7. Nacht der Migranten: auf interkultureller Tour durch Halle

Menschen aus 142 verschiedenen Nationen leben in Halle (Saale). Einige der Akteure konnte man am Samstagabend bei der mittlerweile 7. Nacht der Migrantenorganisationen kennenlernen. Auf einer Bustour durch die Stadt ging es zu verschiedenen Vereinen und Organisationen, vier Busse wurden dafür bei der HAVAG gechartert.
Los ging es in der Armenischen Gemeinde in der Alfred-Reinhardt-Straße in Halle-Ammendorf. Dort hat die Armenische Kirche sogar eine eigene Kirche, die einzige in ganz Deutschland. 2009 wurde das von der katholischen Kirche aufgegebene Gotteshaus neu geweiht. Und gleich an der ersten Station wurde das Anliegen der Nacht der Migrantenorganisationen umgesetzt: einander kennenlernen. Deutsche und Migranten waren unterwegs, ebenso wie Christian, Muslime, Juden oder Atheisten. Besucher erfuhren, dass die Armenische Kirche mit ihrem Oberhaupt Katholikus im Jahr 301 nach Christus die erste christliche Kirche der Welt war. Frauen müssen im Gottesdienst ein Kopftuch tragen, Männer dagegen dürfen keine Kopfbedeckung tragen. Man habe zu allen christlichen Kirchen gute Beziehungen, hieß es, auch zu Russland. Etwa 50 Familien zählt die Armenische Gemeinde in Halle. Die Taufe ist für sie sehr wichtig, am achten Tag nach der Geburt findet diese statt. Eine Konfirmation gibt es in der Armenischen Kirche nicht. Erinnert wurde auch an die dunklen Zeiten, explizit der Völkermord in der Türkei. Kürzlich hatte eine Resolution im Bundestag diesbezüglich für Verstimmungen zwischen Deutschland und der Türkei gesorgt. Hunderttausende von ihnen fielen in den Jahren 1915 und 1916 den Mördern aus dem Osmanischen Reich zum Opfer. Die damaligen Ereignisse belasten immer noch das Verhältnis zwischen der Türkei und Armenien. Seit 2009 haben Sachsen-Anhalt und Armenien enge Kontakte. Hallesche Schulen haben auch bereits Schüleraustausche durchgeführt. In Halle, am Hansering, steht zudem ein Gedenkstein für die Opfer des Völkermords an den Armeniern, ein sogenannter Kreuzstein.
Die zweite Station des Abends war „Am Treff“ in Halle-Neustadt. Hier haben die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland sowie der Förderverein der Deutschen aus Russland – Sachsen-Anhalt e. V. ihren Sitz. 70 Familien engagieren sich hier. Die Vorsitzende Olga Ebert berichtete, dass man sich auch um Integrationsprojekte kümmere. Dazu gehört das Projekt „Angekommen, Angenommen“. 200 Migranten wurden hier bereits betreut, damit diese den deutschen Alltag besser kennenlernen. Auch eine Sprachwerkstatt hat die Landsmannschaft ins Leben gerufen, um eine Verbindung zwischen Handwerk und Sprache herzustellen. Seit der vergangenen Woche gibt es zudem ein Projekt, in dem Frauen Kleidung nähen. Auch russische Folklore wurde dargeboten, dabei durfte natürlich auch „Kalinka“ nicht fehlen. Außerdem wurden russische Süßigkeiten gereicht.
Auch die Arabische Oase stellte sich vor. Die 2010 gegründete Initiative will insbesondere den Dialog zwischen der arabischen Welt und Europa fördern. 20 Menschen engagieren sich hier ehrenamtlich. Ausgezeichnet wurde die Initiative bereits mit dem Bürgerpreis „Der Esel der auf Rosen geht.“ Zur Nacht der Migrantenorganisationen durfte arabischer Kaffee nicht fehlen. Außerdem wurden arabische Tänze gezeigt. Zwar fing es an zu regnen, doch davon ließen sich die Tänzer nicht stören. Die Arabische Oase ist auch bei vielen städtischen Veranstaltungen, so beim Laternenfest, zu erleben.
Am Niedersachsenplatz in Halle-Neustadt gibt es das Slawia-Kulturzentrum. Dort servierten die Vereinsmitglieder selbst gebackenen Kuchen, außerdem gab es Kirschsaft. Der Deutsch-Mongolische Verein „Gobi“ präsentierte auf der Wiese davor mongolisches Bogenschießen. Und auch ein Zelt war aufgebaut. Auch der SV Wostock war vertreten. Der Verein kümmert sich vor allem um Integration durch Sport. Zudem konnten Besucher einen Blick in den Zen-Garten werfen. Dort gibt es Buddhistische Meditation in der Tradition des japanischen Rinzai-Zen.
1993 hat sich die Islamische Gemeinde in Halle gebildet. Dorthin führte die nächste Station des Abends. Am Meeresbrunnen hat das Islamische Kulturcenter seinen Sitz. Ein Gebäude, das die Gemeinde aus den Spenden ihrer Mitglieder erworben hat. Zuvor gab es einen Gebetsraum in der Scheibe A, später dann in der Fleischerstraße. Etwa 110 Mitglieder hat der Verein, sagt der Vorsitzende Djamel Amelal. Zum Freitagsgebet, das Pflicht für alle Männer ist, kommen etwa 1.000 Menschen. Ein Teil der Gläubigen betet dabei auf der Wiese vor dem Kulturcenter, weil die Räumlichkeiten nicht ausreichen. Laut Amelal suche man bereits nach einem anderen Standort, erhalte dabei Unterstützung vor der Stadt. Während in den meisten Städten jede islamische Volksgruppe unter sich bleibt, treffen sich in Halle alle beim Islamischen Kulturcenter, egal ob Kurden, Türken, Syrer, Algerier oder Nigerianer. Mit 95 Prozent sind die meisten Gläubigen Sunniten. Im Gebetsraum gebe es keine Bilder, um die Betenden nicht abzulenken. Neben dem Blick in die Gebetsräume gab es auch Köstlichkeiten aus dem arabischen Raum.
Seinen Abschluss fand die Nacht der Migranten beim Deutsch-Vietnamesischen Kulturverein Sachsen-Anhalt. Der hat sich erst im Frühjahr 2014 gegründet und mittlerweile schon mehr als 400 Mitglieder. Auch hier wurden den Gästen für das Land typische Gerichte gereicht. Auch Tanzeinlagen gab es.
32 Migrantenvereine gibt es in Halle, 27 davon sind im Bündnis für Migrantenorganisationen Mitglied, das diese spezielle Nacht präsentiert hat. Bis zur Flüchtlingskrise waren die Vietnamesen die größte Gruppe an Migranten in Halle. Dieses Verhältnis hat sich im vergangenen Jahr drastisch geändert. Inzwischen stammt die größte Gruppe der Ausländer in Halle aus Syrien. Auf Platz 2 folgen die Rumänen. Mit 11,5 Prozent hat Halle-Neustadt den höchsten Ausländeranteil in Halle.
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