Streitbarkeit, Widerspruch, Heiterkeit, Galle: Festakt für den verstorbenen Peter Sodann

Eine schnöde Trauerfeier wäre wohl nichts für Peter Sodann. “Ein weihevoller, von Trauer und Gram getragener Festakt”, hätte er wohl nicht gewollt, meinte Bürgermeister Egbert Geier dazu. Deshalb gab es am Samstag auch viele heitere Momente. Mit einem feierlichen Akt wurde im Großen Saal des neuen theaters auf der von Sodann entwickelten Kulturinsel Abschied von ihm genommen. Am 5. April war Sodann gestorben, und der heutige 1. Juni wäre sein 88. Geburtstag gewesen. Viele Weggefährten waren zusammengekommen, darunter Schauspielerin Katrin Sass, Schauspieler Hilmar Eichhorn oder auch Halles frühere Bürgermeisterin Ingrid Häußler. Insgesamt 500 Gäste nahmen Abschied. “Es ist keine Gedenkfeier. Es ist ein Gedenkfest”, sagte Matthias Brenner, nach Sodann langjähriger nt-Intendant. “Wir wollen versuchen, würdig zu bleiben, aber auch eins nicht zu vergessen: seine Streitbarkeit, sein Widerspruch, seine Heiterkeit, seine Galle, mit der er uns sein Leben lang begeistert, beschäftigt, gequält und vor allem auch inspiriert hat.”
Es erklang unter anderem der Gefangenchor aus Nabucco. Nicht ohne Grund. “Aufstand gegen die Gefängniswärter”, hatte er 1989 die friedliche Revolution genannt. Es erklang die Kinderhymne von Bertolt Brecht, der Lyriker war einer der Lieblingsautoren von Sodann, vorgetragen von Schauspielerin Elke Richter. Und natürlich gab es zum Ausklang des Festakts auch Händels Hallelujah.
Bürgermeister Geier erinnerte an Sodann als großen Künstler, Schauspieler, Regisseur, Fernsehstar, Büchersammler – aber auch Baumeister, politischen Kopf, Beharrlichen und Zielstrebigen. Sodann habe das kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Saalestadt maßgeblich geprägt. “Sorgt doch, dass ihr, die Welt verlassend, nicht nur gut wart, sondern verlasst eine gute Welt”, zitierte Geier den Dramatiker Bertolt Brecht. “Gut ist die Welt leider immer noch nicht. Aber dank Peter Sodann ist sie gerade für uns Hallenserinnen und Hallenser ein sehr großes Stück besser geworden.”
“Sodann hatte ein waches Auge für Widersprüche. Er lebte in ihnen”, sagte Kultur-Staatssekretär Sebastian Putz. Denn die DDR hat ihm sehr schnell die Grenzen des offiziell Erlaubten aufgezeigt. “Staatsfeindliche Hetze” brandmarkte das kommunistische System einige Beiträge Sodanns, für 9 Monate kam er ins Gefängnis, wurde fortan von der Staatssicherheit überwacht. “Peter Sodann vertrat seine Überzeugungen auch als politisch aktiver Mensch und verstand sich als Ostdeutscher mit linkem Bewusstsein – dies unabhängig davon, ob er mit seinen Positionen Widerspruch erntete oder polarisierte.” Zwar musste man mit Sodann nicht immer einer Meinung gewesen sein, sagte Putz, ein CDU-Mann. “Aber ich empfinde es als schmerzhaften Verlust, dass die Stimme diese geradlinigen und aufrechten Demokraten, mit seiner eigenen und pointierten Form der Einmischung, in diesen aufgewühlten und bewegten Zeiten nicht mehr vernehmbar ist.” Sodann habe als Intendant der Kulturinsel Maßstäbe gesetzt. Auch um das Kulturland Sachsen-Anhalt habe er sich in höchstem Maße verdient gemacht. “Wir verneigen uns vor einem großen Künstler und einem wunderbaren Zeitgenossen.”
Heutige Intendantin des neuen theaters und damit eine Nachfolgerin von Sodann ist Mille Maria Dalsgard. Seit knapp einem Jahr ist sie auf diesem Posten. Sodann selbst hat sie nie persönlich kennengelernt. Doch sie habe das Gefühl, ihn zu kennen. Denn jeder Raum, jeder Winkel der Kulturinsel die Geschichte seines Schaffens. Sie verneige sich vor der Hartnäckigkeit und Streitbarkeit Sodanns bei der Umsetzung seiner Visionen. “Das Geheimnis, wie man es macht, in der DDR mit dem Nationalpreis und in der BRD mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt zu werden, hätte ich ihn gern noch gefragt. Vielleicht hätte er nur gelacht. Und das wäre ihm Antwort genug.”
Die Gründung der Kulturinsel mit dem neuen theater und dem Puppentheater geht übrigens auf das “Theater des Friedens” zurück (Heute das Opernhaus), das Sodann auch “Theater des Unfriedens” nannte. Denn die Schauspieler und Musiker des Dreispartenhauses mussten jeweils um Zeiten im Spielplan kämpfen, es gab zu wenig räumliche Kapazitäten. Also begann Sodann, mit Mitstreitern einen verfallenen Gebäudekomplex mit einem leerstehenden Kino über Jahre hinweg herzurichten. Viel Eigenleistung der damaligen Schauspieler steckt hier mit drin. Das war Sodann auch wichtig: Schauspieler sollten auch körperlich richtig arbeiten können. Über die Jahre sind eine riesige lichtdurchflutete Kantine, ein Café, eine Kneipe, Probe- und Theaterräume entstanden. 8 Theken gibt es im Haus, war zum Festakt zu erfahren. Die Beschaffung des Porzellans für das Café war auch nicht einfach. Erst nach dem dritten Versuch in Colditz konnte Sodann Teller, Tassen und Kannen beschaffen – bezahlte sie und verkaufte sie an das Porzellanwerk in Lettin, damit dort die Schriftzüge eingebrannt werden konnten. Anschließend kaufte Sodann das Porzellan zurück. Und auf dem Papier haben die DDR-Betriebe zweimal Porzellan produziert. So war sie, die Planwirtschaft. Und Sodann hat viele kleine, oft auch unscheinbare Details hinterlassen. Beispielsweise die Theaterglocke. Die läutet am Vormittag, um die Schauspieler zur Probe zu rufen, und am Abend zum Beginn der Vorstellungen. Wer im großen Saal einen Blick nach Oben wirft, der wird dort auch einen Farbtopf sehen. Der steht dort seit der Einweihung des Saals. Warum genau, das weiß heute niemand mehr, Sodann hat das Geheimnis mit ins Grab genommen.
Heute gehören neues theater und Puppentheater mit zur Theater, Oper und Orchester GmbH Halle (TOOH), gemeinsam mit Opernhaus, Thalia Theater, Ballett und Staatskapelle. Geschäftsführerin ist Ute van den Broek. Sodann habe einen Sinn für Symbolik gehabt, meinte sie. Und keiner seiner Nachfolger habe bislang daran etwas geändert. Nach ihrem Amtsantritt hat sie erstmal das Chefzimmer vom Opernhaus auf die Kulturinsel verlegt. Was sie damals nicht wusste: genau in das Büro, in dem einst Peter Sodann residierte. Farbe, Möbel und Schreibtisch wurden mit dem Einrichtungsstil Sodann verglichen, so van den Broek. Schon damals habe sie gespürt, wie das Lebenswerk Sodann weiter wirke.
Schauspieler Thomas Thieme (Das Leben der anderen) kannte Sodann schon Jahrzehnte. “Ich hatte das große Glück, dass er mich nach mehrfachen Vorsprechen für geeignet gefunden hat”, erinnerte er sich an den Beginn seiner Karriere als Schauspieler im Theater in Magdeburg. Thieme geriet wie Sodann mit dem DDR-Regime aneinander. 1984 zog er in den Westen, erzählte vorher Sodann davon. Und der kommentierte wie Blick auf den Dialekt, den beide hatten: “Was willst du denn im Westen? Du kannst ja nicht mal richtig deutsch.” Mit dieser Anekdote brachte Thieme das Publikum zum Lachen. “Alles war er gemacht hat, war immer das der Grenze zum nicht mehr ganz Gestatteten”, sagte Thieme über Sodann, “nicht zum Verbotenen, dazu war er zu schlau.” Das sei sehr gut angekommen.
Peter Sodann wurde 1936 in Meißen geboren. Zwischen 1992 und 2007 spielte er den Tatort-Kommissar Bruno Ehrlicher. Damit war er der erste Tatort-Ermittler aus dem Osten. Bereits 1961 hatte die DDR ein Kabarett von Sodann wegen “konterrevolutionärer” Programme aufgelöst, 9 Monate kam er ins Gefängnis. 1986 wurde er mit dem DDR-Nationalpreis und 2001 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. 2005 endete seine Zeit als Intendant in Halle, weil sein Vertrag nicht mehr verlängert wurde, was damals einige Kontroversen auslöste. 2016 erhielt Sodann die Ehrenbürgerwürde der Stadt Halle.
Video der Gedenkfeier: https://www.ardmediathek.de/tv-programm/6659c9d976be934a6e96c639
Porträt: Der Schauspieler Peter Sodann – Querulant, Moralist, Kommissar https://www.ardmediathek.de/tv-programm/6659c9d976be934a6e96c637


















Es war ein schönes Gedenken.
Interessant an Sodanns Karriere sind seine stetigen Höhen und Tiefen. Erst bestraft und eingesperrt, dann wieder mit hohen Preisen bedacht und geehrt. So lief es immer wieder in seinem ganzen Leben ab, wobei er immer authentisch blieb.
Peter Sodann hat für Halle viel Positives bewirkt und bleibt von daher für mich unvergessen.
Immer wieder für mich unvergessen die Stadtwette von Wetten Das,wo Sodan die Stadträte vor dem Stadthaus ,in eine Straßenbahn, mit einer Sauna geschickt hat!