Abschieben nach Syrien? Diskussionen um Haseloff-Interview
Ein Sommerinterview mit Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff in der MZ sorgt derzeit für heftige Diskussionen. Haseloff hat darin verstärkte Rückführungen, auch nach Syrien, gefordert. Zudem erklärte er, dass die wenigsten Asylbewerber politisch verfolgt werden und damit auch kein Asylgrund vorliege.
Die Grünen als Koalitionspartner sind erzürnt. Syrien sei ein Bürgerkriegsland, twittert der Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel. „Und in die Folterkeller von Assad wird nicht abgeschoben. Da vertrauen wir auch nicht auf irgendwelche Zusicherungen eines Autokraten.“ Striegel meint damit Putin. Und die Grüne Fraktionsvorsitzende im Landtag, Cornelia Lüddemann, meint: „Es gibt klare Regeln. In Bürgerkriegsland wird nicht abgeschoben. Völlig indiskutabel.“ Lüddemann begrüßt aber, dass Haseloff „die alte Grüne Idee Einwanderungsgesetz übernommen“ habe, nun müsse er nur noch die CDU davon überzeugen.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach schrieb bei Twitter: „Wie zynisch kann man denn sein! Haseloff will nach Syrien abschieben wenn die Russen dort „Schutz“ versprechen. Er gibt den Trump des deutschen Ostens.“
„Die Äußerungen des Ministerpräsidenten zu aktuellen Erfordernissen in der Asyl- und Migrationsdebatte sind mehr als verstörend. Alle Grenzen schließen und schnellstmöglich alle zu uns geflüchteten Menschen wieder abschieben, ist ein Politikverständnis, das angesichts der Verhältnisse in den Fluchtländern und auf den Fluchtrouten zynisch ist und sich mit humanistischen und christlichen Grundwerten nicht vereinbaren lässt“, erklärt der Fraktionsvorsitzende Der Linken Thomas Lippmann. „Wir verlieren als Gesellschaft unsere Menschlichkeit, wenn wir angesichts des tausendfachen Sterbens in Kriegen, Klimakatastrohen und auf der Flucht nur noch danach trachten, uns abzuschotten, um von dem Elend in der Welt, für das wir mit Verantwortung tragen, nicht weiter behelligt zu werden.“ Haseloff schlage damit in dieselbe Kerbe wie Bundesinnenminister Horst Seehofer. „Dass er ihn im Interview verteidigt und meint, Horst Seehofer habe inhaltlich nur das gemacht, was die Mehrheit der Deutschen will, ist skandalös. Horst Seehofer hat sich zum Werkzeug der extremen Rechten gemacht. Er hat sich auf ihren Kurs begeben, ihre Forderungen zum Regierungshandeln erhoben, ihre Deutungsmuster übernommen und damit eine der größten Regierungskrisen in der Geschichte der Bundesrepublik provoziert. Die Mehrheit der Deutschen hätte den Rücktritt des Innenministers begrüßt und nicht, dass er für sein politisch rücksichtsloses und in der Sache menschenverachtendes Vorgehen gegen Geflüchtete von unserem Ministerpräsidenten gefeiert wird.“ Lippmann ist der Meinung, Haseloff sollte besser zeigen, „dass er sich um die Integrationsbedingungen hier vor Ort in Sachsen-Anhalt kümmert. Dazu zählt vor allem die bisher höchst mangelhafte Unterstützung von Migranten in den Schulen und die mehr als schleppende Integration in den Arbeitsmarkt. Außerdem sollte er sich auf der Bundesebene nachdrücklich für die Beseitigung von Fluchtursachen und die zügige Erarbeitung eines modernen Einwanderungsgesetzes einsetzen. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung in unserem Bundesland sollte er vorangehen, um endlich Zuwanderung wieder als Chance und Perspektive zu begreifen und nicht weiter als Bedrohung zu bekämpfen.“
„Es ist zwar erfreulich, dass Herr Haseloff die Positionen der AfD zur Asylpolitik und inneren Sicherheit vollumfänglich übernimmt und zumindest medial für mehr Abschiebungen eintritt. Ich erwarte dann aber auch, dass den Worten Taten folgen“, meint der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Hagen Kohl . „Tatsächlich belegt aber gerade die Abschiebequote in Sachsen-Anhalt ein Komplettversagen der Landesregierung. Wenn der Ministerpräsident sich jetzt für Rückführungen nach Syrien ausspricht, nachdem sich Sachsen-Anhalt sogar bei der vergleichsweise einfacheren Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer enthalten hat, ist nicht zu erwarten, dass er seine Ankündigungen auch umsetzen wird. Wenn es Haseloff ernst ist, erwarte ich einen konkreten Fahrplan für Abschiebungen nach Syrien und auch die Zustimmung der Kenia-Koalition zur Einstufung von Tunesien, Marokko und Algerien als sichere Herkunftsstaaten bei der nächsten Abstimmung im Bundesrat!“
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