Müssen Sportvereine in Halle Betriebskosten zahlen? Sportausschuss debattiert über Vorschlag der Stadtverwaltung, Vereine schlagen Alarm und sehen Gefahr für gesellschaftlichen Zusammenhalt

Ein Konflikt aus dem vergangenen Jahr flammt in Halle (Saale) neu auf. Ab dem kommenden Jahr sollen Sportvereine, die kommunale Sportanlagen nutzen, eine Betriebskostenbeteiligung leisten. Die Stadt plant, zunächst 2 Euro pro Nutzungsstunde zu erheben. Bis zum Jahr 2029 soll dieser Betrag schrittweise auf 5 Euro steigen. Die entsprechende Beschlussvorlage wurde in der jüngsten Sitzung des Sportausschusses vorgestellt – und sorgte dort für scharfe Kritik, teils dramatische Warnungen und eine hitzige Debatte. Die Vorlage selbst wurde einstimmig auf die Haushaltsberatungen im Oktober vertagt.
Die betroffenen Vereine – insbesondere jene, die derzeit städtische Sportstätten kostenlos nutzen – sehen sich mit erheblichen Zusatzbelastungen konfrontiert. Zwar sollen Vereine, die Sportanlagen gepachtet haben, von der Regelung ausgenommen bleiben. Doch auch sie äußerten Sorgen: Es steht im Raum, dass ihre bisherigen städtischen Zuschüsse gekürzt oder ganz gestrichen werden könnten.
Sportdezernentin: Maßnahme ist „schmerzhaft, aber notwendig“
Sportdezernentin Judith Marquardt verteidigte die geplante Satzung. „Aus unserer Sicht handelt es sich um eine angemessene Beteiligung“, sagte sie. Die Stadt stehe unter erheblichem finanziellem Druck. „Wir wissen, dass es wehtut“, räumte sie ein. Doch man müsse gegenüber der Kommunalaufsicht glaubhaft vermitteln, dass man versuche, die Haushaltslage zu stabilisieren – auch durch Mehreinnahmen. „Die Betriebskosten für Sportstätten sind gestiegen, und es wäre unredlich, so zu tun, als könne das dauerhaft allein die Stadt schultern.“
Gleichzeitig versicherte Marquardt, dass anstehenden Investitionen – etwa in die geplante Laufhalle – nicht gespart werde: „Diese Investitionen werden stattfinden. Wir haben nicht vor, diese zu stoppen.“ Zudem verwies sie auf umfangreiche Fördermittel von Bund und Land, die den Sportbereich weiterhin stärken sollen.
Breitensport in der Zwickmühle: „Integration, Gemeinschaft, Prävention“
Deutlich anders beurteilten Vertreter der Sportvereine die Situation. Lukas Jandtke, Vertreter des FC Halle-Neustadt, betonte die gesellschaftliche Funktion des Sports: Dass es ein Haushaltsloch gibt, sei allen klar. „Ich bin nicht naiv und habe mir den Haushalt angeschaut.“Aber Sport sei keine rein freiwillige Leistung – er sei Daseinsvorsorge. In seinem Verein, in dem viele Mitglieder einen Migrationshintergrund haben, sei Sport oft mehr als nur Bewegung. „Wir sind für viele Kinder und Jugendliche der einzige Ort, wo sie regelmäßig Kontakt zur deutschen Sprache, zu Struktur und Gemeinschaft erleben. „Wir sind schon eine Art Sprachkurse“
Besonders kritisch sehe er die geplante Ausweitung der Gebühren auf Bandenwerbung. Für viele Vereine seien Werbeflächen die einzige Chance, Einnahmen zu generieren. Spenden werden immer weniger, Sponsoren sind schwer zu finden. Und auch vermeintlich kleine Ausgaben wie Trikotsätze, Bälle oder Trainingsmaterial summieren sich, mahnte er an. Die geplanten Gebühren könnten daher eine finanzielle Kettenreaktion auslösen – mit verheerenden Folgen.
SV Halle warnt vor „sozialer Sprengkraft“
Noch drastischere Worte fand Hardy Gwenuch, Präsident des SV Halle – mit rund 4.000 Mitgliedern Halles größter Sportverein. „Was hier geplant wird, kann uns als Großverein plattmachen“, warnte er. Allein im ersten Jahr müsse der SV Halle mit Mehrkosten zwischen 23.000 und 28.000 Euro rechnen. Und das sei nur der Anfang – durch die gestaffelte Steigerung würden sich die Belastungen in den kommenden Jahren vervielfachen.
Gwenuch kritisierte nicht nur die konkreten Zahlen, sondern auch das Verfahren: „Es fehlt an Fairness – und die ist doch eigentlich das oberste Gebot im Sport.“ Besonders brisant: Er warnte vor einer sozialen Eskalation, wenn Kinder und Jugendliche aus finanziell schwächeren Familien vom Sport ausgeschlossen würden. „Je mehr wir den Zugang zum Sport verbauen, desto größer wird die Gefahr, dass junge Menschen auf der Straße landen – mit allen bekannten Folgen wie Drogenmissbrauch, Gewalt oder Radikalisierung.“
Gleichzeitig warf er der Stadt vor, mit zweierlei Maß zu messen. Ohne den Namen direkt zu nennen, kritisierte er städtische Prestigeprojekte wie den geplanten Zaun um das Händel-Denkmal oder den zweiten Fahrer für Oberbürgermeister Dr. Alexander Vogt. „Wir stopfen hier Löcher mit Maßnahmen, die nicht zu stopfen sind“, sagte er über die Pläne, den Sport finanziell heranzuziehen.
Politik gespalten: Zwischen Einsicht und Ablehnung
Die Reaktionen im Sportausschuss waren geteilt. Christoph Bergner (CDU) zeigte sich zwar prinzipiell offen für die geplante Regelung, lobte aber vor allem das geänderte Verfahren im Vergleich zum Vorjahr: Damals sei die Gebühr bereits im Haushaltsplan verankert gewesen, bevor es eine rechtliche Grundlage dafür gab. Diesmal laufe es umgekehrt. Trotzdem mahnte er an: „Ich möchte nicht, dass nur der Sport belastet wird, während andere Bereiche verschont bleiben.“ Und er stellte klar: „Wer die Haushaltslage kennt, weiß: Es wird nicht ohne Veränderungen gehen. Die Vereine müssen sich darauf einstellen, dass es künftig etwas kostet.“
Ute Haupt (Linke) widersprach der Stadt deutlich: „Ich verstehe, dass die Verwaltung nach finanziellen Spielräumen sucht – aber nicht auf dem Rücken der Vereine.“ Auch Wolfgang Aldag (Grüne) äußerte Kritik: Ihm fehle eine transparente Kalkulation. Wie genau kommt die Stadt auf die Quadratmeterpreise? Welche Betriebskosten sind das konkret?, wollte er wissen. Diese fehlende Grundlage erschwere eine sachliche Bewertung der Maßnahme erheblich.
Andreas Silbersack (FDP) nannte den Zeitpunkt unglücklich: Gerade jetzt – in wirtschaftlich schwieriger Lage – ist es „eine Unzeit, um den Sport noch stärker zu belasten.“ Der Sport sei ein verbindendes Element in der Gesellschaft, “sie halten die Gesellschaft zusammen.” Dennis Helmich (Grüne) warnte ebenfalls vor langfristigen Schäden. Hauptproblem sei die mangelhafte Finanzierung der Kommunen. Fabian Borggrefe (SPD) wurde noch deutlicher: „So, wie die Vorlage aktuell aussieht, können wir sie im Fachausschuss nur ablehnen.“
Vertagung beschlossen – Entscheidung vertagt auf Oktober
Am Ende der Sitzung wurde deutlich, dass es keine schnelle Lösung geben wird. Der Ausschuss vertagte die Entscheidung – die Vorlage wird im Rahmen der Haushaltsberatungen in etwa einem Monat erneut beraten. Ob dann ein Kompromiss möglich ist oder die Vorlage in der jetzigen Form bestehen bleibt, ist völlig offen.
Die Betriebskostenregelung soll ausschließlich für Vereine gelten, die kommunale Sportstätten kostenlos nutzen. Diese Regelung betrifft vor allem kleinere bis mittlere Vereine aus dem Breitensportbereich, aber auch Großvereine wie den SV Halle. Nicht betroffen wären hingegen Vereine mit Pachtverträgen über städtische Anlagen – etwa mit eigenen Vereinsheimen oder Plätzen. Allerdings könnte es auch für diese Vereine teuer werden, wenn bestehende Zuschüsse gekürzt würden, wie erste Signale andeuten.
Was ich bei allem Gejammer vermisse: Wo sind denn dann konkrete Vorschläge seitens der Vereine, seitens des Sportausschusses, Einnahmen zu generieren, Ausgaben zu kürzen? Es ist wie immer im Stadtrat: Alle sollen sparen, ausser die eigenen Klientelgruppen, ausser für Eigeninteressen, nur nicht ich, und die Verwaltung soll mal alles erarbeiten, damit wir drüber meckern und jammern können!
Ich mach mal ne Vorhersage: Der Sportausschuss iwrd die Sportkürzungen ablehnen, der Bildungsausschuss Kürzungen im Bereich Bildung, der Kulturausschuss im Bereich Kultur. Der Stadtrat insgesamt wird nen Haushalt mit Löchern beschließen und Risiken, das Landesverwaltungsamt wird den ablehnen, und wir stehen im Februar genau da, wo wir jetzt stehen ….
„Müssen Sportvereine in Halle Betriebskosten zahlen?“
Selbstverständlich sollten sie das, denn diese Umsonstmentalität gehört grundsätzlich abgeschafft.
“ Die Stadt plant, zunächst 2 Euro pro Quadratmeter jährlich zu erheben.“
Wegen so ein paar Euro wird ein großes Theater gemacht. Die Sportvereine sollten sich auflösen, wenn sie nicht in der Lage sind, solche geringen Beiträge zu stemmen.
Du bist hier umsonst! Dein Kommentar wie immer inhaltsleer.
Zwei Euro pro Stunde! Das was dort geschrieben steht, ist falsch. Bei 2 00 Euro pro Quadratmeter können die Vereine dicht machen!
Das steht in der Vorlage nicht drin. Gemeint ist die ganze Sportanlage oder – bei segmentierten Anlagen – die Nutzung eines Segments davon. Ohne Qm- oder Zeitbergrenzung!
Gerade der FC Halle-Neustadt ist einer der größten Nutznießer der momentanen Situation.
Alles kostenlos, aber ein Benehmen wie die Axt im Wald. Struktur und Gemeinschaft?
Wenn man diese Truppe mitunter erlebt, ist man schon etwas neidisch auf die Voraussetzungen, die denen auf der Anlage in Neustadt geboten werden. Wohlgemerkt für lau.
Natürlich sollte man auf einer kostenlos genutzten Anlage, in der man keine Nebenkosten zahlen will, mindestens dafür zahlen, dort auch noch auf zur Verfügung stehenden Flächen mit Werbung Geld verdienen zu wollen.
Na nur von eventuell gezahlten minimalen Abgaben der Vereine, wird sich eine Sportstätte nicht tragen.
Werbung ist da einfach Pflicht.
Mal anders gesagt: Andere Vereine müssen für ihre Saal- etc-nutzung auch Mieten oder Nutzungsgebühren abdrücken, und zwar in größerer Summe als die Sportler, und das auch monatlich nach Nutzungsvertrag. Auf welcher Basis der Gleichbehandlung sollten Sportvereine davon befreit werden? Daseinsvorsorge, Kulturangebot, Freizeitmöglichkeit? Ist alles bei anderen Vereinen auch gegeben. Und diese Vereine haben weit weniger Mitglieder und höhere Beiträge…
Der SV Halle macht doch die Rechnung ganz klar. 28.000 EUR durch 4.000 Mitglieder sind 7 EUR pro Mitglied pro Jahr. Das ist nicht mal 1 EUR pro Monat. Da kann der Vorstand eines Vereins doch seine Finanzordnung anpassen. In diesem geringen Umfang sollte es auf einer MV doch zu einer Lösung kommen. Finde das schon bedenklich in welcher Vehemenz da diskutiert werden will. „Wir armer Großverein…“ – das ist ja an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Selbst bei gestaffelter Maximalforderung von 5EUR also 2,5facher Ausgestaltung, wären das im Monat grad mal knapp 1,50 EUR pro Mitglied pro Monat mehr. Das muss drin sein für den geliebten Sport.