Vom Stasi-Komplex zum Gemeinschaftsort: Neues Leben für das ehemalige Verwaltungsgebäude am Gimritzer Damm in Halle-Neustadt – auch ehemaliger Bundestagsabgeordneter engagiert sich in neuer Genossenschaft

Fast ein Jahrzehnt lang stand das auffällige Gebäude am Gimritzer Damm still, verlassen von seinem letzten Nutzer, dem Finanzamt. Doch nun soll dem 7-geschossigen Bau mit seiner markanten rot-silbernen Aluminiumfassade und der bewegten Geschichte neues Leben eingehaucht werden. Das „Gemeinschaftsamt“ will das Areal, das einst die Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) beherbergte, in einen offenen, lebendigen Ort für alle verwandeln.

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Eine Genossenschaft für den Wandel

Am 27. September 2025 soll der erste große Schritt gemacht werden: die Gründung einer Genossenschaft, die das Gebäude erwerben und betreiben will. Jeder Interessierte kann sich beteiligen – ab 400 Euro ist man mit zwei Anteilen dabei. Zu den Unterstützern zählen unter anderem auch der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby und die Stadträtin Dörte Jacobi (Die PARTEI)

Wo genau die Gründungsveranstaltung stattfindet, wird in den kommenden Tagen bekannt gegeben. Klar ist aber schon jetzt: Die Pläne der Initiatorinnen und Initiatoren stoßen auf großes Interesse. Beim ersten offenen Nachbarschaftstreffen am Freitag kamen zahlreiche Menschen aus der Umgebung – nicht nur aus der benachbarten Selkestraße, sondern auch aus Heide-Süd und anderen Stadtteilen.

Ideen und Visionen: Vom Kinderclub bis zum Proberaum

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Bei Kaffee und Kuchen wurde diskutiert, gefragt und gesammelt: Welche Nutzungen wünscht sich die Nachbarschaft für das Gemeinschaftsamt? Die Liste ist lang – ein Café, ein Kinderclub, Sportangebote, Veranstaltungsräume, Werkstätten, Ateliers. Die Initiatorinnen und Initiatoren denken bereits weiter: Es sollen bezahlbare, unbürokratisch nutzbare Räume entstehen – für Künstler:innen, Vereine, Start-ups, Handwerker:innen oder auch soziale Initiativen. Im Gegenzug für niedrige Mieten sollen die Nutzer die Räume eigenverantwortlich herrichten. „Aber bitte keine Disco“, sagte eine ältere Frau. Man habe schon genug Lärm von der Peißnitz.

„Wir wollen das Gebäude so schnell wie möglich wieder mit Leben füllen“, sagt Ulrich Möbius, einer der Mitinitiatoren. Der aktuelle Zustand ist allerdings herausfordernd: Kabel und Heizungsventile wurden von Metalldieben entfernt, es gibt Schäden und Leerstand – aber keine Pläne für umfassende Sanierung. Vielmehr setzt das Modell auf Selbstausbau statt Komplettsanierung.

Der große Unsicherheitsfaktor: Das Land Sachsen-Anhalt

Noch ist unklar, wie der Erwerb konkret ablaufen wird. Das Gebäude ist Eigentum des Landes Sachsen-Anhalt, das vermutlich über eine Ausschreibung entscheiden wird. Offen ist auch, ob der Gebäudekomplex des früheren Studentenwerks, der sich auf dem Gelände befindet, mitverkauft wird. Je nach Umfang geht es um 16.000 bis 20.000 Quadratmeter Fläche. Eine Entscheidung hierzu wird frühestens im Sommer 2026 erwartet.

Bis dahin will die Genossenschaft wachsen, planen und weiter Unterstützer:innen gewinnen.

Vom Geheimdienst zur offenen Gesellschaft: Die Geschichte des Areals

Das Gelände blickt auf eine ebenso spannende wie belastete Vergangenheit zurück. Ursprünglich Teil des 1925 eingerichteten Flugplatzes Nietleben, wurde das 10,78 Hektar große Areal 1969 dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) übertragen. Ab 1971 entstand hier das heute noch weitgehend authentisch erhaltene Verwaltungsensemble mit markanter Architektur – ein fast autark funktionierender Behördenkomplex mit Bürohäusern, Garagen, Wachtürmen, Mauern und Freiflächen.

In den 1980er Jahren war die Bezirksverwaltung Halle für über 30 Abteilungen und über 1900 Mitarbeiter:innen zuständig. Auch die Umgebung war teils abgeschirmt – die Selkestraße war zeitweise für den öffentlichen Verkehr gesperrt, angrenzende Wohnblöcke beherbergten Mitarbeiter des MfS und deren Informelle Mitarbeiter (IM).

Mit der Friedlichen Revolution kam die Wende: Am 5. Dezember 1989 besetzte eine Gruppe des Neuen Forums die Dienststelle – begleitet von Bürgervertretern, überwacht durch den Militärstaatsanwalt. Die Stasi-Auflösung verlief in Halle vergleichsweise ruhig – aber viele Akten waren bereits vorher vernichtet worden.

Nutzung nach 1989 – und der lange Leerstand

Nach der Auflösung des MfS fand zunächst die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zeitweise eine Nutzung für das Hauptgebäude. Später zog das Finanzamt ein, das den Komplex jedoch 2016 verließ. Seitdem verfiel das Gebäude zusehends, abgesehen von einer temporären Nutzung einzelner Räume durch das Werkleitz Medienfestival.

Erhalten und weiter genutzt wurde hingegen der Erweiterungsbau an der Blücherstraße, der seit 1991 die Außenstelle Halle des Stasi-Unterlagen-Archivs (heute Bundesarchiv) beherbergt. Auch dieser Teil wurde 1996 erweitert und energetisch saniert.

Ein Ort mit Potenzial – für die Stadtgesellschaft

Die Idee des „Gemeinschaftsamts“ ist mehr als nur eine Zwischennutzung. Sie ist ein Symbol für Transformation und Teilhabe: Ein Ort, der einst für Kontrolle und Abschottung stand, soll nun zu einem Raum für Kreativität, Gemeinschaft und Offenheit werden.

„Die Vergangenheit dieses Hauses ist uns bewusst“, sagt Möbius. „Aber wir glauben, dass genau hier ein Ort entstehen kann, der das Gegenteil davon lebt: ein Ort der Begegnung, der Vielfalt und der Mitgestaltung.“

Ob das gelingt, hängt nun vor allem von den nächsten Schritten des Landes ab – und vom Engagement der Menschen vor Ort. Doch das Interesse ist geweckt. Und der Wille zur Veränderung ist spürbar.

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65 Antworten

  1. Robert sagt:

    Sorry, soll dieses ehemalige Stasi-Gebäude damit geehrt werden ,oder wie darf ich das verstehen ?
    Dort war auch das Finanzamt zuletzt ansässig .

  2. Wie offen denn? sagt:

    Wenn es ein offenes Projekt ist, dürfen also auch AfDler mit dabei sein?

  3. trimper sagt:

    Ulrich Möbius – mehr muss man nicht sagen…
    Siehe Peißnitz Haus und seine „Aktivitäten“!

  4. 10010110 sagt:

    Reißt das Ding endlich ab und renaturiert das Gelände, lieber heute als morgen!
    Bei anderen jahrelang leerstehenden und historisch viel wertvolleren Gebäuden kann es der Stadt, bzw. den Besitzern nicht schnell genug gehen, und hier will man auch noch ein hässliches und die Flussaue verunstaltendes Gebäude auf biegen und brechen erhalten. 🙄

    • Will v. Stehen sagt:

      Wer ist mit deiner Aufforderung angesprochen? Und warum hier anonym?

      Bei Abriss zählt meist der Eigentümer, nicht der Standort oder Besitz.

      „Biegen und brechen“ wird hier außerdem von Bürgern betrieben, nicht von der „Stadt“…

    • Halu sagt:

      Warum bist du so aggressiv.
      Das könnte zu Beispiel Studentenwohnheim werden.
      In dieser auf uns zukommenden Zeiten wäre auch ein Obdachlosenhotel denkbar.

  5. PaulusHallenser sagt:

    Dass sich ausgerechnet jemand mit einem eher lockeren Arbeitsstil und eine Komikerin mit einer eher unkonventionellen Karriere dem Genossenschaftsprojekt anschließen, überrascht mich nicht.

    Ich hoffe, das Land Sachsen-Anhalt verkauft dieses verwertungswürdige Objekt an einen Immobilieninvestor, der daraus hochwertigen Wohnraum macht und nicht an irgendwelche Träumer, die auf Kosten des Steuerzahlers eigene Wunschprojekte realisieren wollen.

    • Huch sagt:

      Du sprichst schon wieder von dir.

      • Grüne Schulversager sagt:

        Nein, Ich stimme PH völlig zu. Es muss ja nicht Wohnraum sein, von mir aus auch Kunstprojekte oder sonst was,aber eben Verkauf zum Marktpreis und Sanierung und Betrieb auf Privatkosten, ohne Steuergelder. Dann ist das o.k., und dann können die privaten Besitzer und Betreiber auch entscheiden, wen sie da reinlassen, z.B. keine oder nur AfD. Ich persönlich würde weder die rechte noch die linke Mischpoke da haben. Beides ist sch…e und bringt Unruhe.Abe: das ist dann Privatsache. Aber mit den linken Losern Bochmann, Jacobi oder 400 € Genossenschaft wird das finanziell nicht tragfähig sein.

    • Klaus sagt:

      Paulus…
      Erzählen Sie nicht regelmäßig, Neu-bzw. Umbau von Immobilien zu Wohnzwecken lohnt sich nicht, weil die Mieten hier so gering sind?
      Jetzt wollen Sie genau das Gegenteil?

    • kein Fan von PH sagt:

      „Dieses verwertungswürdige Objekt…“ 🙂 Gib zu, du warst da noch nie! Aber frag mal deine Eltern….Hochwertiger Wohnraum am Gimritzer Damm! Junge, geh aus der Sonne! Möbius ist nun mal ein Hans Dampf, hat aber auch einiges erreicht. Z.B.Peißnitzhaus. Wenn du die Angebote dort nicht nutzt, so ist das dein Problem. Jacobi ist im Stadtrat, hat als OB kandidiert und besitzt massive Berufserfahrungen. Beide engagieren sich für die Gemeinschaft. Natürlich, das stört dich wieder. Aber ansonsten bist du nicht in der Lage, denen das Wasser zu reichen. Ach menno, wenn du nicht so beschränkt und gemein wärst, könntest du einem echt leid tun.

      • Mehr Milei wagen! sagt:

        Jacobi hat kandidiert und besitzt massive Berufserfahrung – ah ja. Die (w)irre Vorstellung bei der. OB-Kandidatur war weltfremd, oeinlich oder belustigend ( ultralinke Spaßpartei) – je nach Blickwinkel. Erfolg im Beruf, na ja Angestellte im Freiraumbüro, Leben im hier und jetzt mit öff. finanzierten Projekten genau dieser Art.. Das ist dieselbe Klientel. Massive Erfahrung hat sie, im linken Spektrum. Das ist natürlich o.k. solange es ohne Steuergelder finanziert wird.

    • Buerger sagt:

      Es ist doch wie immer: Das Land möchte die Bruchbude loswerden. Wie die neuen Eigentümer dann mit dem Einwerben von Förder- Steuermitteln erfolgreich sein werden ist denen doch egal. Am Ende wird wieder beim Stadtrat gebettelt.

      • na komm sagt:

        Warum möchte das Land die Bruchbude loswerden?

        • hgp sagt:

          Ist keine Bruchbude. Für die Stasi wurde damals eher hochwertig gebaut. Steht sogar unter Denkmalschutz, also kein Spekulationsobjekt für abrißwillige Investoren. Das Land braucht diese Immobilie nicht, wird sie daher vermutlich freigeben, damit z.B. die Stadt das Objekt kaufen/entwickeln kann. Mehr Platz für Kunst & Kultur in Halle wäre sicher nicht schlecht.

          • Mehr Milei wagen! sagt:

            Hochwertig. Vielleicht nach sozialistischen Massstäben. Funktional – für Stasi und FA ( sind ja ähnlich) – aber nicht für was sinnvolles. Warst Du jemals in dem Bau? Ich schon. Außer der Lage ist da nichts Positives zu zu sagen. Aber gut, wenn jemand privatwirzschaftlich was angehen will. In der Gegend fehlen Imbisse ( außer Döner) oder Restaurant völlig – aber auch da ist das aktuelle Gebäude ungeeignet.

    • @PaulusHallenser sagt:

      Wissen Sie wie eine Genossenschaft funktioniert?

  6. Robert sagt:

    Klassentreffen des ehemaligen Geheimdienstes 🤔 😂

  7. Planer sagt:

    Die nächste NGO will also üppig Unterstützung aus Steuergeldern abschöpfen. Ist ja toll!

  8. Joachim Euther sagt:

    „Die Initiatorinnen und Initiatoren denken bereits weiter: Es sollen bezahlbare, unbürokratisch nutzbare Räume entstehen – für Künstler:innen, Vereine, Start-ups, Handwerker:innen oder auch soziale Initiativen. Im Gegenzug für niedrige Mieten sollen die Nutzer die Räume eigenverantwortlich herrichten.“

    Das ist kein Konzept, sondern Worthülsen ohne Substanz. Solche Dinge gibt es schon zuhauf in Halle, Gott bewahre uns vor einem weiteren sich selbst überschätzenden Kulturschaffenden, der die nächste öffentliche Liegenschaft abgreifen will, dass dann faktisch weiter vor sich hingammeln wird (wie Villa Lehmann oder das WUK-Theater), weil deren „Konzept“ kein tragfähiges Konzept ist.

    Besser ist es, dass das Objekt von der TGZ Halle GmbH oder der Stadt Halle gekauft und abgerissen wird und dann für die weitere Entwicklung des Weinberg Campus und seinen Technologieunternehmen und Forschungseinrichtungen genutzt werden kann. Entsprechende Gespräche laufen diesbezüglich schon. Eventuell noch eine private technische Hochschule wäre vielleicht noch ein Gewinn aber ein weiteres „Gemeinschaftsamt“, wo Vereine öffentliches Geld nassauern und ansonsten keinen Mehrwert für Halle und seine aus dem Ruder laufenden Sozialkosten brauchen wir nicht.

    • Ach Joachim sagt:

      Um es mit den Worten vom PH zu sagen: wer hat dich denn legitimiert, für Halle und im Namen von „uns“ zu sprechen? Wann warst du zuletzt im WUK (oder davor) und wann in der Lehmann-Villa? Okay, vom Peißnitz-Haus sprichst du nicht, den Erfolg scheinst du anzuerkennen. Der Rest deiner Meinung ist aber trotzdem die eines alten, verbitterten, einsamen Menschen. Und ähnelt sehr der des PH. Das würde mir Sorgen machen.

      • Mehr Milei wagen! sagt:

        Aber Rwcht hat er trotzdem. Es gibt schon reiclich dewolterte und gemäbiuste Subventionsbetriebe. Das sollte wirklich reichen.

    • Das ist kein Beitrag, sondern Worthülsen ohne Substanz.

  9. Wennemann sagt:

    Ueberall wird oeffentliches Eigentum verscherbelt und das Geld versickert im Nirgendwo. Die Ruine sollte besser zum Zukunftszentrum umgebaut werden. Das spart Multimillionen gegenüber der Variante am Riebeckplatz.

  10. JEB sagt:

    Pro Abriss!
    Bodenlose Fässer gibt es schon genug.

    • Pressesprecher sagt:

      Dann lass dir mal vorrechnen, was Erwerb vom Land und Abriss dann so kosten könnten. Nulltarif ist schon mal nicht. Und vlt mal zu bebauende Grundfläche ist auch nicht so dolle.

  11. langhans sagt:

    ja richtig, weg damit und das ZZ passt dort gut hin

  12. Nuvole sagt:

    Kann gut gehen:

    https://www.bahnhof-lutherstadteisleben.de/index.php

    oder sterben:

    https://www.bring-together.de/de/info/orte/lebensraum-roeblingen

    In Eisleben ist einmal im Monat was los, der Bahnhof ist ein Schmuckstück mit Schließfächern, Abellio- Service und Wickeltisch aber eigentlich nicht wirklich ausgelastet, die Gastronomie hatte nach kurzer Zeit wieder geschlossen worden weil die Abzugseinrichtung nicht standardgemäß war und die 200€- Mindesteinlage der Genossenschaftler waren ein Bekenntnis aber ohne irgendwelche Erträge.
    Alles steht und fällt mit der Demografie und dem Interesse.

    Das andere Projekt war zwar keine Genossenschaft hat aber trotzdem das Erreichbare geschafft, ein Friseur ist drin, ein Türke mit spärlichem Verkaufsangebot, eine Verschenkeabteilung und oben ein paar geflüchtete Ukrainer, alles ist besser als nichts und es ist gut daß Leute sich engagieren.
    Die Protagonistin Amanda ist allerdings von dannen gezogen und mit ihr die guten Ideen und großen Pläne.

    Das Vorhaben in Halle könnte ja auch helfen, den Staat zusammen zu halten so wie die DDR- Behörde vor ein paar Jahrzehnten, nur eben etwas anders.