Jugendkriminalität in Halle – was sagt der Verband der Migrantenorganisationen?

In den vergangen Tagen waren wieder vermehrt Raubüberfälle auf Jugendliche und Kinder in Halle (Saale) ein Thema, ebenso eine Attacke gegen Teilnehmer des CSD. Vielfach waren die Täter Migranten, im Fall des CSD konnten zwei junge Afghanen ermittelt werden. Wegen des Migrationshintergrundes der Täter wird vielfach auch der Rufe nach “Migrantenverbänden” laut.

“Wir erleben eine Zeit, in der Migranten für alle Probleme wie steigende Kriminalität verantwortlich gemacht werden. Da wird ein Zerrbild gezeichnet”, sagt Oliver Paulsen, Leiter des Dienstleistungszentrums Migration und Demokratie. Dieses Bild wolle man mit der Interkulturellen Woche (IKW) wieder gerade rücken. Laut Paulsen seien im Rahmen der Jugendkriminalität 60 bis 70 Prozent der Täter deutscher Herkunft, auch wenn aktuell vor allem Täter mit Migrationshintergrund im Bereich des Kriminalgeschehens an Schulen festgestellt werden. Der Migrationshintergrund könnr daher nicht die Ursache der in der Stadt stattfindenden Jugendkriminalität sein. Paulsen fokussierte damit auch auf die sozialen Ursachen. 

Noel Kabore vom Verband der Migrantenorganisationen (VEMO) kritisiert, dass die Kriminalität als Migrationsproblem dargestellt wird. Er warnte davor, durch solche Äußerungen die Gesellschaft zu spalten. Zudem können die Verbände und Vereine nicht die Rolle von Polizei und Ordnungsamt übernehmen. VEMO selbst mache viele Projekte in der Präventionsarbeit. Man denke nach und setzt nicht nur auf populistische Worte. “Wir sind nicht auf diesem Niveau”, so Noel Kabore, “wir denken an Zusammenhalt und nicht Spaltung der Gesellschaft”. Man könne nicht verstehen, wieso Menschen nicht gegenüber anderen tolerant sind. Man arbeite auch mit dem CSD eng zusammen, auch Migranten sind dort laut Noel Kabore involviert. 

Laut Oliver Paulsen habe es schon tagsüber beim CSD Anfeindungen rechter Gruppen gegeben. Doch davon sei kaum die Rede. Stattdessen werde nur vom Übergriff berichtet, bei dem die mutmaßlichen Täter Migrationshintergrund haben.  Bei Übergriffen von Rechten werde Kritik an keine Gruppe adressiert, “aber bei Migranten macht man es schnell”, so Paulsen. Zudem sei nicht geklärt, ob die Migrationshintergrund etwas mit der Attacke beim CSD zu tun habe. Für Paulsen ist das ganze Thema der Kriminalität eine soziale Frage. Es sei sehr einfach zu sagen, Migranten seien die vermeintliche Ursache.

Es gehe um Jugendkriminalität, nicht um Migrantenkriminalität, sagte Noel Kabore. “Wir sind eine Gesellschaft. Es gibt nicht DIE oder DIE Gesellschaft.” Zudem werde man sich nicht populistisch in die Debatte einbringen, wie es andere tun. Als VEMO gucke man, welche Projekte man initiieren könne, um bestimmte Leute zu erreichen. Seit Jahren betreibe man schon Prävention. “Wir machen wirkungsorientierte Arbeit, nicht nur bla bla bla”, sagte er und meinte, man wolle nicht in die Rolle der Rechtfertigungsseite geraten. 

Waseem Aleed vom Ausländerbeirat / Bereit für Migration sagte, Deutschland sei ein Rechtsstaat mit Gesetzen. Einige Leute wollen nun die Sonderfälle dazu nutzen, um Sonderregelungen zu initiieren, die nicht rechtskonform sind. Kritisch sieht Waseem Aleed auch die neugegründete Bürgerinitiative, die im Umfeld von Schulen Streife laufen will. Diese steige in die Rolle der Polizei ein, Selbstjustiz sei gefährlich und berge Konfliktpotential. Zudem sei die Staatsanwaltschaft beim Thema Jugendkriminalität aktiv. Allerdings brauche es insbesondere nach Jahren des Stellenabbaus für Polizei und Ordnungsamt mehr Mitarbeiter, auch mit Migrationshintergrund.

Olga Hollek vom VEMO sieht eine der Ursachen für die Jugendkriminalität darin, dass es zu wenig Angebote für Jugendliche gibt. Einige Vereine haben zwar Projekte initiiert. Doch Problem seien dann auch die Finanzen und fehlende kostengünstige Räumlichkeiten. “Die Jugend muss man beschäftigen,” sagte sie.

Für Paulsen ist das “Sichtbarwerden von Menschen mit Migrationshintergrund im Alltag” eine Möglichkeit zum Abbau von Vorurteilen. Bei der Polizei und in der Verwaltung müsse der Querschnitt der Bevölkerung abgebildet sein. In dem Zusammenhang seien auch Ausbildung und Sprachkenntnisse wichtig.