„Literatur im Volkspark“ startet morgen

Vom 28. Oktober bis 28. November 2022 lädt Literatur im Volkspark wieder außergewöhnliche Autor*innen in den Volkspark Halle (Saale) ein. Dieses Jahr wurde ein osteuropäischer Schwerpunkt gesetzt: Juri Andruchowytsch, einer der maßgeblichen Intellektuellen der Ukraine und die ukrainisch-deutsche Autorin Katja Petrowskaja werden nicht nur ihre neuen Bücher vorstellen, sondern auch über die aktuelle Situation in ihrem Heimatland sprechen. Katerina Poladjan, gebürtige Moskauerin, befasst sich in ihrem Roman mit dem Russland der 80er Jahre, eine Zeit, in der der Aufbruch spürbar war. Auch der deutschsprachige Erzähler Norbert Gstrein und die Lyrikerin Uljana Wolf stellen ihre neuen Bücher vor. Außerdem wird die Hallenser Illustratorin Lucie Göpfert für Kinder ab 4 Jahren lesen.
Die Bandbreite der in den Büchern behandelten Themen ist weit gefasst. Es geht um Musik, Revolution und Bedrohung, eine Kommunalka in Sibirien, Geschwisterliebe und Begehren, Fotografien und die darin verborgenen Geschichten, und es geht um Poesie sowie Leben und Schreiben zwischen den Sprachen.
Literatur im Volkspark wird gemeinsam von der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, der Stadt Halle und dem Volkspark Halle e.V. ausgerichtet und findet dieses Jahr zum vierzehnten Mal statt. Die Lesung mit Uljana Wolf wird in Zusammenarbeit mit den Studierenden der BURG, Louisa Engel, Youshua Kesting, Teresa Weißert und Julia Wirtz konzipiert und moderiert.
Der ukrainische Schriftsteller Juri Andruchowytsch eröffnet mit seinem neuen Roman Radio Nacht am Freitag, 28. November 2022, um 19.30 Uhr Literatur im Volkspark. Als Barrikadenpianist hat Josip Rotsky die Revolution in seiner Heimat unterstützt. Ein Mann unklarer Identität, der in der Emigration sein Geld als Salonmusiker verdient. In einem Schweizer Hotel muss er für den Diktator seines Landes spielen – und wird unbeabsichtigt zum Attentäter. Nach der Haft zieht Rotsky sich in die heimatlichen Karpaten zurück. Der Geheimdienst ist ihm auf der Spur. Er flieht nach Griechenland. Erst auf der Gefängnisinsel am Null-Meridian ist Schluss. Dort sendet sein Radio Nacht rund um die Uhr Musik, Poesie und Geschichten. Andruchowytschs Buch ist bereits 2020 in der Ukraine erschienen. Als Revolutionssaga, Agententhriller und burleske Biografie, bewegt sich der Roman am Rande der Absurdität und ist dennoch von großer Aktualität. Denn er erzählt von Bedrohung und Revolution in einem Land, das an die Ukraine erinnert.
Juri Andruchowytsch, geboren 1960 in Iwano-Frankiwsk/ Westukraine, dem früheren galizischen Stanislau, wo er auch heute lebt, ist einer der bekanntesten intellektuellen Stimmen der Ukraine. Er studierte Journalistik, veröffentlichte Lyrik, Essays und Romane, die zum Teil in 20 Sprachen erschienen sind. Ausgezeichnet wurde er u.a. mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2006 und der Goethe-Medaille 2016.
Der Österreicher Norbert Gstrein setzt mit seinem Roman Vier Tage, drei Nächte am Dienstag, 8. November 2022, um 19.30 Uhr die Literaturreihe fort. In Gstreins Kammerspiel geht es um menschliche Beziehungen und ihre Abgründe, um Geschwisterliebe und Begehren. Keiner liebt Ines so wie Elias. Doch er ist ihr Bruder. Noch jeden Liebhaber seiner Schwester hat er an sich gezogen und wieder weggestoßen. Als alle zu Hause bleiben sollen und die Welt im Lockdown kurz wie eingefroren ist, besucht Carl, der wie Elias als Flugbegleiter arbeitet, die Geschwister. Doch es streicht noch ein Mann ums Haus, und plötzlich sind jeder Blick und jede Berührung aufgeladen. Was alles hat Elias für seine unmögliche Liebe zu Ines bereits getan? Was wird Ines Carl antun? Wieder hat Gstrein ein verblüffend aktuelles Buch geschrieben, voller Schönheit, Provokation, Spannung und Trauer.
Der 1961 in Tirol geborene und in Hamburg lebende Norbert Gstrein zählt zu den stilistisch profiliertesten deutschsprachigen Erzählern. Er studierte Mathematik in Innsbruck, Stanford und Erlangen. Seine Bücher?wurden vielfach ausgezeichnet u.a. mit dem Österreichischen Buchpreis 2019, Düsseldorfer Literaturpreis und Thomas Mann Preis 2021.
Katerina Poladjan stellt ihren Roman Zukunftsmusik am Dienstag, 15. November 2022, um 19.30 Uhr vor. Während heute der Russland-Krieg in der Ukraine die Welt in Atem hält, spielt das Buch im Jahr 1985, als Michail Gorbatschow Generalsekretär der KP wird. Es ist eine Zeit, in der man Aufbruch und Hoffnung in der ehemaligen Sowjetunion verspürte. Doch von dieser Zeitenwende ahnen die Bewohner*innen einer Kommunalka im fernen Sibirien nichts. Großmutter, Mutter, Tochter und Enkelin leben hier auf engstem Raum zusammen. Wer interessiert sich für Politik, wenn man sich Bad, Toilette und Küche mit anderen Familien teilen muss? Changierend zwischen Ernsthaftigkeit und skurrilem Humor, zwischen historischen Fakten und Satire erzählt Katerina Poladjan von einem Land, das sich nicht für die Lebenswirklichkeit seiner Menschen zu interessieren scheint.
Katerina Poladjan, 1971 in Moskau geboren, lebt seit 1979 in Deutschland und studierte Philosophie und Kunst. Sie schreibt Romane, Essays und Theatertexte. Ihr Buch „Hier sind Löwen“ war 2019 für den Deutschen Buchpreis nominiert. 2022 erhielt sie für Zukunftsmusik den Chamisso-Preis/Hellerau, und den Rheingau Literatur Preis.
Lucie Göpfert liest aus Die Ferkel sind los am Mittwoch, 16. November 2022, um 10 Uhr für Kinder ab vier Jahre. Die Hängebauchferkel Karl, Konrad, Knut und Kurt lieben Schweineopa Hansis Geschichten. Begeistert lauschen sie ihm, als er eines Tages von einem Ungeheuer namens Waschlumba erzählt. Doch gerade, als es so richtig spannend wird, schläft der Schweineopa ein. Ob es diesen Waschlumba wirklich gibt? Mutig machen sie sich auf die Suche. Dabei begegnen sie dem dreibeinigen Schaf Curry, der singenden Eseldame Hermine und vielen anderen Bewohner*innen des Begegnungs- und Gnadenhos Dorf Sentana. In ihrem Bilderbuch erzählen die Illustratorin Lucie Göpfert und die Autorin Christiane Wittenburg von den Tieren dieses Hofes, den es tatsächlich in Bielefeld gibt.
Lucie Göpfert, geboren 1983, studierte an der BURG, liebt lustige Tiere und schräge Charaktere und lebt mit ihrer Familie in Halle. Sie illustriert Geschichten, Rätsel und Spiele für verschiedene Verlage wie z.B. Moses, EMF, dtv und Fischer. Außerdem zeichnet Sie für Museen und Theater. Lucie Göpfert erhielt neben verschiedenen Stipendien auch das Heimatstipendium#2.
Katja Petrowskaja befasst sich in Das Foto schaute mich an am 24. November 2022, um 19.30 Uhr auf einzigartige Weise mit Fotografie. Das lang erwartete neue Buch der deutsch-ukrainischen Autorin, die mit Ihrem Debüt Vielleicht Esther 2014 berühmt wurde, enthält eine Auswahl von Fotos und den dazugehörigen Kolumnen, die sie seit 2015 für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung geschrieben hat. Ein Foto trifft den Blick der Betrachterin und lässt sie nicht los. Das rauchvernebelte Gesicht eines Grubenarbeiters im Donbass, eine alte Frau im Kaukasus, die der Sessellift in den Himmel trägt oder ein Mädchen auf einem Bahndamm im Ruhrgebiet. Hier hat die Autorin ein eigenes Genre geschaffen, in dem sich Landschaft, Zeitgeschichte, Biografie und Form zu Prosaminiaturen verdichten. Subjektive Betrachtungen verbinden sich mit geschichtlichen Dimensionen. Den intimen Moment des Staunens verwandelt Petrowskaja in eine behutsame Sprache, die das Unverwechselbare, eine Wahrheit im Augenblick offensichtlich macht. Die kleinen Texte zur Fotografie sind große Literatur und werden von der NZZ in eine Reihe mit Susan Sonntag, Walter Benjamin, Roland Barthes und W.G. Sebald gestellt.
Katja Petrowskaja, 1970 in Kiew geboren, lebt seit 1999 in Berlin und zurzeit auch in Tbilisi. Sie studierte in Tartu, Stanford und Moskau Literaturwissenschaft und ist als Journalistin für deutsch- und russischsprachige Medien tätig. Ihr literarisches Debüt Vielleicht Esther, 2014, über ihre jüdischen Vorfahren in Kiew wurde ein Welterfolg, in über 30 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet.
Uljana Wolf schließt mit Etymologischer Gossip. Essays und Reden am Montag, 28. November 2022, um 19.30 Uhr die diesjährige Ausgabe von Literatur im Volkspark. Die Gedichte der mit dem Preis der Leipziger Buchmesse (Sachbuch) 2022 ausgezeichneten Lyrikerin und Übersetzerin Uljana Wolf spielen mit Klangverwandtschaften, Versprechern, Verlesern und dem Crossover von verschiedenen Sprachen. Dabei reflektieren sie Identität und interkulturelle Erfahrungen. Die Texte sind geprägt von ihrer Arbeit als Übersetzerin und Pendlerin zwischen Deutschland und den USA, zwischen deutscher und englischer Sprache. Die in Etymologischer Gossip versammelten Essays und Reden geben einen spannenden Einblick in Wolfs vielsprachiges Denken und ihre Arbeit als Übersetzerin. Funkelnd und hellhörig entwirft sie eine Poetik der Beziehungen, die auch als intellektuelle und poetische Autobiografie zu lesen ist. Sie gibt Aufschluss, wie man Leben und Schreiben, Ethik und Poetik zusammen denken kann.
Uljana Wolf, Lyrikerin und Übersetzerin, geboren 1979 in Ost-Berlin, veröffentlichte vier Gedichtbände, die in 15 Sprachen übersetzt wurden und zahlreiche Preise erhielten. 2021 erschien der mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnete Essayband Etymologischer Gossip. Essays und Reden. Außerdem übersetzt sie Lyrik zuletzt Valzhyna Mort: Musik für die Toten und Auferstandenen, gemeinsam mit Katharina Narbutovic 2021.
Programmübersicht
Freitag, 28. Oktober 2022, 19.30 Uhr
Juri Andruchowytsch: Radio Nacht
Moderation: Doris Sossenheimer, Dramaturgin
Dienstag, 8. November 2022, 19.30 Uhr
Norbert Gstrein: Vier Tage, drei Nächte
Moderation: Doris Sossenheimer, Dramaturgin
Dienstag, 15. November 2022, 19.30 Uhr
Katerina Poladjan: Zukunftsmusik
Moderation: André Schinkel, Autor
Mittwoch, 16. November 2022, 10.00 Uhr
Lucie Göpfert: Die Ferkel sind los
Für Kinder ab 4 Jahre
Donnerstag, 24. November 2022, 19.30 Uhr
Katja Petrowskaja: Das Foto schaute mich an
Moderation: Doris Sossenheimer, Dramaturgin
Montag, 28. November 2022, 19.30 Uhr
Uljana Wolf liest neue Gedichte und aus Etymologischer Gossip. Essays und Reden
Moderation und Zusammenarbeit: Louisa Engel, Youshua Kesting, Teresa Weißert, Julia Wirtz, Studierende der BURG
Uhrzeiten: Beginn jeweils um 19.30 Uhr, Gastronomie und Getränkeangebot ab 19 Uhr, Kinderlesung um 10 Uhr
Veranstaltungsdauer: 28. Oktober bis 28. November 2022
Anschrift: Volkspark Halle, Schleifweg 8a, 06114 Halle (Saale)
Uhrzeiten: Beginn jeweils um 19.30 Uhr, Gastronomie und Getränkeangebot ab 19 Uhr, Kinderlesung um 10 UhrEintritt: 5 Euro, Burg-Studierende Eintritt frei, Kinder-Lesung Eintritt freiReservierung: Kartenreservierungen unter literatur@burg-halle.de
Toll .
Bitte hört auf, diese Unsitte mit den Gendersternen auch noch weiter zu verfestigen und zu normalisieren (auch noch im Titel von Artikeln), indem es unbearbeitet übernommen wird. 🙄 Es gibt wesentlich elegantere sprachliche Möglichkeiten, seine Gedanken auszudrücken. Gerade, wenn es ich um eine Literaturveranstaltung handelt, möchte man doch meinen, dass da sprachlich gewandte Menschen am Werk sind, die nicht stumpf irgendwas nachplappern, was irgendwer als „richtig“ vorgibt.
Autoren im Plural sind leider gleichlautend mit Autoren in der männlichen Form. Das war den Damen und Herren der Literaturveranstaltung offenbar schon zu heikel. Vor lauter vorauseilendem Gehorsam macht man sich zum Narren bzw. reiht sich bei den Narren ein. Aber was soll’s, derzeit läuft ohnehin ein einziger grellbunter Karneval und alle sist auf den Kopf gestellt.
Die Mehrzahl von Autorin lautet Autorinnen.
Die Mehrzahl von Auto lautet Autos. Ist aber ebenso unpassend wie dein „Kommentar“.
Deine Intelligenz ist in der Unterzahl.
Kann gar nicht sein, denn er ist mehrere. Früher mal Spiegelleser, Seb Gorka, Hallenser, Sagi… und nun eben sein persönlicher Panik-Ort Bergamo.
Die Mehrzahl von Bergamo lautet Bergami.
Eleganz-Krise
Wieder nicht den richtigen Antworten-Button gefunden? 😂
Gibt es diese tatsächlich noch,
„Renommierte Autoren/Innen“??
Die alten Meister sind schon lange Tod.
Eine Charlotte Roche mit ihren geistigen Ergüssen sind der neue Gral.
Belegt den Volkspark immer weiter gegen den Verfall, prima
„Iwano-Frankiwsk/ Westukraine“ – eine gar nicht so kleine Stadt nach Iwan Franko benannt, als Dichter dort in der Ukraine geschätzt wie hierzulande Goethe von uns (naja, noch). Wissen wir nicht, hat uns nie wer erzählt.
Ansonsten: „von den Tieren dieses Hofes, den es tatsächlich in Bielefeld gibt“ – wie kann das sein, wenn es nicht mal Bielefeld gibt?
Sorry, musste sein.
„als Dichter dort in der Ukraine geschätzt wie hierzulande Goethe von uns (naja, noch). Wissen wir nicht, hat uns nie wer erzählt.“
Wir wussten bis Anfang des Jahres auch nicht, dass die Ukraine unser Busenfreund ist. Natürlich lupenrein.
Die Ukraine ist ein multiethnischer Staat mit sehr großen kulturellen Unterschieden. Was einen Dichter aus der bis 1939 zu Polen gehörenden Westukraine zu einem Sprachrohr der gesamten Ukraine auszeichnet, bleibt in dieser Kurzvorstellung offen. Glaubt man der Wikipedia scheint es seine große Affinität zur westlichen Nato-Propaganda und deren Kriegszielen zu sein. Also zu dem, was wir hier im Westen über die Ukraine unkritisch hören sollen.
„Die Ukraine ist ein multiethnischer Staat mit sehr großen kulturellen Unterschieden.“
Kann doch gar nicht sein, schließlich existiert die Ukraine unverändert seit 100.000 Jahren in den heutigen Grenzen (von vor 24. Februar)!
So ein Quatsch !!
Russland der 80ziger Jahre .
Sowjetunion, bitte.
Soviel Zeit muss sein.
Mit Sowjetunion können die ungebildeten Nachgeborenen doch gar nichts anfangen.
Ein interessanter Abend mit Juri Andruchowytsch! Es gab viele Informationen zur Ukraine. Die Lage im Osten ist katastrophal. Das Leben in seiner Heimatstadt geht dagegem ganz normal weiter, mit vielen Flüchtlingen aus dem Osten das Landes, die auch bleiben werden und sich Wohnungen kaufen. Die ukrainische Sprache wird wohl das Russisch ersetzen, das ist der Plan für die Zukunft.
Den Präsidenten der Ukraine schätzt er sehr. Er wäre auch ein guter Darsteller. Interessant waren die alten Ortsbezeichnungen, wie z.B.Lemberg.
Alles weiter steht in der MZ.
„Den Präsidenten der Ukraine schätzt er sehr.“
Weil er jeden Abend pünktlich wie das Sandmännchen im TV zu sehen ist?