12. Mai 1933: der Tag, an dem in Halle die Bücher brannten
Am Heinrich-Heine-Denkmal auf dem halleschen Uniplatz wurde am Donnerstagabend an einen unrühmlichen Tag in der Geschichte von Stadt und Universität erinnert. Denn am 12. Mai 1933 brannten auch auf dem Universitätsplatz Bücher.
Die Uni messe den Gedenkveranstaltungen eine hohe Bedeutung bei, sagte Prorektor Prof. Dr. Wolfgang Auhagen, und dankte „Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage“ für die Organisation. Die Aufarbeitung der eigenen Geschichte in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts sei der Universität ein wichtiges Anliegen. Seit drei Jahren gebe es diesbezüglich eine Kommission. „Es ist bedrückend festzustellen, dass für diese Bücherverbrennung maßgeblich Akademische Kreise verantwortlich waren“, so Auhagen. Initiiert von den Studentenschaften hätten auch zahlreiche Professoren daran teilgenommen, seien in Talaren vor die Scheiterhaufen getreten, „um Feuerreden zu halten“. Es habe allerdings auch vereinzelt Kritik und Widerstand gegeben. „Aber diese wenigen Beispiele von Widerstand zeigen, wie groß die Zahl derer war, die das Vorgehen billigten.“ Die breite Bevölkerung habe die Bücherverbrennung mit Gleichgültigkeit zur Kenntnis genommen. Aus diesem Grund habe die Uni eine große Verantwortung und die Verpflichtung, die Erinnerung an die Bücherverbrennung wach zu halten, ebenso wie die Verstrickung der Universität in ideologiegeladene Politik.
Cornelia Zimmermann vom Stadtmuseum und Vorsitzende des Freundeskreises vom Leopold-Zunz-Zentrum sagte, ihr sei besonders der 12. Mai 1999 in Gedächtnis geblieben. Zu einer damaligen Gedenkstunde an die Bücherverbrennung war Emil Fackenheim gekommen, dem die Ehrendoktorwürde verliehen wurde. Der jüdische Philosoph wurde 1916 in Halle geboren und war 1937 der letzte übriggebliebene jüdische Student an der Universität. Nach den Novemberpogromen 1938 wurde er in einem Konzentrationslager interniert und floh ein Jahr später aus Deutschland. Seine Eltern und sein Onkel wurden durch die Nationalsozialisten dagegen ermordet. Sie hatten sich der Flucht nicht angeschlossen, sondern auf eine Besserung der Situation gehofft. Nach seiner Flucht nach England folgte wieder Haft, diesmal als vermeintlicher Deutscher Spion bis 1943. Erst 1999 kam Fackenheim in seine Heimatstadt zurück. „Wenn ich an meine Heimatstadt Halle denke, dann denke in an Händel und Heydrich“, sagte Fackenheim bei seiner Rückkehr nach Halle. Reinhard Heydrich gilt als der maßgebliche Organisator des Holocausts. Er habe eigentlich vorgehabt, nie wieder nach Halle zurückzukommen. „Ich wollte den Nationalsozialisten aber nicht den Sieg darüber gönnen, dass ein Bruch im deutsch-jüdischen Verhältnis, ein Verlust von Menschen und deren Wissen und Können, unbemerkt bleibt und kein Neuanfang möglich ist“, so Fackenheim 1999.
Ab Mitte Februar 1933 wurden Schulbüchereien nach gemäß der NS-Ideologie geschichtlich nicht geeigneten Werken durchgesehen. Im März folgte die groß angelegte Säuberungsaktion „Wider den undeutschen Geist!“ Im April ist in einer halleschen Zeitung zu lesen, dass die deutsche Studentenschaft vom 12. April bis 10. Mai einen „Aufklärungsfeldzug wider den undeutschen Geist“ veranstaltet. Auf öffentlichen Anschlägen wird in 12 Thesen der treibende Geist dokumentiert. Die braune Studentenschaft in Halle ging zunächst aktionistisch und hysterisch vor, ändert später jedoch ihre Taktik. Studierende befragten Buchhändler und Bibliothekare, welche Bücher jüdischer, marxistischer und sonst „volkszersetzender“ Autoren am meisten gekauft bzw. ausgeliehen wurden. Am 12. Mai loderte dann der Scheiterhaufen vor dem Löwengebäude, hunderte Studenten sahen zu, die Sängerschaft Fridericiana begleitete die Verbrennung musikalisch mit „Volk ans Gewehr“. Die Liste der geschassten Bücher wurde in Halle sogar um viele weitere Autoren ergänzt, die Stadt war also übereifrig in jenen Jahren. 140 Autoren stehen auf dem “Halleschen Generalindex”, wie Heinrich Heine, Klabund, Frank Wedekind, Albert Einstein, Carl Zuckermayer und Friedrich Hollaender. Im Mai 1933 war die hallesche Universität auch “judenfrei”, fast alle jüdischen Studenten und Wissenschaftler waren suspendiert. Der Name Martin-Luther-Universität: auch ein Werk des dunkelsten Kapitels in Deutschland. Aber konsequent, Martin Luther war bekennender Antisemit. Am 23. Mai 1933 kann man in einer Zeitung lesen, dass 20 hallesche studentische Verbindungen geschlossen der NSDAP beigetreten waren.
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