Geld inmitten von Ruinen: 203 Millionen Euro für Strukturwandel – RAW-Gelände und Weinberg Campus in Halle (Saale) im Fokus

Zwischen bröckelndem Beton und rostigem Stahl wurde am Mittwoch Geschichte geschrieben: Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff hat in feierlichem Rahmen zwei Fördermittelbescheide übergeben – und damit den Weg für zwei zentrale Großprojekte im Strukturwandel der Region freigemacht. Schauplatz der Übergabe war das Gelände des ehemaligen Reichsbahn-Ausbesserungswerks (RAW) in Halle (Saale), das künftig nicht mehr für vergangene Industriegeschichte, sondern für Zukunft und Wandel stehen soll.

Zwei Projekte, ein Ziel: Zukunft gestalten
Das erste Projekt betrifft die umfassende Neuentwicklung des RAW-Geländes selbst. Mit einer Fördersumme von 119,7 Millionen Euro aus dem Investitionsgesetz Kohleregionen und einem geplanten Gesamtvolumen von 133 Millionen Euro soll das weitläufige Areal in den kommenden Jahren in ein nachhaltiges, innovatives Stadtquartier verwandelt werden. Projektträger ist die Entwicklungsgesellschaft Industriegebiet Halle-Saalekreis mbH & Co. KG. Das Vorhaben gilt als das bislang größte Einzelprojekt der Stadt Halle im Rahmen des Strukturwandels – sowohl in Bezug auf die finanzielle Dimension als auch auf die stadtplanerische Bedeutung.
Geplant ist, auf dem früheren Industriegelände moderne Ansiedlungsflächen für Unternehmen insbesondere aus den Bereichen IT, Digitalisierung und Technologie zu schaffen. Doch das Konzept geht über reine Wirtschaftsansiedlung hinaus: Vorgesehen sind auch Wohnmöglichkeiten, Gastronomieangebote sowie Einrichtungen der Nahversorgung – eingebettet in ein städtebauliches Konzept, das Nachhaltigkeit, Mobilität und Lebensqualität verbindet.
Zahlreiche bauliche Maßnahmen werden dafür erforderlich sein. Zunächst muss das gesamte Gelände von industriellen Altlasten befreit und für die neue Nutzung vorbereitet werden. Außerdem ist eine komplexe verkehrliche Erschließung vorgesehen: Zwei Brücken sollen gebaut werden – eine im Süden des Areals zur Anbindung an die Bundesstraße 6, primär für den Kfz-Verkehr, sowie eine weitere Brücke im Westen, die Radfahrern und Fußgängern den Zugang über die Raffineriestraße ermöglichen wird. Ergänzt wird das Erschließungskonzept durch einen geplanten Fußgängertunnel, der das Gelände direkt mit dem Hauptbahnhof verbinden soll – ein entscheidender Standortvorteil angesichts der hervorragenden ICE-Anbindung Halles.
Darüber hinaus ist auch der Rückbau bzw. die Umverlegung der noch vorhandenen Bahnanlagen Bestandteil der Entwicklungspläne. Nach Abschluss der vorbereitenden Arbeiten sollen die neu geschaffenen Ansiedlungsflächen schrittweise an private Investoren veräußert werden. Diese werden für die konkrete Bebauung und Ansiedlung zuständig sein. Die Stadt Halle rechnet damit, dass sich innerhalb von zehn Jahren nach Fertigstellung des Geländes bis zu 1.500 Arbeitsplätze ansiedeln lassen – ein gewaltiger wirtschaftlicher Impuls für die gesamte Region.

Ein Forschungszentrum für nachhaltige Materialien und Energie
Parallel zum Umbau des RAW-Areals fließt der zweite Teil der Fördersumme – 70 Millionen Euro, davon 63 Millionen Euro Förderung – in ein weiteres zentrales Zukunftsprojekt: den Bau des „Center for Sustainable Materials and Energy“ (CSME) auf dem Weinberg Campus. Träger des Projekts ist die TGZ Halle GmbH (Technologie- und Gründerzentrum Halle), die mit dem neuen Forschungsgebäude hochmoderne Bedingungen für technologieorientierte Start-ups und junge Unternehmen schaffen will. Diese sollen sich mit zukunftsweisenden Themen wie biobasierten Materialien, erneuerbaren Energien sowie der Erzeugung und Speicherung von grünem Wasserstoff beschäftigen.
Das CSME wird als sechsgeschossiges Gebäude mit rund 4.900 m² Nutzfläche geplant. Vorgesehen sind 34 Labore, 30 Büros, mehrere Co-Working-Spaces, Besprechungsräume sowie Sozial- und Gemeinschaftsbereiche. Der Neubau ist Teil einer übergeordneten Strategie zur Weiterentwicklung des Weinberg Campus zu einem leistungsstarken Wissenschafts- und Innovationsstandort von überregionaler Bedeutung. Neben dem CSME entstehen dort nahezu zeitgleich zwei weitere Gründerzentren, die das wachsende Ökosystem aus Wissenschaft, Start-ups und Technologieunternehmen stärken sollen.
Stimmen aus der Politik: Strukturwandel mit Substanz
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hob bei der Übergabe hervor, dass in dieser Legislaturperiode noch kein anderer Empfänger eine vergleichbare Fördersumme erhalten habe. Er betonte, dass die Region Halle trotz geographischer Distanz zur Braunkohleförderung fest zum Kohleausstiegsgebiet zähle. Die industrielle Entwicklung der Stadt sei maßgeblich durch die Kohle ermöglicht worden, und als Oberzentrum sei Halle ein Nukleus für die wirtschaftliche Dynamik des gesamten Südens Sachsen-Anhalts.
„Wichtig ist, dass wir in neuen Bereichen neue Arbeitsplätze schaffen“, erklärte Haseloff. Dabei handle es sich nicht um kurzfristige Initiativen, sondern um langfristige Investitionen, die sich dauerhaft positiv auf die Region auswirken werden. Die Projekte auf dem RAW-Gelände und dem Weinberg Campus seien für ihn zentrale Bausteine eines nachhaltigen Strukturwandels – und damit Teil einer übergeordneten Strategie, den wirtschaftlichen Wandel der Region aktiv und zukunftsfähig zu gestalten.
Auch Halles Oberbürgermeister Dr. Alexander Vogt zeigte sich erfreut und sprach von einem „Glücksmoment“ für die Stadt. Viele Kommunen in Deutschland würden sich solch eine Fördersumme wünschen – „und wir haben sie tatsächlich“, sagte er. Besonders wichtig sei für ihn die Entwicklung des RAW-Geländes, das bislang eine „unschöne Seite unserer schönen Stadt“ darstelle. Diese solle nun nicht nur städtebaulich, sondern auch wirtschaftlich aufgewertet werden.
Vogt betonte, dass ohne eine breit angelegte Förderkulisse solche Projekte kaum zu realisieren wären. Die Bedeutung gehe weit über die Stadtgrenzen hinaus – sowohl das neue Stadtquartier als auch das CSME hätten das Potenzial, die gesamte Region wirtschaftlich zu stärken. Besonders am Herzen liegt ihm der Weinberg Campus, den er als „Leuchtturm für universitäre und außeruniversitäre Forschung“ bezeichnete. Bereits heute seien dort hochbezahlte Jobs für Forscherinnen und Forscher aus aller Welt entstanden – ein greifbarer Beweis dafür, dass Technologie und Wissenschaft echte Triebkräfte des Strukturwandels seien.
Vogt kritisierte in diesem Zusammenhang eine zu einseitige Ausrichtung auf kulturelle Förderprojekte wie Museen im Strukturwandel. „Museen sind wichtig – aber sie können keinen Strukturwandel im wirtschaftlichen Sinne herbeiführen“, sagte er. Es gehe um Arbeitsplätze, Innovation und internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Nur über entsprechende Fördermittel lassen sich solche Investitionen stemmen. Städtebauliche Missstände können so behoben werden. Auch wenn es Steuergeld kostet – der Effekt wird für die Stadt positiv sein, wenn dann die privaten Investoren für weitere Entwicklungen und Arbeitsplätze sorgen – sehr gut!
Das Zukunftszentrum hätte super aufs Gelände vom alten Schlachthof gepasst .
Ja, die blöde Sache mit dem Privateigentum…
Kai, da bin ich ganz deiner Meinung. Aber wenn man das Zukunftszentrum an die Stelle des alten Schlachthofes hinsetzen würde müsste man schnellstmöglich einen anderen Grund finden um den Riebeckplatz umzugestalten, damit über mehrere Jahre Verkehrschaos entstehen kann.
Das Verkehrschaos wird Jahrzehnte lang dauern. In zwanzig oder dreißig Jahren wird man sich Stück für Stück an die im Stau stecken gebliebenen Autofahrer herangearbeitet haben, die dort inzwischen in zweiter Generation von Schnecken und Regenwasser gerettet überdauert haben. Was sich da für Generationsdramen abspielen werden mag man sich kaum vorstellen…
Das Verkehrschaos existiert da schon seit 1991. Wird zeit, dass das mal grundlegend angegangen und der Platz vom Verkehr weitgehend befreit wird.
Was war vor 1991? Verkehrsberuhigte Zone?
Sag mir, wie alt du bist, ohne zu sagen….
Du willst also die Zukunft abschlachten?
Ich habe nochmal nachgeschaut. Nein, das Wort „Zukunftszentrum“ kommt im Artikel gar nicht vor.
Löst es etwa schon Psychosen aus?
Wird der Besitzer wohl anders sehen!
Der OB lächelt in die richtige Kamera. Der MP sieht so begeistert aus, wie er ist.
Alle außer dem OB schauen woanders hin. Vielleicht gab es nicht nur eine Kamera. Könnte ja sein.
Man liest nur von Vorteilen, die Fördermittel haben. Dabei gibt es ebenso viele Nachteile.
Das stimmt. Die Fördermittel gibt es nur gegen entsprechende Auflagen, die mitunter recht negativ für ein Projekt sein können.
Vor etlichen Jahren gab es in Halle mal ein Vorhaben, dass von der EU finanziell gefördert werden sollte. Als sich dann herausstellte, dass die Erfüllung der Auflagen das Ganze für die Stadt stark verteuern würde, ließ man davon ab.
Wie heißt es so schön: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Das trifft gerade für Fördermittel zu.
Was waren es denn für Auflagen, die man für die BAFA subventionierte Klimaanlage erfüllen muss?
Selbst wenn die Fördermittel auch Nachteile haben … warum sind die Forteile dann Lügen?
… und welche Nachteile von Fördermitteln zur Neugestaltung des brachliegenden RAW-Geländes soll es konkret geben?
Erleuchte uns!
Als wenn diese letzten Reste von beton und Steinen nochwas mit vergangener Industriegeschichte zu tun hätten. Und die Brände der letzten Jahre haben den Rest erledigt.