Mediziner fordert stärkeren Kampf gegen das Rauchen
Vor einem Jahr ging es in der halleschen Beigeordnetenkonferenz schon einmal um eine stärkere Tabak-Bekämpfung. Anlass war die Landtagspetition zur Bekämpfung der Tabaksucht bei Jugendlichen und Schwangeren, die der Medizin-Professor Stephan Feller vorgestellt hat. Am Dienstag trat er nun noch einmal auf und machte sein Anliegen deutlich.
Er stellte aktuelle Zahlen vor. Demnach rauchen immer mehr junge Menschen im Osten Deutschlands. Weil aber die Raucherzahlen im Westen Deutschlands zurückgegen, geht auch die Durchschnittsquote zurück. „Dieses Problem wird von der Politik in Berlin völlig ignoriert“, sagte Feller. Sachsen-Anhalt ist trauriger Spitzenreiter. 36,4 Prozent aller 15-24-jährigen Männer und 30,3 Prozent aller gleichaltrigen Frauen Rauchen. Bedenklich sei dabei auch der hohe Anteil der schwangeren Rauchenden, rund 3.000 Frauen im Jahr betreffe dies. „Aus medizinischer Sicht ist das Körperverletzung“, sagt Feller.
Für Feller ist ein Grund für die Zunahme die Tabakwerbung, Schulwege seien damit zugepflastert, „um die Kinder süchtig zu machen.“ Zwar habe der Landtag im vergangenen Jahr die Landesregierung gebeten, ein Konzept zu erarbeiten. Doch das ist für Feller ein Feigenblatt. Das Konzept gebe es bis heute nicht und die zuständige Landessuchtstelle habe mitgeteilt, kein Personal hierfür zu haben. Feller forderte, dass die Suchtprävention in das Landesschulgesetz aufgenommen werden müsse. Dort stehe es bisher nicht drin und das sei ziemlich peinlich. Zumindest konnte er Bildungsdezernentin Katharina Brederlow auf seine Seite ziehen. Die Stadt werde sich in ihrer Stellungnahme zur Novellierung des Landesschulgesetzes auch dazu äußern.
Für viele Punkte ist zwar das Land zuständig. Doch auch die Stadt selbst könne aktiv werden. Beispielhaft nannte er ein Rauchverbot auf Spielplätzen. Eine entsprechende Satzung gibt es bereits. Dort heißt es: „Zum Schutz der Kinder und Jugendlichen ist es auf Kleinkinder- und Gerätespielplätzen verboten … alkoholische Getränke und sonstige Rauschmittel zu sich zu nehmen.“ Es fehle jedoch vielfach an entsprechenden Verbotsschildern, so Feller. Auch müsste das Verbot auf Schulgeländen besser kontrolliert werden. Bildungsdezernentin Katharina Brederlow musste gestehen, dass ein solches Verbot zwar existiert, doch kaum durchgesetzt werden. Lehrer würden sich oft schwer tun, älteren Schülern das Rauchen zu verbieten. Sie machte den Vorschlag, auf der städtischen Internetseite Präventionsmaterial für die Schulen zum Download bereitzustellen. Feller kündigte zudem an, dass man ab April Medizinstudenten ausbilde, damit diese auch Präventionsvorträge an den Schulen halten können.
Doch Feller fordert auch schärfere Kontrollen zur Einhaltung des Nichtraucherschutzgesetzes ein. Seiner Meinung nach wird in den Gaststätten und Kneipen viel zu selten kontrolliert und wenn erst nach Beschwerden. Das sieht Tobias Teschner, Fachbereichsleiter Ordnung und Sicherheit, anders. Es werde regelmäßig kontrolliert und nicht nur bei Beschwerden. Dies gebe es ohnehin selten, Teschner sprach von 10 Beschwerden pro Jahr. Und nur bei jeder zehnten Kontrolle stelle man tatsächlich Verstöße fest. Jedoch sei der Nichtraucherschutz auch vom jeweiligen Gastwirt abhängig. „Man kann hinsehen oder wegsehen“ Feller kritisierte, dass die Bereiche oft nicht richtig getrennt seien. Türen würden offen stehen, Rauch ziehe in den Nichtraucherbereich.
Zudem sollte die Stadt Tabak- und Alkoholwerbung auf Stadtflächen verbieten, meint Feller. Einen entsprechenden Antrag hatte die Fraktion MitBürger für Halle / Neues Forum schon vor zwei Jahren gestellt. Im neuen Werbenutzungsvertrag soll dies möglicherweise verankert werden. Zudem appelliert Feller an Hinweisschilder an Haltestellen, dass man hier aus Rücksicht auf den Genuss von Alkohol und Tabak verzichten sollte. Dies würde das Bewusstsein stärker streuen.
Begrüßt hat Feller die Suchtpräventionsfachkraft, bedauerte aber dass offenbar die Finanzierung noch nicht stehe. Hier konnte aber Bildungsdezernentin Katharina Brederlow etwas Entwarnung geben. Der entsprechende Beschluss im Ausschuss sei wegen des Sturmtiefs Friederike nicht erfolgt und werde am Donnerstag nachgeholt. Die Finanzierung stehe. Zudem arbeite die Verwaltung weiterhin an einem neuen Suchtkonzept. Denn man habe zunehmend bei Neugeborenen mit den Folgen von Drogenmissbrauch zu kämpfen, „was für uns eine schlimme Situation ist.“ Hier wolle man in Zukunft das Gesundheitswesen intensiver einbeziehen, insbesondere die Hebammen.
Feller kündigte auch eine neue Petition zu einer Stärkung des Nichtraucherschutzgesetzes an, das sei derzeit „löchrig wie ein Schweizer Käse.“ Der Kampf gegen Tabak und Alkohol sei wichtig, weil diese Einstiegsdrogen seien, beispielsweise für den Missbrauch der Synthetik-Droge Chrystal Meth, „die schwappt wie so ne Welle vom Süden her hoch“, meinte Feller. Im Jahr 2015 seien in Halle rund 50 Menschen wegen der Folgen von Crystal Meth ärztlich behandelt worden. Ein Suchtmediziner aus der Silberhöhe schätze die Zahl der Meth-Süchtigen in Halle auf mehr als 1.000.
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