Landtagsbeschluss: Kennzeichnungspflicht und Bodycams für Sachsen-Anhalts Polizei
Der Landtag hat am Dienstag in zweiter Lesung die Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt, kurz SOG LSA, beschlossen. Kernpunkt der Gesetzesänderung ist die Schaffung einer rechtlichen Grundlage im SOG LSA für den Probebetrieb von sogenannten Körperkameras – kurz Body-Cams – durch die Polizei.
Innenminister Holger Stahlknecht: „Der Einsatz der Kameras soll helfen, um Polizeibeamte in absehbar konfliktträchtigen Situationen vor gewalttätigen Übergriffen zu schützen. Darüber hinaus gilt es zu erproben, inwieweit die mobile Videoaufzeichnung als Mittel der Beweissicherung geeignet ist.“
Beginn der Erprobungsphase soll noch im Sommer 2017 sein. Der Einsatz der Kameras wird zunächst auf die Gebiete der Landeshauptstadt Magdeburg, der Stadt Halle (Saale) und der Stadt Dessau-Roßlau begrenzt und auf zwei Jahre befristet sein. In der Erprobungsphase werden etwa 50 Body-Cams eingesetzt. Die Höhe der Beschaffungskosten für die Technik liegt bei rund 40.000 Euro.
Ebenfalls mit der SOG-Änderung beschlossen und somit gesetzlich normiert wurde die bisher in Verwaltungsvorschriften geregelte Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte.
„Wir gehen heute einen wichtigen Schritt hin zu einer Bürgerpolizei und stärken den Rechtsstaat“, sagte der grüne Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel bei der Verabschiedung eines Gesetzentwurfs zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt. „Als Grüne haben wir uns immer wieder dafür stark gemacht. Mit der Regelung im Polizeigesetz schaffen wir nun mehr Transparenz für Bürgerinnen und Bürger, wer ihnen in Gestalt des Staates gegenüber tritt“, sagte der innenpolitische Sprecher in seiner Rede. Er wies darauf hin, dass die Grünen den Grundstein dafür bereits 2004 mit der AG „Polizeilicher Umgang mit Rechtsextremismus“ gelegt hatten. „Eine Polizeikennzeichnung schützt die Polizei vor Generalverdacht und falschen Verdächtigungen. Eine Polizeikennzeichnung schützt die Bürgerinnen und Bürger besser vor Polizeiwillkür, rechtswidriger Polizeigewalt und dem unverhältnismäßigen Agieren von Beamten“ sagte Striegel. Er betonte, dass keine Beamten fürchten müssen, dass ihm oder ihr aufgrund der Kennzeichnung nachgestellt wird. Striegel sagte zum Thema Bodycams, er gehöre eher zu den Skeptikern dieser Technologie, da sie einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedeute. „Zum Glück wird dieser Grundrechtseingriff befristet.“ Dank der Grünen ist es im Gesetz gelungen zu verankern, dass die Bilder nach zwei Minuten gelöscht werden, wenn keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Nutzung der Bilder bestehen. „Ebenso erhalten die Betroffenen der Aufzeichnungen von Body-Cams die Möglichkeit der Einsichtnahme und können zudem das Handeln der Polizei zum Beispiel im Rahmen von Beschwerden und Petitionen binnen drei Monaten nach Entstehung der Aufnahmen überprüfen lassen“, sagte Striegel. „Dies bedeutet: Grün wirkt und wir setzen den Koalitionsvertrag um!“ Die aktuelle Diskussion um eine weitere Verschärfung von Sicherheitsgesetzen sehe er mit großem Befremden. „Es ist ein gefährlicher Irrweg, auf Gefährdungen der inneren Sicherheit mit immer weitergehenden Einschränkungen unserer Freiheits- und Bürgerrechte zu reagieren. Wer bereit ist, die Freiheit für mehr Sicherheit zu opfern, wird am Ende beides verlieren“, sagte Striegel.
Rüdiger Erben, Parlamentarischer Geschäftsführer und innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, meint: „Politisch hoch umstritten war viele Jahre in unserem Land das Ob und Wie einer Kennzeichnung von Polizeibeamten in geschlossenen Einheiten. Die Haltung der SPD Sachsen-Anhalt in dieser Frage wurde sogar durch einen Mitgliederentscheid geklärt. Zuvor wurden gute Argumente dafür, aber auch gewichtige Argumente dagegen ausgetauscht und abgewogen. Am Ende stand ein klares Ja für die Kennzeichnungspflicht, wie sie jetzt in dem soeben eigebrachten Gesetzentwurf vorgesehen ist. Polizeiliches Handeln soll auch in geschlossenen Einheiten offen und transparent ausgestaltet sein. Zugleich sollen die berechtigten Schutzbedürfnisse der eingesetzten Polizeivollzugsbeamten durch eine Anonymisierung gewahrt werden“, so Erben. „Nicht zufällig schaffen wir die Regelung für den Pilotversuch mit Bodycams gleichzeitig mit der gesetzlichen Einführung der Kennzeichnungspflicht. Es geht uns in gleicher Weise um die Sicherheit unserer Beamtinnen und Beamten. Kameras an Polizeiuniformen, die von den Beamtinnen und Beamten in kritischen Situationen eingeschaltet werden können, sind ein gutes Mittel, um potenzielle Gewalttäter abzuschrecken. Die Zahl der Beamten, die sich im Einsatz verletzten, hat sich in Sachsen-Anhalt in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Diese Zahlen sind alarmierend und können so nicht weiter hingenommen werden. Es sind dringend Maßnahmen erforderlich, um die Gewalt gegen die Polizei zu reduzieren. Die Bodycams können eine dieser Maßnahmen sein. Ein ähnlicher Pilotversuch in Hessen hat gezeigt, dass die Angriffe erheblich zurückgegangen sind. Diese Erfahrungen sollten wir auswerten, sie um unsere eigenen Erkenntnisse im Pilotversuch erweitern. Ich bin überzeugt, dass sich die Bodycams als taugliches Mittel erweisen werden, dass von den Polizeibeamten und den Bürgern gleichermaßen angenommen wird.“
„Das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt ist eine fundamental wichtige rechtliche Grundlage für unsere Polizistinnen und Polizisten, um Gefahren für die Menschen in unserem Land erfolgreich abwehren zu können“, sagt der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion von Sachsen-Anhalt, Chris Schulenburg. Wir regeln im SOG den Einsatz von Body-Cams zur Eigensicherung in der Landespolizei im Rahmen eines zweijährigen Modellversuchs in den drei kreisfreien Städten Magdeburg, Halle und Dessau-Roßlau. Es ist festzustellen, dass die Gewaltbereitschaft gegen Polizeibeamte in den Großstädten unseres Landes am höchsten ist. Von den einzusetzenden Body-Cams erhoffen wir uns positive Effekte, wie etwa eine deutliche Verringerung der Angriffe auf Polizeibeamte. Da Übergriffe auf die Polizeibeamten nicht gänzlich ausgeschlossen sind, dienen die Bild- und Tonaufnahmen als Beweismittel in einem möglichen Strafverfahren gegen Beamte. Sie können damit ein rechtmäßiges polizeiliches Handeln beweisen. Wer rechtmäßig handelt, kann das nun konsequenter tun als zuvor, ein Zurückweichen aus Angst vor einem Strafverfahren wird durch den Einsatz der Body-Cams zukünftig verhindert. Übergriffe auf Polizeibeamte, auch verbaler Art, sind letztlich Angriffe auf den Staat und die Gesellschaft. Einer weiteren Verrohung der Sitten schauen wir damit nicht mehr tatenlos zu.“, so Schulenburg weiter. „Weiterhin wird die schon bestehende Kennzeichnungspflicht bei der Polizei gesetzlich geregelt und auf Einsatzeinheiten erweitert. Bei aller Kritik an der Kennzeichnungspflicht bekennen wir uns damit zu einem transparenten polizeilichen Verhalten. Die schutzwürdigen Belange der Beamten werden berücksichtigt, indem vor den Einsätzen die individuelle Kennzeichnung gewechselt wird. Die personenbezogenen Daten werden geschützt.“
„Die AfD sendet ein klares Ja zum dauerhaften Einsatz von polizeilichen Körperkameras“, innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Hagen Kohl. „Keinesfalls können wir aber das Anfertigen von Vorabaufnahmen unterstützen. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme ist umstritten und liefert in der polizeilichen Praxis wenig Hilfreiches. Demgegenüber besteht die Gefahr, dass im Ergebnis einer möglichen Normenkontrolle das Gesamtprojekt Körperkamera zwangsweise ausgesetzt wird und das polizeiliche Gegenüber, aufgrund der Möglichkeit von Vorabaufnahmen, zu Unrecht Polizisten als Gehilfen eines Überwachungsstaates diskreditieren, um damit Übergriffe auf diese zu legitimieren“, so Kohl. „Ebenso entschieden lehnen wir eine individuelle Kennzeichnung von Polizisten ab. Die Verwendung einer taktischen Kennzeichnung in den Einsatzeinheiten ist derzeit bereits ausreichend geregelt. Daher gibt es keinen sachlichen Grund für eine Regelverschärfung. Hier wird nur unnütz Geld verschwendet, was anderswo, z.B. bei Beförderungen, fehlt. Das Misstrauen gegenüber der Polizei sitzt in der Haseloff-Regierung und der angeschlossenen Linksfraktion offenbar so tief, dass man unsere Polizisten für latent kriminell erklärt, und zwar so kriminell, dass sogar Vorsorgemaßnahmen zur Strafverfolgung hermüssten – obgleich der Landesgesetzgeber dafür gar nicht zuständig ist. Es handelt sich um einen unzulässigen Grundrechteeingriff. Die AfD wird einer solchen Maßnahme, die unsere Polizei weiter gefährdet, nicht zustimmen und behält sich eine Normenkontrollklage vor!“
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