Ausfallquote, veraltete Technik, Frust bei Pendlern: Der schwierige Start der neuen S-Bahn-Linie S11 Halle-Querfurt

Sonntagmorgen vor einer Woche, 9.49 Uhr, am Hauptbahnhof in Halle. Laut Fahrplan soll die S-Bahn-Linie S11 Richtung Querfurt abfahren. Doch das Gleis ist leer. Kein Zug in Sicht. Und das ist kein Einzelfall: Auch um 10.49 Uhr, 11.49 Uhr und 12.49 Uhr bleibt die Bahn aus. In der App wechseln sich die Begründungen ab – mal sind es technische Probleme, mal ein kurzfristiger Personalausfall.

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Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen. Im Dezember wurde die bisherige Regionalbahn-Verbindung zwischen Querfurt und Merseburg zur neuen S-Bahn-Linie S11 umgewandelt – mit Durchbindung bis Halle, mehr Fahrten am Wochenende und dem erklärten Ziel, die Region besser zu vernetzen und insbesondere den Tourismus am Geiseltalsee zu fördern.

Und die Umstellung zeigt Wirkung: „Die neue S11 ist in vielen Bereichen ein Erfolg“, erklärt die Nahverkehrsservicegesellschaft Sachsen-Anhalt (NASA). „Das zeigen die um bis zu 80 Prozent gestiegenen Fahrgastzahlen sehr deutlich.“ Auch das Pünktlichkeitsniveau von 93,8 Prozent im Juni liege über dem Landesdurchschnitt.

Doch die Realität auf den Gleisen erzählt eine andere Geschichte.

Regelmäßige Zugausfälle trotz voller Züge

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Trotz gestiegener Nachfrage fällt die S11 regelmäßig aus. Seit ihrer Einführung im Dezember kommt es laut NASA bei durchschnittlich 3,8 Prozent aller Fahrten zu einem kompletten Ausfall – im Juni waren es sogar 5,8 Prozent. Betroffen sind vor allem Wochenenden und Tagesrandzeiten, also gerade die Zeiten, in denen Ausflügler oder Pendler auf eine verlässliche Verbindung angewiesen sind.

Die Ursachen sind bekannt: Triebwagenstörungen und kurzfristiger Personalmangel. Vor allem auf dem Abschnitt zwischen Merseburg und Halle wird dann gestrichen – ein bewusst gewähltes Vorgehen, wie die NASA betont. Auf diesem Abschnitt bestehen alternative Verbindungen mit dem RE 16 und der RB 25, so ein NASA-Sprecher. Doch das bedeutet für Fahrgäste aus Halle, die zum Geiseltalsee wollen, oft einen Umstieg mit 30 bis 50 Minuten Wartezeit in Merseburg.

Die Direktverbindung – eigentlich das Hauptargument für die neue Linie – verliert damit an Wert.

Alte Fahrzeuge mit neuen Farben, aber alten Problemen

Hinzu kommt ein technisches Problem, das sich nicht kurzfristig lösen lässt: die Fahrzeuge selbst. Die auf der Linie eingesetzten Triebwagen sind keine Neuentwicklungen. Sie stammen noch aus der Zeit, als die Strecke eine Regionalbahn war, und haben lediglich einen neuen Anstrich erhalten. Die Fahrgäste nennen sie scherzhaft „Walfische“ – wegen ihrer rundlichen Form. Doch unter der Haube zeigt sich das Alter: Toiletten fallen aus, Türen bleiben verschlossen, Klimaanlagen streiken.

An einem Wochenende berichtet ein Fahrgast, dass nur noch ein einziger Triebwagen der insgesamt sieben verfügbaren Fahrzeuge im Einsatz war. „Heute früh war nur einer fahrbereit, die anderen standen in der Werkstatt“, habe ein Zugbegleiter ihm erklärt. Selbst dieser eine Zug hatte eine Türstörung, sodass sich alle Fahrgäste durch einen einzigen Eingang drängeln mussten. Das ist besonders ärgerlich, da die Fahrzeuge pro Seite nur zwei Türen besitzen.

Doppeltraktionen fehlen – Pendler stehen im Gang

Ein weiteres Problem sind die fehlenden Sitzplätze in Stoßzeiten. Geplant ist, dass in den Hauptverkehrszeiten zwei Triebwagen gekoppelt unterwegs sind – sogenannte Doppeltraktionen. So würde sich die Kapazität von 60 auf 120 Sitzplätze verdoppeln. Doch im Juni fuhren laut NASA mehr als die Hälfte der geplanten Doppeltraktionen nur einfach. Der Grund ist simpel: Es gibt schlicht nicht genug funktionierende Fahrzeuge.

Ein Beispiel schildert ein Fahrgast: „Ich habe den Schaffner gefragt, warum kein zusätzlicher Wagen angehängt wird. Er sagte, man hätte gar keine mehr – alles sei in der Werkstatt.“

NASA kritisiert Bahnunternehmen – und sieht Handlungsbedarf

Auch bei der NASA ist man sich der Probleme bewusst. „Trotz eines fortlaufenden Austauschs mit der DB Regio AG und dringenden Aufforderungen zum Handeln hat sich diese Situation bislang leider nicht nachhaltig verbessert“, heißt es aus der Landesgesellschaft. Man sehe dies „sehr kritisch“ und werde das Thema „weiterhin intensiv begleiten“.

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19 Antworten

  1. Detlef sagt:

    Ist doch nichts neues bei der Bahn

  2. PaulusHallenser sagt:

    „An einem Wochenende berichtet ein Fahrgast, dass nur noch ein einziger Triebwagen der insgesamt sieben verfügbaren Fahrzeuge im Einsatz war. „Heute früh war nur einer fahrbereit, die anderen standen in der Werkstatt““

    Genau deswegen ist und bleibt das Auto unverzichtbar. Auf öffentliche Verkehrsmittel kann man sich in Sachsen-Anhalt nicht verlassen.

    Der ÖPNV hat in Sachsen-Anhalt inzwischen ein Dritte-Welt-Land-Niveau erreicht. Das ist nicht nur ziemlich traurig, sondern auch ziemlich peinlich.

    • 10010110 sagt:

      Du warst noch nie im ÖPNV und die „Dritte Welt“ kennst du auch nur aus dem Fernsehen. Also einfach mal die Fresse halten, wenn man keine Ahnung hat.

      • wow sagt:

        Nulli, was ist das denn für ne Ausdrucksweise?
        Einfach unerträglich.

      • PaulusHallenser sagt:

        „Du warst noch nie im ÖPNV“

        10010110,

        ich bin sehr wohl schon mit der Straßenbahn in Halle unterwegs gewesen. Vor allem den Kippen- und Biergestand z.B. von mitfahrenden HFC-Fans habe ich heute noch in der Nase.

        „und die „Dritte Welt“ kennst du auch nur aus dem Fernsehen.“

        Sie unterschätzen mich mal wieder. Ich habe Europa schon mehrfach verlassen, um verschiedene Regionen der Welt zu besichtigen. Ich habe im Gegensatz zu Ihnen auch das dafür notwendige Kleingeld. 🙂

        „Also einfach mal die Fresse halten“

        Der Ton des Prekariats tut Ihnen nicht gut.

    • J sagt:

      Und woran liegt das? Weil die Bahn und der ÖPNV kaputt gespart wurde und fast alle Mittel dem Autoverkehr in den Hintern geblasen wurden. Mit fairen Wettbewerb hat das nichts zu tun, wie du und deine Neos ja so gern argumentieren. Es bräuchte nun jahrelange massive Investitionen in die Schiene und den ÖPNV, um nur einigermaßen „Waffengleichheit“ zu gewährleisten. Versprochen hat es ja die neue Regierung. Aber das haben auch schon andere vor ihr. Aber vielleicht machen sie es ja wirklich mal war und verteilen um, von der Straße auf die Schiene. Die jetzige und nachfolgende Generationen würden es ihr danken.

      • PaulusHallenser sagt:

        „Weil die Bahn und der ÖPNV kaputt gespart wurde“

        J,

        nein, die Nutzer des ÖPNV haben in der Vergangenheit viel zu wenig für die Verkehrsdienstleistungen gezahlt. Die müssten finanziell stärker zur Verantwortung gezogen werden.

    • : sagt:

      PausenClown du hast es voll drauf. Deine Weisheit und Klugheit können deine Kritiker nicht fassen, deswegen sind diese Versager auch neidisch auf dich. Ich bin dein größter Fan 🤗

  3. Foxes sagt:

    Anstrich ist es nicht. Es ist tatsächlich eine Folierung. Einfacher zu entfernen um diese alten Rumpelbuden in andere Gebiete einzusetzen. Oben in Mukran stehen im Stillstandsmanagement genug Lint Fahrzeuge die zurzeit zum Verkauf angeboten werden. Das wären Fahrzeuge die wenigstens Moderner rüber kommen und viel mehr Kapazität bieten können. Jedes Mal wenn man in der S11 am Halle Saale Hbf einsteigt, dann fühlt man sich eingeengt und unwohl. Es ist Ansich alles da an Fahrzeugen, nur dann habert es wieder an Triebfahrzeugführer die sich (wie schon bekannt) sich auch gerne mit Absicht Krankschreiben lassen. Kennt man ja bereits von der S47.

  4. 10010110 sagt:

    Laut Enzyklopädie sind die Fahrzeuge dieser Baureihe sogar jünger als die älteste Generation der HAVAG-Straßenbahnen, die derzeit regulär im Einsatz ist, und durch die TINA ersetzt werden soll, und selbst die fahren noch zuverlässiger. 🤔 Das Problem scheint also eher an der Werkstatt zu liegen, denn kaputte Türen oder Toiletten sind jetzt kein Hexenwerk und führen nicht zu verminderter Fahrtauglichkeit.

    • Wie Keanu Pedija sagt:

      „Nachschlagewerk“ war dir wohl zu deutsch?

    • AaBbCc sagt:

      Naja, es sind teilweise auch Störungen der Fahrzeugsoftware und was ist wenn beide Türen auf einer Seite defekt sind? Insgesamt wurden nur 40 641er für den deutschen Markt gebaut. Bei den Mgt6D der Havag gibt es allein 60 in Halle und in anderen Städten was weiß ich wie viele. Da kommt man besser an Ersatzteile als bei einem Fahrzeug mit einer geringen Stückzahl. Auf der RB 113 Leipzig-Gaithain, wo die Züge auch fahren, hat man genau die selben Probleme. Dort war vor ca 2 Wochen keines der 6 Fahrzeuge einsatzbereit, sodass ein Fahrzeug aus Halle (von S11) und eins aus Erfurt ausgeliehen wurde. Zudem müssen die Züge für alle großen Reparaturen ins Regio Werk Erfurt. Dafür braucht es aber auch Personal und die Fahrt dauert ein Wenig. In Erfurt kennt man diese Baureihe seit 20 Jahren und kommt somit wohl auch besser zurecht, als Buna, wo die Züge der S11 gewartet werden. Sowohl Leipzig, als auch Halle könnten ein bis zwei Fahrzeuge mehr gebrauchen.

  5. Bürger sagt:

    Einmal versucht, das Fahrrad mit zum Geiseltalsee zu nehmen. Ab jetzt wieder mit dem V8.

    • J sagt:

      Schonmal versucht, mit dem Fahrrad ZUM Geiseltalsee zu fahren? Ist gar nicht so schlimm. Und du machst auch was für deine Gesundheit und posierst nicht nur mit deinem teuren E-Bike auf den 100 Metern, die du schaffst.

  6. Nuvole sagt:

    Dann eben wieder in Merseburg umsteigen, was wäre so schlimm daran ?
    Auch kann man beim DB Stillstandsmanagement mal nachfragen.
    https://www.mz.de/mitteldeutschland/burgenlandkreis/db-resale-darum-warten-alte-loks-im-burgenlandkreis-auf-kaufer-1605845
    Das wiederum könnte allerdings daran scheitern, daß die dafür prädestinierten VT 628 leider nicht barrierefrei sind.
    Wäre noch die 728 (?)er Buslinie Merseburg- Querfurt, oder eine Ausleihe der nur am Mi/ So+So beschäftigten Triebwagen der Wipperliese, die können ruhig mal eine Direktverbindung von Wippra über Hettstedt, Blankenheim Trbf. nach Halle anbieten, oder statt dessen am besten noch in Röblingen abbiegen und über Schraplau und Querfurt das Angebot der Reichsbahnzeit wieder herstellen.
    Man kann ja alles mal ausprobieren, die zehn Kilometer von Schrappel nach Quifte sollten doch keine Hürde sein, das würde ungefähr zwei, drei Taurusraketen kosten und schon hätten wir den Lückenschluß.
    Oder will man garnicht die Leute im Zug haben ?

    • Bürger sagt:

      Das Stillstandsmanagement heißt jetzt „train parking and services“. Das soll nicht so negativ klingen.

  7. Emmi sagt:

    Hauptsache die DB kann Dividende ausschütten