Wegen Vorgriffstunde: Unterrichtsversorgung in Sachsen-Anhalt auf 95,1% (Halle 102%) gestiegen, abgeordnete Lehrer erhalten Zulagen
Die Unterrichtsversorgung ist aufgrund der im Frühling 2023 eingeführten Vorgriffstunde zum Stichtag auf 95,1 % gestiegen – dies ist ein Zuwachs von 1,6 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr.
Von der versprochenen 100prozentigen Versorgung kann in den meisten Schulen weiterhin keine Rede sein, kritisiert Die Linke im Landtag. Dabei gibt es weiterhin gravierende Unterschiede zwischen den Schulformen und Regionen, die zum Teil noch weiter angewachsen sind. Während in der Stadt Halle (Saale) mit jetzt 102% das angestrebte Ziel aus dem Koalitionsvertrag fast erreicht wird, ist die Unterrichtsversorgung im Landkreis Stendal drastisch auf den bisher landesweit schlechtesten Wert gesunken und liegt nun mit 88,7% mehr als 13 Prozentpunkte unter der Versorgung von Halle. Kaum besser sieht es im zweiten Altmarkkreis Salzwedel (90,7%) und in der Stadt Dessau-Roßlau (91,2%) aus. Z
Dies hat insbesondere an den Gymnasien – vor allem im Süden des Landes – zu einer gewissen Entspannung und leichten Personalüberhängen in dieser Schulform geführt.
Dadurch werden Abordnungen an weniger gut versorgte Schulen anderer Schulformen möglich. Eine erste Auswertung zeigt, dass bisher 23 Personen in einem Umfang von 209 Lehrerwochenstunden auf freiwilliger Basis im Zusammenhang mit den durch die Vorgriffstunde entstandenen Überhängen entsprechend abgeordnet worden sind. Auch unabhängig von der Vorgriffstunde sind Abordnungen von Lehrkräften üblich, um die Funktionsfähigkeit an anderen Schulen aufrechtzuerhalten und zu einer Verbesserung der Unterrichtsversorgung an der jeweiligen Schule beizutragen.
Bildungsministerin Eva Feußner: „Es ist erfreulich, dass die Vorgriffstunde insbesondere an der Schulform Gymnasium zu solchen Effekten führt. Gleichzeitig sehen wir aber, dass trotz der verbesserten Situation insbesondere an den Sekundarschulen immer noch Defizite bei der Unterrichtsversorgung existieren. Daher visieren wir an, Abordnungen im größeren Umfang möglich zu machen und greifen dafür auf das Instrument der Zulagenzahlung zurück, um verstärkt Anreize zu schaffen.“
Dazu können die bestehenden Rahmenregelungen für Personalgewinnungszulagen in § 16 Abs. 5 TV-L und § 7b LBesG genutzt werden. Alle Gymnasiallehrkräfte werden daher zu Beginn des zweiten Schulhalbjahres über die Möglichkeit der Zulagenzahlung informiert.
„Der Sinkflug in der Unterrichtsversorgung konnte durch die Vorgriffstunde lediglich vorrübergehend etwas abgefangen werden, er wird sich im nächsten Schuljahr aber voraussichtlich wieder beschleunigt fortsetzen. Die Probleme bei der Gewinnung neuer Lehrkräfte spitzen sich weiter zu, denn nicht einmal mehr die Hälfte aller Neueinstellungen sind ausgebildete Lehrkräfte. Insbesondere an den Sekundar- und Gemeinschaftsschulen setzt sich der Niedergang in der Versorgung mit ausgebildeten Fachlehrkräften ungebremst fort“, erklärt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecher der Linken, Thomas Lippmann.
„Dass trotz Vorgriffstunde nach wie vor nur ein Drittel aller Schulen (258 von 747) mindestens eine 100prozentige Unterrichtsversorgung erreicht, während weiterhin an 178 Schulen die Unterrichtsversorgung noch nicht einmal 90 Prozent beträgt, ist ein dramatisches Ergebnis des Schulgipfels vom letzten Jahr. An vielen Schulen ist der Stundenplan nur noch ein Torso. Angesichts der Tatsache, dass in den beiden Altmarkkreisen ebenso wie in der Stadt Dessau-Roßlau und im Burgenlandkreis die Unterrichtsversorgung sogar auf den bisherigen Tiefststand gesunken ist, kann man nur von einem Versagen von Ministerin Feußner und Ministerpräsident Haseloff in der Schulpolitik sprechen“, so Lippmann. „Völlig inakzeptabel bleiben die extremen Unterschiede zwischen den Schulformen und Regionen. Die Ankündigung, stärker als bisher für einen Personalausgleich zu sorgen, war offenbar nur leeres Gerede. Denn die Schere schließt sich nicht, die Abstände werden sogar noch größer. Wenn im Landkreis Stendal und in der Stadt Dessau-Roßlau alle Sekundarschulen zusammen trotz der vielen Lehrkräfte im Seiteneinstieg und der Vorgriffstunden nicht einmal mehr eine Unterrichtsversorgung von 80% schaffen, dann werden diese Regionen und die Kinder und Jugendlichen massiv benachteiligt und um ihre Zukunft betrogen. Die Landesregierung und die CDU-Fraktion müssen endlich Konsequenzen ziehen und dieser Entwicklung wirksame Maßnahmen entgegensetzen.“
„Bildungsministerin Eva Feußner: „Es ist erfreulich, dass die Vorgriffstunde insbesondere an der Schulform Gymnasium zu solchen Effekten führt.“
Das sehe ich auch so, denn die angehenden Abiturienten bilden die Zukunft des Landes Sachsen-Anhalt. Das Abitur wird immer wichtiger, da es zum Besuch einer Universität berechtigt und Hochschulabsolventen von der Wirtschaft dringend benötigt werden. Einfache Berufsausbildungen sind in Zukunft nämlich nicht mehr ausreichend.
„die angehenden Abiturienten bilden die Zukunft des Landes Sachsen-Anhalt“
Die ist mit Sicherheit nicht positiv zu sehen!
Die Absurdität dieser abgehoben Gesellschaft in einem Satz zusammengefasst: „Einfache Berufsausbildungen sind in Zukunft nämlich nicht mehr ausreichend.“
Was für ein verblödeter Unsinn.
Quatsche keinen Blödsinn! 🙄
Es mag sicherlich interessierte und natürlich begabte Menschen geben, die den Anforderungen des Schulalltags gerecht werden, aber ich denke, dass die veröffentlichten Zahlen Sorge bereiten, da gerade die „weniger attraktiven“ Schulformen die besten Didaktiker bedürfen.
„Bei einer großen Stellenausschreibung, die im Januar [2024 in Sachsen Anhalt] endete, meldeten sich laut Bildungsministerium 436 Bewerberinnen und Bewerber, 97 von ihnen waren ausgebildete Lehrkräfte und 339 Seiteneinsteiger.“ [Quelle: dpa, Stand: Februar 2024]
Das kann kein System ohne Qualitätsverlust verkraften.
Was bedeuten Zahlen wie 102% oder 87% denn überhaupt??
Müssen Kinder bei >100% länger in die Schule als vorgesehen und bei 87% kürzer?
Die nackten Zahlen kann man so leider nicht verstehen.
🤷🏻♀️ Mein Kind (Gymnasium Halle) hatte in den letzten Wochen sehr viel Ausfall, oft nur eine Doppelstunde am Tag Unterricht. 😬
Genau so ist es. Die Zahlen sind völlig an der Realität vorbei. Da fragt man sich, wer da wem die Taschen voll lügt?
Frettchen,
Eine Unterrichtsversorgung von über 100% bedeutet, dass alle Stunden aus der Stundentafel erteilt werden können und das eine Reserve vorhanden ist, die z.b einen kranken Kollegen/Kollegin vertreten kann. Bei einer Versorgung unter 100% fallen Stunden aus ohne das diese angemessen vertreten werden können. Dann haben die Kinder also weniger Unterricht.
Selbst die schlechten Zahlen sind beschönigt, denn man hört überall, dass bei hohem Krankenstand Nichtlehrer*innen alleine Unterricht machen müssen, obwohl dies gar nicht zulässig ist. (PMs Praktikant*innen etc.)
Wie stark ist eigentlich die Ausfallquote mit der zusätzlichen Stunde gestiegen?
Richtig erkannt. Langzeiterkrankungen und Ausfall durch Erkrankungen gehen in die Statistiken nicht ein. Auch Lehrkräfte im Erziehungsurlaub werden in der Statistik als anwendende Lehrkräfte geführt.
Ehrlich gesagt wundert mich das bei der – auch durch die Linken geförderten – gesellschaftlichen Entwicklung nicht. Ausgebildete Lehrer wollen in ihren Fächern Wissen vermitteln, nicht erst die fehlgeleitete elterliche Erziehung und mangelnde Sprachkenntnisse, die durch die zu liberale und unkontrollierte Zuwanderung zunehmen, kompensieren müssen.
Das ist vllt. auf dem Papier der Fall. Real sind bei meinem Erstklässler in der Lessingschule ca. 20 % des Fachunterrichts ausgefallen. Man kann sich vieles schönrechnen, die Quittung durch gestresste Kinder und Eltern, Lernlücken und schlechte Teilhabe bekommt die Gesellschaft trotzdem.
Die sogenannte Vorgriffsstunde ist ein simpler statistischer Trick, ausgetragen auf dem Rücken der Lehrer, noch dazu rechtlich und organisatorisch völlig stümperhaft umgesetzt, der die strukturellen Probleme völlig ignoriert und eher noch verschärft.