Gimritzer Damm: Klagen gegen Deichbau abgewiesen
Mit zwei Urteilen vom 20. Dezember 2022 hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss für die Hochwasserschutzanlage Gimritzer Damm überwiegend abgewiesen.
Die Kläger sind Eigentümer von Grundstücken auf der östlichen Seite der Saale in Halle (Saale). Auf der gegenüberliegenden westlichen Seite der Saale befindet sich die Hochwasserschutzanlage Gimritzer Damm, die dem Schutz des Stadtteils Halle-Neustadt dient. Diese wurde im Zuge des Hochwassers im Jahr 2013 mit Sandsäcken gesichert. Gleichzeitig kam es zu einer Überschwemmung der Grundstücke der Kläger. Diese meinen, die Überschwemmung ihrer Grundstücke gehe vor allem auf die Sicherung bzw. Erhöhung des Gimritzer Damms zurück.
Am 29. September 2017 beantragte der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) die Planfeststellung der Maßnahme „Hochwasserschutzanlage Gimritzer Damm“. Gegenstand des Antrags war die Errichtung einer Hochwasserschutzanlage auf dem vorhandenen Gimritzer Damm. Mit Planfeststellungsbeschluss vom 28. Oktober 2019 stellte der Beklagte der Plan für das Vorhaben fest. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die Errichtung der Hochwasserschutzanlage am Gimritzer Damm die Hochwassergefährdung im Stadtgebiet von Halle nicht merklich beeinflusse. Die Wasserspiegellagen seien im Ist- und Planzustand nahezu identisch. Aufgrund der inzwischen fertiggestellten Erhöhung der Hochwasserschutzanlage liegt die Oberkante des Deichs – anders als bisher – über der Geländehöhe der Grundstücke der Kläger.
Die Kläger haben gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben. Sie befürchten, dass die Erhöhung des Deichs eine Gefährdung für ihre Grundstücke darstelle.
Der Senat hat entschieden, dass ein Anspruch der Kläger auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nicht bestehe. Der Planfeststellungsbeschluss sei zwar materiell rechtswidrig, da ein Abwägungsfehler im Hinblick auf die Belange der Kläger vorliege. Der Beklagte habe die privaten Belange der von der Hochwasserschutzanlage Gimritzer Damm negativ betroffenen Kläger bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses nur unzureichend erfasst. Das bereits im Beschluss des Senats vom 12. Mai 2020 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – 2 R 24/20 – festgestellte Abwägungsdefizit sei vom Beklagten bislang nicht durch ein Planergänzungsverfahren geheilt worden. Der Abwägungsmangel sei auch offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen und damit erheblich. Ein Anspruch auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses wegen des Abwägungsmangels sei gleichwohl durch die Planerhaltungsvorschriften ausgeschlossen. Hiernach führten erhebliche Mängel bei der Abwägung nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn sie nicht durch Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden könnten. Das sei hier der Fall, da dem Mangel der Abwägung durch eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um die Festsetzung einer Entschädigung dem Grunde nach für die nachteiligen Einwirkungen auf die Grundstücke der Kläger ausreichend Rechnung getragen werden könne.
Ein Anspruch der Kläger auf Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine Festsetzung von Sicherungsmaßnahmen zu ihren Gunsten sei nicht gegeben. Zwar hätten die Kläger eine auf die Erhöhung der Hochwasserschutzanlage Gimritzer Damm zurückzuführende nachteilige Wirkungen auf ihre Grundstücke zu erwarten, da die Gefahr der Überflutung ihrer Grundstücke durch die planfestgestellte Maßnahme zunehme. Eine Vermeidung der nachteiligen Wirkungen sei ausgeschlossen, weil eine Zunahme der Gefahr der Überflutung der Grundstücke der Kläger mit der Deicherhöhung notwendig verbunden sei. Ein Ausgleich der nachteiligen Wirkungen sei, sofern dies technisch überhaupt machbar sei, jedenfalls wirtschaftlich nicht vertretbar. Denn der auszugleichende Nachteil sei nur geringfügig. Die Zunahme der Überflutungsgefahr für die Grundstücke der Kläger durch die Erhöhung des Hochwasserschutzanlage Gimritzer Damm sei nur bei einem sehr seltenen Ereignis zu erwarten. Für die Geringfügigkeit der Beeinträchtigung der Grundstücke der Kläger spreche ferner der geplante Bau des Flutpolders Elster-Luppe Aue, der voraussichtlich zukünftig im Hochwasserfall zu einer deutlichen Wasserstandsreduzierung im Stadtgebiet von Halle führen werde. Zudem betrage die Erhöhung des Wasserspiegels auf den Grundstücken der Kläger nur wenige Zentimeter. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die nachteilige Wirkung – die Erhöhung des Wasserstandes auf dem Grundstück um wenige Zentimeter – mit einfachen Selbsthilfemitteln, etwa dem Einsatz von Sandsäcken, abgewendet werden könne, wozu die Kläger gemäß § 5 Abs. 2 WHG auch verpflichtet seien.
Der Plan habe folglich festgestellt werden dürfen, weil Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Planfeststellung erforderten. Die Errichtung der Hochwasserschutzanlage Gimritzer Damm führe zu einer Verringerung der Hochwassergefahr. Er bewirke die dringend gebotene Minderung der Hochwasserrisiken für den Stadtteil Halle-Neustadt. Der Schutz des Stadtgebiets Halle-Neustadt vor einem erneuten Hochwasser sei von überragender Bedeutung. Dem bisher vorhandenen Gimritzer Damm habe die erforderliche Schutzwirkung gefehlt. Den eher geringen vorhabenbedingten Auswirkungen für die östlich der Saale gelegenen Gebiete stehe die enorme Bedeutung der Hochwasserschutzanlage für den Stadtteil Halle-Neustadt gegenüber.
Die Kläger hätten aber einen Anspruch auf Planergänzung um die Bestimmung, dass sie – dem Grunde nach – vom Vorhabenträger zu entschädigen seien. Im Ergebnis sei der Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss dahin zu ergänzen, dass die Kläger für die nachteiligen Einwirkungen infolge des planfestgestellten Vorhabens zu entschädigen seien, soweit ein solcher Anspruch auf Planergänzung mit der Klage geltend gemacht worden sei.
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
OVG Sachsen-Anhalt, Urteile vom 20. Dezember 2022 – Az: 2 K 139/19 und 2 K 140/19
Nicht einen Cent gibts! So stehts geschrieben!👍
Das ist eben falsch! Die Kläger sind zu entschädigen, so steht es da.
Nein.
Richtig so, es war den alteingesessenen Hallensern bekannt, das da Grundstücke überfluten. Deshalb waren die auch nicht mehr bewohnt. Wer so nah am Fluss wohnen will, der muss mit extremen Überflutungen rechnen!!!
Die Überschrift vermittelt einen falschen Eindruck vom Ausgang des Verfahrens. Denn es ist sehr wohl festgestellt worden, dass das Planungsverfahren mangelhaft war und das die Kläger entschädigt werden müssen. Vermutlich gilt dies sogar für Bürger und Bürgerinnen, die nicht geklagt haben, die aber von der Wasserspiegellageerhöhung durch den Deichbau betroffen sind. Da lohnt es sich auf jeden Fall, sich noch mal bei der IG Hochwasserschutz Altstadt zu informieren. Das die Berechnung auf ca. 5 cm Wasserspiegellageveränderung ausfällt, liegt auch daran, dass die Berechnungsmethode des LHW z.B. einen Großteil der Wassermenge aus seiner Modellierung ausgeschlossen hat und viele Daten nicht offen gelegt wurden. Zudem war der LHW der festen Überzeugung, die Wasserspiegellageveränderung auf einen Zentimeter genau berechnen zu können. Dies halte ich nach wie vor für äußerst streitbar.
Bekommt Ihr eigentlich mit, was gerade in der Welt passiert? Eure lokalen Themen und Probleme sind ein kleiner Furz im Vergleich zu den Problemen weltweit! Sinnlos Kommentare auf lokale Nachrichten bringen niemanden weiter und interessieren auch keinen! Lest weiter die BILD Zeitung und freut euch, dass es euch NOCH gut geht!!! Es ist echt unfassbar! Liegt aber auch an der Reportage!
Florian… Das kann doch nicht ihr Ernst sein. Haben Sie in 2011 und vor allem 2013 erlebt, was mit der Innenstadt passiert ist? Alle „großen Bemühungen“ des Stabes richteten sich auf den Gimritzer Damm und die Neustadt von Halle oder Richtung Talstraße. Die Bewohner in den saalenahmen Altstadtlagen waren mehr oder weniger allein bzw. auf sich gestellt. Dort wohnen mehr als 5000 Menschen. Für viele Familien war diese Zeit eine Situation im Ausnahmezustand. Kein Wasser, kein Strom, kein Gas, keine Toilette, zu wenig Vorräte, Abgeschnittensein und nachts war irgendwelches Gelichter unterwegs, was durch wegen Pumpenschläuchen offenen Türen und Tore versuchte, Diebesbeute zu machen. Im Ergebnis kaputte Häuserr, Bauschäden, Verlust an Einrichtung und wackelige Existenzen, alte Menschen im Ausnahmezustand. Im Nachgang Verluste und existenzielle Probleme durch mangelnde Versicherungsleistungen oder Hilfen. Das wünscht man niemandem. In der Krisensituation gab es kein zuverlässig funktionierendes Informations- oder Warnsystem. Und mit Blick auf die Situation im Ahrtal finde ich Ihren Kommentar erst recht total anmaßend. Die Stadt Halle hat übrigens bis heute nicht geschafft, ein vernünftiges Hochwasserschutz- bzw. Katastrophenschutzkonzept für derartige Lagen zu erarbeiten. – Und das ist doch der eigentliche Skandal! Ein Artikel ist mE eher ein Diskussionsangebot, weniger eine Reportage! Also danke! an dbH für die Meldung.
„Die Stadt Halle hat übrigens bis heute nicht geschafft, ein vernünftiges Hochwasserschutz- bzw. Katastrophenschutzkonzept für derartige Lagen zu erarbeiten.“
Das wundert nicht. Hier bekommt man keines der wirklichen Probleme der Stadt in den Griff.
Wohnen die Kläger etwa im Neubaugebiet Hafenstraße/Sophienhafen ?