Hauptsache-Halle-Stadträtin: Unterrichtsausfall ist grob fahrlässig, Digitalisierung Deutschlands zehn Jahre zu spät
Die Stadträtin Beate Gellert (Hauptsache Halle), die als Geschäftsführerin für einen Träger von Kindergärten, Jugendeinrichtungen und Horten arbeitet, hat sich zu den Folgen der Corona-Pandemie auf Grundschüler geäußert.
Dass etliche Schüler seit Frühjahr ihre Schulen nicht von Innen gesehen haben, sei grob fahrlässig. Vor allem an einer Schule in einem sozialen Brennpunkt in Halle (Saale) gebe es erhebliche Bedenken, dass die Kinder auf der Strecke bleiben. Die Digitalisierung an den Schulen in Deutschland komme zehn Jahre zu spät. „Lassen Sie uns gemeinsam mit den zuständigen Ministerien Verantwortung tragen und den Schülern und Schülerinnen die Bildung zu teilwerden, die ihnen per Gesetz zusteht – für sie ganz persönlich und für unsere Stadt und unser Land“, sagt sie.
Hier das komplette Statement:
Hygieneregeln sind an Grundschulen derzeit wichtiger als pädagogische Konzepte, Erstklässler*innen kennen Schule nur unter Corona-Bedingungen. Was macht das mit dieser Schüler*innen-Generation?
Laut Umfrage haben in der Tat seit dem Frühjahr 2020 viele Grundschüler*innen in Halle ihre Schule fast 8 Monate nicht von innen gesehen, keinen – ihnen laut Gesetz zustehenden Unterricht – sprich Bildung – erhalten. Ein Zustand, welchen man als grob fahrlässigen Bildungsentzug benennen muss! Wissenschaftler*innen und Psycholog*innen sagen, dass Schulschließungen aber auch Distanzunterricht langfristig schwerwiegende Folgen, vor allem in den ersten Schuljahren und vor allem für Kinder aus sozial benachteiligtem Umfeld haben. Das können viele Schulleiter*innen bestätigen.
Ein prägnantes Beispiel einer Grundschule in Halle in einem sozialen Brennpunkt: hier liegen die grundsätzlichen Bedenken der Schulleitung und der Lehrerschaft bei den Kindern der 1. Klassen, da es hier äußerst schwierig ist, im Distanzunterricht eine Basis zu schaffen und die Kinder die Struktur der Schule nicht wirklich kennen lernen können. Von den 4-zügig eingeschulten 1. Klassen wird voraussichtlich ein Großteil das Klassenziel nicht erreichen können und in der Schuleingangsphase
„verweilen“. Von den 2. bis 3. Klassenstufe ist es wahrscheinlich, dass viele Schülerinnen und Schüler starke Versetzungsschwierigkeiten haben und große Lernlücken aufweisen. Hier sprechen wir erst einmal nur von großen Lücken in Mathematik und Deutsch – sprich Lesen und Schreiben und Rechnen. Die anderen Fächer wie Musik, Kunst, Englisch, Sport / Schwimmunterricht, Schulgarten etc. werden schon lange nicht mehr (regelmäßig) unterrichtet – hier auch auf Grund permanenten Lehrermangels. Konkrete Aussagen über Versetzungen oder Verweilen können aber erst in den Konferenzen zum Halbjahr konkret ermittelt werden. Hierbei müssen natürlich die Eltern mit ins
„Boot“ und von der positiven Chance überzeugt werden, wenn es um ein Verweilen ihres Kindes geht.
„Die Kinder dieser Schule leben in Familien, die teilweise sehr bildungsfern agieren und wenig bis keine Unterstützung seitens der Eltern erfahren, da diese ebenfalls über wenig Bildungspotential verfügen. Komplexe Aufgaben sind oftmals für diese Eltern (so das Feedback der Eltern selbst) nicht lösbar. Die Kinder sind auf die Unterstützung der Lehrkräfte angewiesen. Einige Lehrkräfte kompensieren diese Defizite am Telefon. Mehr Möglichkeiten haben wir in unserem Bereich kaum, da die technische Ausstattung der Elternhäuser nicht ausreicht bzw. in Mehrkindfamilien die Kapazität ausgereizt ist“, so die Aussage der Schulleitung.
Die Empfehlung der sehr engagierten und auf das Wohl der Kinder bedachten Schulleiterin ist ganz einfach: die Wiederholung eines ganzen Schuljahres – im Interesse der Kinder. Zum einen, um überhaupt den Schulstoff – welcher allen Kindern rechtlich zusteht – ordentlich vermittelt zu bekommen, zum anderen um Schulfrustration durch mangelnde Bildungsvermittlung in den höheren Klassenstufen entgegenzuwirken und Misserfolge vorzubeugen.
Natürlich sagen das Bildungsministerium und die Kommunen – „wir haben keine Räume für die
„Wiederholer“ und keine Lehrkräfte“. Hier sage ich aber, „Wo ein Wille, da ein Weg“. Die Räume finden sich z.B. in einer temporären Doppelnutzung von Horten, der Nutzung von Gemeinderäumen, Vereinsräumen, etc. und die Stoffvermittlung könnte über Lehramtsstudierende in den letzten Semestern erfolgen. Somit hätten diese gleich praktische Erfahrungen und Kontakte zu ihren
„zukünftigen Broterwerbsbringern“, aber auch einige Lehrkräfte im Ruhestand würden bestimmt ein paar Stunden wieder unterrichten wollen.
Die Politiker auf Bundesebene, aber auch auf Landes- und kommunaler Ebene tragen die Verantwortung – gerade für die junge Generation, welche später einmal die Wirtschaft in Schwung bringen bzw. halten soll und da können und dürfen wir uns keine Fehler leisten bzw. keine „Corona- Generation“ auf der Strecke lassen, nur weil wir „keine Räume haben“. Denn nur gut aus-/gebildete und sozial kompetente junge Leute machen die Stärke der Wirtschaft einer Kommune, eines Landes von morgen aus – dies steht seit Jahren in einem kausalen Zusammenhang (siehe Schulentwicklungs- und Marktforschungsergebnisse seit 2000) und muss auch von politisch Verantwortlichen begriffen und aktiv unterstützt werden!
Lassen Sie uns gemeinsam nach praktischen Lösungen suchen – jetzt und nicht erst nach der Landtagswahl oder „nach Corona“ (wann immer das sein wird).
In höheren Klassenstufen kann man – wenn es denn funktionieren würde – digital unterrichten und digital den Kindern das Wissen zuführen, was ihnen laut Gesetz zusteht. Aber auch hier stellten viele Landeselternausschüsse fest: „Es funktioniert nicht – Punkt. Und es muss funktionieren – Punkt. Mehr kann man dazu aus Elternsicht nicht sagen“, erklärte Norman Heise, Vorsitzender des Landeselternausschusses Berlin beispielgebend.
Und: „Deutschland ist mit der Digitalisierung zehn Jahre zu spät dran.“
Lassen Sie uns gemeinsam mit den zuständigen Ministerien Verantwortung tragen und den Schülern und Schülerinnen die Bildung zu teilwerden, die ihnen per Gesetz zusteht – für sie ganz persönlich und für unsere Stadt und unser Land!
Das einzig gute an Gendersternchen ist, dass man weiß, ab wo man aufhören kann, das Wort zu lesen, und den Rest einfach zu ignorieren. 😀
Der Rest ist doch aber auch schön. Er birgt so nette Begriffe wie ›Schuleingangsphase‹ (womit wohl nicht die Pforte des Schuleingangs gemeint ist) oder ›Broterwerbsbringer‹ (was im konkreten Fall möglicherweise einfach ein Neologismus für ›Arbeitgeber‹ sein könnte). Der Schluß des Textes trägt auch Zeichen dafür, daß die Verfasserin zwar nicht an ›grob fahrlässige[m] Bildungsentzug‹ gelitten haben mag, aber an Zeitmangel, um wenigstens den Schluß noch mal gründlich zu lesen:
Den Hauptwiderspruch innerhalb des Textes sehe ich an einer anderen Stelle. Eingangs ist von ›grundsätzlichen Bedenken der Schulleitung und der Lehrerschaft‹ die Rede, Erstklässlern das Milieu, das Klima in einer ›Schule‹ nahe- oder beizubringen. Das ist für mich nachvollziehbar und ich stimme dem zu – von Formulierungen á la ›Struktur der Schule‹ mal abgesehen. Kinder und auch Eltern aus dem ›sozial benachteiligtem Umfeld‹ werden es wohl nicht leicht haben, den hier formulierten Gedankengängen von Frau Gellert folgen zu können. Ich hoffe, sie ist keine Lehrerin …und falls doch, dann wenigstens keine für die deutsche Sprache.
Später schreibt die Stadtrat*in nun in ihrer Brandrede:
Ja, ja, wenn es denn funktionieren würde!
Ich denke in diesem Zusammenhang aber an etwas anderes als Frau Gellert. Wissen wird nicht zugeführt, geschweige denn mit dem berüchtigten (heutzutage digitalen) ›Nürnberger Trichter‹ eingeflößt! Wissen muss sich letztlich jeder selbst aneignen! Zum Beispiel durch Chemie- oder Physikexperimente.
Die Schlußfolgerung ›Deutschland ist mit der Digitalisierung zehn Jahre zu spät dran« ist damit meiner Meinung reif für den Eimer!
Einen hab’ ich noch. Wikipedia schreibt, Brandreden werden in dem Fall Hetzreden genannt, wenn wir den Sinn des Gesagten negativ bewerten können.
Ich ziehe mich nun zur Beratung (mit mir) zurück…
Daumen hoch.
Nö. Lassen Sie uns im Gegenzug doch gemeinsam diese ganzen Statement-Plauzer und Permanent-Forderer aus der halleschen Ratspolitik rauswählen! Eine schamlose Populistenszene hat sich da im Rat eingenistet.
Den Stadtrat neu wählen! Jetzt! Tretet alle zurück! Sofort, am besten rückwirkend zum 1.7.2019. Die dann rückzahlungspflichtigen „Entschädigungen“ können auf folgendes Konto überwiesen werden: [xxx_zensored_xxx].
Als wenn du wählen gehen würdest 🤦🏾♂️
Stimmt! Ich gehe da nicht hin – ich mache Briefwahl! 100 Punkte für Maiky, wie immer! Lasse ich aufstellen, vielleicht wählt dich ja einer … aus Versehen!
Gerade die höheren Klassen können sich den Stoff größtenteils nicht selbst aneigenen!!! Ohne persönliche Erklärung funktioniert das nicht. Punkt.
Schuljahr automatisch wiederholen wird auch nicht funktionieren. Man sollte aber vielleicht ab der jetzigen 7. Klasse (?) bei den Abschlussprüfungen später beachten, dass der entsprechende Stoff nicht in der Schule vermittelt wurde, sondern selbst. Das muss ja nicht richtig sein, denn Rückmeldung zu den erledigten Aufgaben kommt leider nicht 🙁 Phyik, Chemie und Co. ohne Hilfe lernen, ist ein Abenteuer.
Lupinus und Iche:Da möchte ich euch beiden recht geben.Jeder und ich meine auch jeder Schüler wird beim Selbststudium auch Fehler machen,die von einem Lehrer korrigiert hätten werden können.Sie werden also,wenn Fehler vorhanden,immer wieder gemacht.
Schule ist mehr als das Vermitteln oder Aneignen von (Fakten)Wissen und Entdecken von (faktischen) Zusammenhängen! Ich habe das in meinem Kommentar vorhin mit Milieu und Klima umschrieben. Klarer gesagt ist Schule auch ein Training des sozialen Miteinanders, indem etwas gemeinsam und nach bestimmten Regeln gemacht wird … und das seinen Ausdruck in den sog. Kopfnoten findet. Ein paar Stichworte sollen reichen: Teamgeist entwickeln, Verantwortung übernehmen, Verhalten in Konflikten und und und. Und genau dieser Teil bleibt in der Isolation des ›Distanzunterrichts‹ (weitgehend) auf der Strecke…
Habe schon mal kommentiert, daß es doch vollkommen Wurscht ist ob die Schüler dieses Jahr versetzt werden. Dann wiederholen sie das Schuljahr nochmal. Besser als zu erkranken.Viele Persönlichkeiten sind auch kleben geblieben.Also nicht so eine Welle machen.
Das sehe ich etwas anders.
Ich erinnere zunächst an das Sprichwort ›Was Hänschen nicht lernt lernt Hans nimmermehr‹. Gemeint ist, in der Jugend lernt man besser als später im Leben.
Ich habe im Statement etwas vom ›permanenten Lehrermangel‹ gelesen. Der wird größer, wenn die Schüler ein Jahr ›wiederholen‹ müssen, denn in ein paar Monaten wird ja die nächste Kohorte Erstklässler ihre Zuckertüten bekommen. (Hinzu kommt, ob dann die Klassenräume reichen usw.)
Ich begreife nicht, wie die Dame zu der Aussage kommt, dass einige Schülerinnen und Schüler seit dem Frühjahr 2020 nicht mehr in der Schule gewesen seien. Ab Juni 2020 fand wieder regulärer Unterricht bis zu den Sommerferien statt. Ab dem Schuljahres-beginn 2020/ 21 fand ebenfalls regulärer Unterricht bis zum Dezember, drei Tage vor den Weihnachtsferien, statt.
Natürlich kann es durchaus sein, dass diese Präsenzphase durch mögliche Quarantäne- Zeiten unterbrochen wurden. Das sollte aber längst nicht alle Schüler betreffen. Ich kann mich deswegen nur meinem Vorredner anschließen, der hier von ausgemachtem Populismus spricht. Dieses Düsterszenario, was hier von der Fraktion entworfen wird, passt zu deren Anspruch, mit vielen Worten ganz wenig beziehungsweise nichts zu sagen.
Auch die Kritik an der fehlenden beziehungsweise äußerst mangelhaften Digitalisierung ist ja nun nicht wirklich neu. Kommt eigentlich von dieser Fraktion mal irgendwas, was nicht vorher schon dreimal aufgewärmt wurde.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es bei diesen Leuten nur darum geht, immer in offene Wunden zu stechen, von denen man bereits weiß, dass man sie hat, die man auch bereits versucht mit einem Pflaster zu versorgen, aber deren Heilung doch noch eine ganze Weile dauern wird.
Sowas nennt man auch Populismus. Ich bediene immer gerade die Meinung, von der ich der Meinung bin, dass das Volk drauf gerade besonders fixiert ist.