Erinnern mit Herz und Verstand: 8. Tagebuch der Gefühle in Halle (Saale) erschienen
Seit nunmehr 14 Jahren widmet sich das Projekt „Tagebuch der Gefühle“ in Halle (Saale) einer besonderen Form der Geschichtsvermittlung: Geschichte soll nicht nur erzählt, sondern gefühlt, verstanden und für alle zugänglich gemacht werden. Am Montag wurde das inzwischen achte „Tagebuch der Gefühle“ unter dem Titel „Positive Auslese. Die Geschichte vom Lebensborn“ offiziell vorgestellt – und erstmals erschien eine Ausgabe in Leichter Sprache.
Die aktuelle Publikation ist in enger Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern des Landesbildungszentrums für Blinde und Sehbehinderte sowie dem Büro für Leichte Sprache „Wir verstehen uns“ der Lebenshilfe Mansfelder Land e. V. entstanden. Damit richtet sich das Projekt erstmals gezielt an Menschen mit Behinderungen – und setzt ein starkes Zeichen für Inklusion und Teilhabe an Erinnerungskultur.
Projektleiter Andreas Dose machte bei der Vorstellung deutlich, dass das Tagebuch der Gefühle weit mehr sei als eine bloße Sammlung von Texten: „Es zeigt, wie vielfältig, tiefgreifend und berührend Gefühle sein können. Erinnerung ist nicht nur Pflicht, sondern auch Verantwortung“, so Dose.
Die teilnehmenden Jugendlichen dokumentieren in ihren Texten nicht nur historische Fakten, sondern vor allem ihre eigenen Gedanken, Erkenntnisse und Emotionen. Sie forschen, stellen Fragen, besuchen Gedenkstätten, Museen und Archive. „Diese Jugendlichen wollen wissen, was wirklich geschehen ist“, betonte Dose. „Sie wollen verstehen, wohin Gleichgültigkeit führt – und verhindern, dass sich die Fehler ihrer Urgroßeltern wiederholen.“
Das achte Tagebuch der Gefühle wurde, wie Dose betonte, „von Betroffenen für Betroffene“ geschaffen. Es zeige, „wie tief Lernen gehen kann, wenn es aus dem Herzen kommt“. Für die Jugendlichen sei das Projekt nicht nur ein Lernprozess, sondern auch ein Ausdruck gesellschaftlicher Verantwortung. „Menschlichkeit darf nicht nur ein Unterrichtsfach sein, sondern muss tägliche Aufgabe sein“, sagte Dose.
Auch Katrin Gensecke, SPD-Landtagsabgeordnete und Autorin des Vorworts, zeigte sich beeindruckt: „Mich berührt dieses Projekt unheimlich. Es ist bemerkenswert, wie junge Menschen sich mit einem schwierigen Kapitel der Geschichte auseinandersetzen und dabei ihre Gefühle und Gedanken so offen teilen.“
Lernen mit Herz, Mut und Kamera
Das Projekt „Tagebuch der Gefühle“ setzt seit Jahren ein starkes Zeichen gegen Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung. Es klärt über die Verbrechen des Nationalsozialismus auf, insbesondere über die systematische Ermordung der europäischen Minderheiten – mit besonderem Augenmerk auf das jüdische Leben in Europa. Ziel ist es, Wissen solidarisch zu teilen, junge Menschen zum eigenen Forschen anzuregen und das Erinnern aktiv zu gestalten.
Bemerkenswert ist die Zusammenarbeit zwischen Jugendlichen aus unterschiedlichen Schulformen und Bildungshintergründen. So entstehen vielfältige Perspektiven auf die Geschichte. Da das Projekt vollständig in der Freizeit der Teilnehmer*innen stattfindet, beruht das Tagebuch ausschließlich auf dem freiwilligen Engagement der Jugendlichen.
Sie besuchen Gedenkorte wie die Gedenkstätte Roter Ochse, das Stadtarchiv Halle oder die jüdische Gemeinde. Begleitet werden sie dabei von Kameras – das Projekt dokumentiert seine Arbeit in YouTube-Videos, Instagram-Beiträgen und sogar in einem täglichen Vlog aus Auschwitz. So wird Erinnerung auch digital erfahrbar gemacht und erreicht ein junges Publikum auf zeitgemäßen Wegen.
Mit Lesungen in Schulklassen bringen die Jugendlichen ihre Erfahrungen anschließend selbst weiter – authentisch, emotional und auf Augenhöhe.
Erinnerung, die verbindet
Das Tagebuch der Gefühle beweist einmal mehr, dass historische Bildung nicht aus trockenen Jahreszahlen besteht, sondern aus menschlichen Geschichten, Empathie und Begegnung. Mit der neuen Ausgabe in Leichter Sprache öffnet sich das Projekt einem noch breiteren Publikum – und macht Geschichte wirklich für alle verständlich.
„Das achte Tagebuch zeigt, dass Erinnerung inklusiv sein kann“, fasst Andreas Dose zusammen. „Und dass Lernen dort beginnt, wo wir bereit sind, zuzuhören – mit Kopf und Herz.“
Das Projekt „Tagebuch der Gefühle“ wurde 2011 in Halle (Saale) ins Leben gerufen. Seitdem erscheinen regelmäßig Publikationen, in denen Jugendliche ihre emotionalen Zugänge zu historischen Themen dokumentieren. Jedes Tagebuch widmet sich einem speziellen Aspekt der NS-Geschichte oder gesellschaftlicher Verantwortung. Ziel ist es, junge Menschen zur aktiven Erinnerungskultur zu befähigen – gegen das Vergessen und für mehr Menschlichkeit im Alltag.














„Tagebuch der Gefülhe“
Ein wirklich tolles Projekt seit vielen Jahren. Danke für diese wichtige Arbeit!
Siet 2011 gibt es diese Bücher, diese Initiative aber ich lese das erste Mal darüber. Weder MZ noch dubisthalle oder hallespektrum haben bisher darüber geschrieben. Sehr erstaunlich das ein so wichtiges Projekt so wenig Aufmerksamkeit bekommt, oder ist das eher bezeichnend ?
Bezeichnend für was? Gelegentliche Unaufmerksamkeit Deinerseits?
du-bist-halle: https://dubisthalle.de/?s=tagebuch+der+gef%C3%BChle
mdr: https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/halle/halle/anschlag-tagebuch-der-gefuehle-antisemitismus-104.html
MZ: https://www.mz.de/mitteldeutschland/sachsen-anhalt/mir-liefen-die-tranen-jugendliche-sammelten-1-000-stimmen-zum-halle-anschlag-4019181
und 2024 waren sie hier Preisträger: https://www.esel-auf-rosen.de/preistraeger-2024