktuell steigender Infektionszahlen – und weil der Winter vor der Tür steht – sind diese Zahlen jedoch kein Anlass zur Entwarnung.“
Im Zehn-Jahres-Vergleich ist der Krankenstand 2020 „unspektakulär“
Das WIdO hat zudem einen Vergleich der ersten Monate des Jahres 2020 mit den entsprechenden Monaten der letzten zehn Jahre durchgeführt. Dieser Vergleich hat den Vorteil, dass Sondereffekte – zum Beispiel durch starke Grippewellen – in einzelnen Jahren ausgeglichen werden. Die Ergebnisse zeigen, dass lediglich von Januar bis April ein höherer Krankenstand zu verzeichnen war als im Mittel der letzten zehn Jahre (siehe Tabelle).
Die Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung wegen Atemweg-serkrankungen, die von Anfang März bis Ende Mai 2020 galt, dürfte einen Einfluss auf die erhöhten Krankenstände im Vergleich zu den Vorjahren gehabt haben. „Gleichzeitig sprechen die Daten dafür, dass Ärzteschaft und Beschäftigte mit dieser temporären Regelung verantwortungsvoll umgegangen sind“, betont Fröhlich. Im Mai und Juni 2020 sei der Krankenstand leicht hinter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre zurückgeblieben. „Somit fällt die Zwischenbilanz für das Jahr 2020 trotz der zwischenzeitlichen Ausschläge nach oben und unten insgesamt eher unspektakulär aus“, so Fröhlichs Fazit.
Krankschreibungen wegen Covid-19 im April 2020 auf dem Höhepunkt
Eine Auswertung der Krankschreibungen wegen einer Covid-19-Erkankung zeigt: Insgesamt sind in Sachsen-Anhalt bis Ende August 2020 mehr als 672 Beschäftigte (Bund: 58.000), die mindestens einen Tag AOK-versichert waren, wegen einer nachgewiesenen SARS-CoV-2-Infektion (ICD-GM: U07.1) krankgeschrieben worden, also 207 Covid-19-Erkrankte je 100.000 AOK-versicherte Beschäftigte (Bund: 451 Covid-19-Erkrankte je 100.000 AOK-versicherte Beschäftigte).
Die meisten AU-Meldungen wegen einer Covid-19-Erkrankung wurden in den Monaten März 2020 mit 80 Erkrankten je 100.000 Beschäftigte (Bund: 160) und April 2020 mit 115 Erkrankten (Bund: 267) gemeldet.
Eine im Juli 2020 veröffentlichte Auswertung des WIdO hatte gezeigt, dass Beschäftigte in Gesundheitsberufen in der Hochphase der Pandemie von März bis Mai am stärksten von Krankschreibungen im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion betroffen waren. Auch für den Zeitraum von März bis August lässt sich ein erhöhtes Infektionsrisiko für diese Berufe, die mit einer Vielzahl von Menschen in Kontakten kommen, herauslesen.
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