Halle stoppt Ausschreibung zur Neuvergabe des Rettungsdienstes

Die Stadt Halle (Saale) hat die geplante Neuausschreibung der Rettungsdienstleistungen vorerst auf Eis gelegt. Das erklärte Tobias Teschner, Fachbereichsleiter Ordnung und Sicherheit, am Dienstag im Ordnungs- und Umweltausschuss. Hintergrund sind Diskussionen und unterschiedliche Auffassungen über die zukünftige Ausrichtung.
Die Stadtverwaltung favorisiert künftig das Konzessionsmodell, mit einer Neuausschreibung alle drei oder sechs Jahre. Bei diesem Modell erhalten die Ausschreibungsgewinner eine Konzession und rechnen ihre Leistungen direkt mit den Krankenkassen ab. Bisher erfolgt der Umweg über die Stadt als Leistungsträger. Stadträte mehrere Fraktionen wollen dagegen einen städtischen Eigenbetrieb Rettungsdienst. Zumindest soll die Stadtverwaltung diese Variante prüfen. Oberbürgermeister Bernd Wiegand lehnt diese ab. Sie sei rechtlich nicht möglich, zudem sei ein Eigenbetrieb auch nicht sinnvoll.
Johannes Krause (SPD) sprach von einem „Kampf um Fachkräfte“, es drohe ein Mangel an hochqualifiziertem Personal. Bereits jetzt tobe ein Konkurrenzkampf. Mitarbeiter aus Halle wechseln seinen Worten zufolge nach Mansfeld-Südharz, wo es einen solchen EIgenbetrieb gibt. „Wir müssen für die Zukunft ausgerichtet sein“, sagte er. Marion Krischok (Linke) meinte, „wir wollen eine optimale Lösung für Stadt.“ Und Anna-Sophie Bohm-Eisenbrandt machte den Vorschlag, zunächst einen kürzeren Ausschreibungszeitraum zu vergeben, um sich so Optionen für die Zukunft offen zu halten.
Doch die Zeit drängt. Denn Ende Oktober laufen die Verträge mit den jetzigen Dienstleistern aus, das sind Ambulance, DRK und ASB. Eine europaweite Neuausschreibung und Vergabe ist bis dahin nicht mehr machbar. Stadträte machten den Vorschlag, den Zeitpunkt der bis zur Umsetzung eines wie auch immer aussehenden neuen Modells notwendigen Vertragsverlängerung hinauszuzögern. Ein von der Stadt beauftragter Anwalt warnte jedoch in der Ausschusssitzung davor. Denn er rechnet damit, dass Mitbieter der gestoppten Ausschreibung gegen die Interimsvergabe juristisch vorgehen werden. Und dies habe eine aufschiebende Wirkung bis zu einer gerichtlichen Entscheidung und ziehe ein Vollzugsverbot nach sich. Übersetzt bedeutet das, dass die Stadt Halle bis zu einem Urteil die Verträge nicht verlängern dürfte und nach Auslaufen der bestehenden Verträge theoretisch ohne Rettungsdienstleistungen dastehen würde. Deshalb sollten seinen Worten zufolge die Übergangsverträge schnellstmöglich verlängert werden, um keine Zeit zu verlieren.
Diskussionen gab es aber auch darum, ob die Stadt beim Konzessionsmodell überhaupt noch eigene Fahrzeuge vorhalten dürfte. Denn im bisherigen Modell gehören der Stadt die Rettungsfahrzeuge, sie werden nur den Anbietern überlassen. „Wir gehen davon aus, dass wir die Fahrzeuge weiterhin zentral beschaffen können“, so Tobias Teschner. Auch die anwaltliche Beratung sieht dies so.
Die Idee des Eigenbetriebs kam übrigens von den Mitarbeitern der 13 Rettungswachen. Denn durch die Neuausschreibung und Vergabe fürchten sie um ihre Jobs und haben die Sorge, dass bei einer Neuausschreibung der billigste Anbieter gewinnt. Zwar hatte OB Wiegand schon im Vorfeld gesagt, dass man in einer Ausschreibung durch Stellschrauben wie Ortskenntnis etc. Billigheimer ausschließen könnte. Doch so ganz trauen die Rettungskräfte dem nicht. Bereits jetzt sind die Mitarbeiter im Rettungsdienst gering bezahlt. Es könne nicht angehen, dass ein Lidl-Mitarbeiter mehr verdiene als Menschen im Rettungsdienst, heißt es in einem Brief an Wiegand und den Stadtrat. Durch den seit 2005 bestehenden Ausschreibungsdruck habe es seitdem für die Beschäftigten kaum oder keine Lohnerhöhungen gegeben. Noch schlimmer treffe es neueingestellte junge Leute, die noch weniger verdienen. „Ansporn diesen Beruf zu erlernen und auszuüben sieht anders aus“, schreiben die Rettungsdienst-Mitarbeiter in ihrem Brief. In den vergangenen Jahren hätten deshalb schon 40 Kollegen die Stadt verlassen und seien zu Dienstleistern gewechselt, die besser bezahlen.
Zusammengefasst lässt sich im Moment sagen, dass in den kommenden Monaten noch alles beim Alten bleibt un die bisherigen Dienstleister weiterhin den Rettungsdienst in Halle betreiben. Irgendwann im Laufe des Jahres wird sich dann der Stadtrat auf ein Modell festlegen. Und erst danach ist für die Mitarbeiter klar, was ihnen die Zukunft bringt.
Dass die Mitarbeiter der Rettungswachen den Eigenbetrieb gerne sähen, kann ich nachvollziehen. Doch wir als Stadträte müssen die Interessen der Stadt vertreten, nicht die von Arbeitnehmern. Die Angst vor Konkurrenz und EU-weiter Vergabe ist nicht hilfreich. Wir diskutieren im Stadtrat als hätten wir eine Wahl zwischen Eigenbetrieb und Vergabe. Diese besteht jedoch nicht, da die Stadt nach den rechtlichen Vorgaben, die Leistungen vergeben soll. Nur wenn es keine externen Anbieter gibt oder die in Vermögensverfall geraten, muss die Stadt die Eigenbetriebsvariante prüfen. Ich sehe diesen Antrag als Beschäftigungsprogramm für die Verwaltung ohne sinnvolle Zielstellung.
Möget ihr nicht in den „Genuss“ dieser Stadtinteressen kommen… und immer daran denken, daß viele, wenn nicht sogar die Mehrheit dieser Stadtbürger Arbeitnehmer sind…
Über Ihre Arbeitgebermeinung bin ich indes nicht wirklich verwundert…sie läßt sehr tief blicken…
Die Stadt ist keine Gewerkschaft und es ist Aufgabe der Arbeitnehmer, sich über ihre Gewerkschaft zu organisieren und für vernünftige Arbeitsbedingungen zu kämpfen. In der Diskussion werden Ebenen vermischt. Das hat nichts mit Arbeitgeber oder Arbeitnehmerhaltung zu tun. Dass ein Eigenbetrieb die Leistungen, die von den Krankenkassen getragen werden nicht günstiger anbieten können wird, als das ein freier Unternehmer kann, ist eine Binsenweisheit. Am Ende wird es ausgehen wie das Hornberger Schießen. Die Stadt kann in ihrer Ausschreibung die Vergabe daran knüpfen, dass bestimmte Mindeststandarts eingehalten werden und damit vernünftige Arbeitsbedingungen und Entgelte verknüpfen.
Klar doch – Konzern Stadt. Ein Widerspruch in sich, Konzerne sind bekanntlich auf Gewinnmaximierung aus, das ist ihre essentielle Aufgabe, wegen‘ der Dividente. Da wird es schwierig auch noch die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu berücksichtigen. Manchmal jedenfalls.
Ähm – irgendwie hat Frau Winkler die Aufgabe von Stadträten nicht so richtig verstanden. Die Stadträte wurden von den Bürgern der Stadt gewählt, um deren Interessen zu vertreten, nicht die Interessen der Stadt.
Die Stadt hat selbst überhaupt keine Interessen, nur Aufgaben, welche für die Bewohner zu erfüllen sind. Denn genau diese finanzieren mit ihren Steuern die Stadt.
Jeder Stadtrat, der da eine andere Sichtweise hat, sollte sich ernsthaft überlegen, ob er wohl im Stadtparlament am richtige Platz ist.
So wäre es vielleicht sinnvoll und moralisch höherwertig aber so ist es nicht. Gewählt werden nur die Abgeordneten, nicht die Struturen und die Aufgaben. Die Stadt als Träger dieser Entscheidung ist erstmsl nichts als die Verwaltung und die ist eine Organisation, die ähnlich einer Wohnungsverwaltung als weisungsgebundener, professionalisierter Dienstleister nicht zwingend das Wohl der Mieter, also Bürger, im Blick haben muss. Es ist schlicht und ergreifend ein Ordnungssystem bürokratisch legitimierter Herrschaft. Gäbe es das nicht, gäbe es ein anderes, nicht zwingend besseres. Eine mit echten persönlichen Konsequenzen belegte Rechtfertigungspflicht dem Bürger gegenüber fehlt…solange alles im legalen Rahmen bleibt. Und was die Mitglieder angeht…die Idee, das Wahlen etwas ändern würden…hat schon Tucholsky verworfen.
Ja, das klingt übel aber wenn es hart auf hart kommt, hat dies mehr mit der rechtlichen Realität zu tun als dein Ideal.
Im Sinne der Stadt wären KVG LSA $26-27 sinnvoll aber selbst wenn das greift, hat das in Halle noch nie jemand wirklich in austeichendem Maße interessiert. Schau dir einfach die letzten Bürgerbegehren an.
@speiche Klassisch, dass man auf die persönliche Ebene geht, wenn man keine sachlichen Argumente hat. Hier ist ein wenig mehr zu bedenken als nur die Interessen der Rettungssanitäter.
Bei manchen sind nur die eigenen Interessen als Arbeitgeber zu bedenken…
„Suchet der Stadt(sic!) Bestes!“ hieß es mal. und die Stadt ist nicht die Stadtverwaltung, sondern sind ihre Bewohner, ihre Bürger, die eben diese Bürgerschaft (den Stadtrat!) gewählt haben…
Ich hatte letztens den Rettungsdienst 112 angerufen, gleich gesagt, dass ich nicht weiß, ob mein Fall was für die 112 ist, man hat aber Hilfe geschickt. Ich musste mir dann immerzu von allen anhören, es wäre was für den Hausarzt und sie würden dafür nicht zuständig sein. Das hat mir richtig gut getan in der Situation. Prima