Kommentar: Klimastreik und Klimawahl

Die Wahl steht an, der Wahlkampf tobt. Er tobt aber ungewohnt. Ein sonst unpolitischer YouTuber stellt vor, was aus seiner Sicht alles mit der CDU (und CSU und SPD) schief läuft.
Mit Quellenangaben, was für das Format ungewöhnlich ist. Eine ganze Stunde lang, was für politische Botschaften sonst die Zuschauerkreise enorm reduziert.
Die Wahlplakate dagegen sind nichtssagend, die Außenauftritte der Parteien inhaltsarm.
Sonntag ist Klimawahl. So rufen es nicht nur die Fridays for Future aus, sondern auch viele andere Gruppen. Wissenschaftler, Unternehmer, Pädagogen.
Was heißt das? Es bedeutet, dass die nächsten 5 Jahre ganz entscheidend für unsere Zukunft werden.
Es geht darum, wie groß die Klimakrise wird und es geht darum, wie wir mit deren Folgen umgehen.
Dass Essen und Energie teurer werden, ist klar. Dass der Motor unserer deutschen Exportwirtschaft vor allem auf großer Energieverschwendung und Ölverbrennung beruht, ebenso. Elektrobusse baut und nutzt China längst im Hunderttausenderpack, der Vorsprung ist kaum noch aufzuholen. Kleine, sparsame Elektroautos baut Indien in größerer Modellvielfalt, als es Schokoladensorten von Ritter-Sport gibt. Das Premium-Segment hat Tesla im Griff.
Wie gehen wir damit um, dass die Wegwerfgesellschaft endet? Versuchen wir weiter, so viele Fossile Energieträger wie möglich zu verbrennen? Ignorieren wir den anstehenden Wandel und verschieben unsere eigene Anpassung auf später, weil angeblich die Technik fehlt? Je später man auf eine unvermeidliche Veränderung eingeht, um so komplizierter und schwerer wird es. Noch haben wir als Land die nötigen Ressourcen, um uns umzustellen. Sicher, dass das in 10 Jahren auch noch so ist?
Und wie gehen wir eine Gesellschaft an, die ressourcensparend ist? Langlebige Produkte, weniger Müll, bessere Ausnutzung der vorhandenen Rohstoffe. Wenn nur noch halb so viel Arbeit anfällt, muss entweder die Hälfte der Leute mit Hartz IV zu Hause sitzen oder man verteilt die Arbeit besser. Aber vom heutigen Mindestlohn kann man nicht die Hälfte wegnehmen. Muss die Schere zwischen Arm und Reich verringert werden? Oder sollen in Zukunft nur noch Reiche mobil sein?
Wer diesen Wandel verhindern will, kämpft wie Don Quijote gegen Windmühlen. Die Physik kann auch eine AfD oder CDU nicht verändern, der Atmosphäre ist unser Gejammer egal, wie schwer es ohne Diesel und Kohle wird oder dass man alle Interessen irgendwie ausgleichen muss (wobei die letzten 20 Jahre zeigen, wie unglaublich wenig Relevanz dem Thema Treibhausgase dabei zugestanden wird). Dieser Kampf darum, noch möglichst lange möglichst viel CO2 ausstoßen zu können, ist ein Versuch, die Zeit zurück zu drehen und vor allem verschlechtert er die Lage zusätzlich und deutlich. Es ist ein Kampf, der kleine Vorteile in der Gegenwart sucht, und dafür bewusst riesige Nachteile in der Zukunft verursacht.
Wer den Wandel gestalten will, muss ihn erst mal anerkennen und auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Dann kann man streiten, ob er neoliberal stattfinden soll, mit sozialer Kälte, oder ob sozial, mit einem guten Ausgleich. Ulf Poschardt, der Chefredakteur der WELT-Gruppe, hat mittlerweile verstanden, dass es diesen Wandel gibt und dass er unausweichlich ist. Es ist nicht überraschend, dass er für die neoliberale Version steht mit sehr großen Unterschieden zwischen Arm und Reich.
Am 24.5. ist Klimastreik, der letzte und große vor der entscheidenden EU-Wahl. Und am Sonntag ist Wahl des Stadtrats und des EU- Parlamentes.
Wer nur irgend wie kann, soll am Freitag zur Demo zu kommen. Längst sind es nicht mehr nur die Schüler und Studenten, die dort demonstrieren. Die Parteien haben noch nichts verstanden, noch nicht reagiert.
Wem nicht egal ist, ob wir überhaupt noch eine Zukunft haben werden und wie diese aussehen wird, der geht zur Wahl. Sonntag ist Klimawahl. Sonst passiert es wie in Australien. Dort haben die trotzigen Realitätsverweigerer gewonnen, die konservativen Kräfte, die für noch mehr Kohleförderung eintreten. Das ist schlecht für Australien, wo letzten Sommer wegen der enormen Hitze die toten Fledermäuse aus den Bäumen fielen, schlecht für die Welt, die durch noch mehr CO2 noch größere Krisen zu erwarten hat, und schlecht für die australische Wirtschaft, denn die Kohleexporte werden absehbar einbrechen.
Welche Parteien für Klimaschutz stehen, ist schwer zu sagen. CDU und FDP haben in den letzten Monaten eindeutig und unmissverständlich klargemacht, dass sie so lange wie möglich so viel wie möglich CO2 emittieren wollen. Die SPD hat klargemacht, dass sie keine klare Position vertreten – siehe Scholz zur CO2-Steuer. Für sozialen Ausgleich gibt es Parteien, für Ökologie auch.
Marco Gergele, Halle, Mai 2019, bei 415 ppm CO2.
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