Bundesregierung beschließt Reform der Straßenverkehrsordnung (StVO) – kein flächenhaftes Tempo 30 in Städten
Die Bundesregierung hat den Entwurf eines geänderten Straßenverkehrsgesetzes beschlossen. Abschließend muss der Bundesrat entscheiden. Durch die Änderungen sollen neben Sicherheit und Flüssigkeit des Straßenverkehrs auch Ziele wie Klima- und Umweltschutz, Gesundheitsschutz und städtebauliche Entwicklung im Gesetz fixiert werden. Ein flächendeckendes Tempo 30 innerorts, auch die Stadt Halle (Saale) ist in einer entsprechenden Initiative Mitglied, wird es nicht geben. Die Anordnung einer Tempo-30-Zone dürfe nicht zu Beeinträchtigungen von Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs führen. Geschwindigkeitsbegrenzungen könnten die Leichtigkeit des Verkehrs einschränken, sagt Verkehrsminister Volker Wissing. Es müsse sichergestellt werden, dass der Verkehr fließt und Waren in Geschäften ankommen.
Kommunen können Sonderfahrspuren für bestimmte klimafreundliche Mobilitätsformen auf Erprobungsbasis, etwa für elektrisch oder mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge oder mit mehreren Personen besetzte Fahrzeuge, anordnen. Auch sollen die Behörden vor Ort mehr Flexibilität bei der Anordnung von Bewohnerparken einräumen.
Dazu erklärte der Präsident der Handwerkskammer Halle, Thomas Keindorf: „Die zusätzlichen Ziele sind als politische Ziele nachvollziehbar. Es fällt jedoch deren Einseitigkeit auf. Denn Verkehr ist ja kein Selbstzweck, sondern hat auch das Ziel, die Bevölkerung mit Waren und Dienstleistungen zu versorgen. Deshalb plädieren wir für eine Aufnahme auch dieses Ziels in den Gesetzentwurf.“
Thomas Keindorf wies ferner darauf hin, dass eine Abwägung zwischen Sicherheit im Straßenverkehr und anderen Zielen verhindert werden müsse. „Es darf keine Herunterstufung bzw. Relativierung der Sicherheit im Straßenverkehr durch andere Ziele geben“, sagte er. Die Sicherheitsaspekte nur zu „berücksichtigen“, wie es im Gesetzentwurf derzeit steht, reiche nicht aus.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert den ihr vorliegenden Referentenentwurf von FDP-Verkehrsminister Wissing zur Reform der Straßenverkehrsordnung (StVO) als geplanten Verstoß gegen den Koalitionsvertrag. Nachdem die letzten Tage bereits über den Entwurf des Straßenverkehrsgesetzes diskutiert wurde, entpuppt sich nun auch der Entwurf der StVO als Nebelkerze. Abgesehen von geringfügigen Erleichterungen bei der Einrichtung von Fußgängerüberwegen und Busspuren soll mit dieser Neufassung der StVO die Dominanz des Autos in unseren Städten festgeschrieben werden: Die groß angekündigten Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung sollen nur für bestimmte Maßnahmen gelten und nur, wenn der Autoverkehr nicht eingeschränkt wird. Auch die angekündigten Vereinfachungen zur Einführung der Parkraumbewirtschaftung gelten nur, sofern die Leichtigkeit des Verkehrs nicht eingeschränkt wird. Damit widerspricht der StVO-Entwurf sowohl den Vorgaben des Koalitionsvertrags als auch den Notwendigkeiten, endlich eine nachhaltige und klimafreundliche Mobilität zu erzielen. Widersprüchliche Interpretationen und gerichtliche Auseinandersetzungen sind vorprogrammiert. Damit wird die Mobilitätswende auf Jahre ausgebremst.
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Eine wirkliche Reform des Straßenverkehrsrechts ist nicht vorgesehen. Keine Regelgeschwindigkeit Tempo 30, keine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung, keine Vereinfachungen bei der Einführung von Einbahnstraßen und Durchfahrtssperren. Stattdessen immer mehr Ausnahmen und immer mehr Flickwerk. Setzt sich der Siegeszug von Porsche-Minister Wissing nun auch bei der Straßenverkehrsordnung fort? Ein Minister, der Tempo 30 als Freiheitseinschränkung bezeichnet beweist, dass ihm die Sicherheit von Kindern, Fahrradfahrerinnen und Rollstuhlfahrern egal ist.“
Zwar sieht der Gesetzesentwurf einige Verbesserungen für die Anordnung von Radwegen, Zebrastreifen und Busspuren vor, jedoch muss immer auch die Leichtigkeit des Autoverkehrs berücksichtigt werden. Diese schwammigen Regelungen werden die nächsten Jahre zahlreiche Gerichte beschäftigen. Die DUH hebt insbesondere folgende Kritikpunkte am aktuellen Entwurf zur StVO hervor:
- Weiteres Stückwerk: Die neuen Möglichkeiten für Tempo 30 beziehen sich nur auf kurze Streckenabschnitte und Straßen vor Zebrastreifen und Spielplätzen sowie an „hochfrequentierten Schulwegen“ anstatt Regelgeschwindigkeit Tempo 30 einzuführen.
- Kleinere Gemeinden können straßenverkehrsrechtliche Anordnungen wie Radwege oder Tempo-30-Zonen nicht selbst bestimmen, sondern lediglich beantragen – ein riesiger Bürokratie-Aufwand.
- Keine Einführung der flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung.
- Die Anordnung aus Umwelt- oder Klimagründen gilt nur für klar definierte Maßnahmen wie Radwege und Busspuren, nicht für Durchfahrtssperren oder Einbahnstraßen. Wohngebiete ohne Durchgangsverkehr lassen sich so nicht realisieren.
- §45 Absatz 9 Satz 1 StVO bleibt unangetastet: Für jede Anordnung von Radwegen, Busspuren und Zebrastreifen bleibt nach wie vor die Darlegung einer Gefahrenlage notwendig. Das ist unnötige Bürokratie für personell und finanziell knappe Kommunen.
- Busspuren sollen zukünftig durch die Freigabe für unterschiedliche Mobilitätsformen entwertet und der Busverkehr ausgebremst werden
Robin Kulpa, Stellvertretender Leiter Verkehr und Luftreinhaltung ergänzt: „Beschränkungen des fließenden Autoverkehrs sind nur möglich, wenn eine nachgewiesene Gefahrenlage besteht. Anstatt diese aus der Zeit gefallene Regel aufzuheben, werden noch mehr Ausnahmen eingeführt. Jetzt gibt es schon zehn verschiedene Ausnahmen von einer Regel, die einfach abgeschafft werden könnte. Das ist kein großer Wurf, sondern unübersichtliches Flickwerk.“
„Es müsse sichergestellt werden, dass der Verkehr fließt und Waren in Geschäften ankommen.“
Es müssen auch Menschen von A nach B kommen, sogar solche, die zur Arbeit fahren oder ihre Kinder zur Kita bringen.
„der Verkehr“
Wer glaubst du, ist damit gemeint? (Tipp: überlegen, wer Fahrzeuge bedient)
Von A nach B kommt man auch mit 30. Sicherer und – aller unwissenschaftlicher Lobbypropaganda zum Trotz – meist sogar schneller, weil dann auf viele Ampeln und Vorfahrtsregelungen verzichtet werden kann. Aber das wird wohl noch mindestens eine Generation dauern, bis sich die längst und oft nachgewiesenen Fakten überall durchgesetzt haben.
Wenn man dann noch überlegt, wie viel sicherer es für Kinder wäre…..
Auf Vorfahrtsregeln zu verzichten halte ich für gewagt, auch mit „nur“ 30 😉
Regeln vs. Regelungen
Regeln gelten, Regelungen werden (darüber hinaus) angeordnet. Schilder, Ampeln, Markierungen – davon sind genug Mitbürger überfordert. Nicht wenige „übersehen“ sogar Straßenbahnen und Lkw.
Aber „rechts vor links“ bekommen die meisten gerade noch so hin.
„Aber „rechts vor links“ bekommen die meisten gerade noch so hin.“
Aber nicht, wenn an allen Straßen einer Kreuzung gleichzeitig Autos ankommen.
Doch, selbst dann.
Ach so? Obwohl alle gleichberechtigt sind? Deine Praxiserfahrung oder einfach nur herbeigewünscht?
omg
Das ist richtig und bei diesen Regeln, wie sie jetzt weiter zementiert werden, werden diese Leute weiterhin primär das Auto dafür nutzen.
Wenn man lebenswerte Städte für Kitakinder und arbeitende Bevölkerung möchte, muss mehr ehrlich sein, Autos machen Städte weniger lebenswert .. außer man fährt gerade eins.
Gäbe es bessere / sicherere / billigere Möglichkeiten, diese Wege sinnvoll mit dem Rad, dem E-Bike, dem E-Tretroller, zu Fuß, mit Bus oder Bahn zu bewältigen, so dass es nicht mehr die beste Entscheidung ist, mit dem Auto zu fahren, dann wäre das Leben für alle gemeinsam besser.
Es wird immer lieferverkehr brauchen, Gebrechliche, Handwerker .. alles klar, wird man immer brauchen. Aber für alleine oder mit einem Kind irgendwohin wollen, das bräuchte kein Auto, wenn die Regeln andere wären.
Absolut. Und wenn man die Kinder zur Schule bringt, wäre es prima, wenn die Kreuzungen frei wären, sodass kinder früher selbstständig unterwegs sein könne, und es nicht eltern gäbe, die meinten sie dürften im absoluten Halteverbot vor der Schule parken, wenn sie zusätzlich auch noch regelwidrig auf dem Gehweg parken. Und dann immer schön die gleiche (von parkenden Autos auf eine Spur verengte) Straße zurück fahren, um mit ein paar wenigen Autos verkehrchaos zu erzeugen anstatt die Einbahnstraße zum stressfreiem weiterfahren zu nutzen. Und auf dem Weg zur Arbeit ist auch äußerst vorteilhaft, wenn man nicht totgefahren wird.
Die Stelle des sogenannten Verkehrsministers ist seit vielen Jahren völlig fehlbesetzt. Das müsste zuerst geändert werden.
Wen hätten Sie denn gerne als VerkehrsministerIn?
Chrupalla oder Weidel, Spahn oder Merz, Wissler oder Schirdewan?
Zumindest keinen, der von der Autoindustrie und Autolobby gesteuert wird.
Gibts das?
Ich hätte gern Herrn Hofreiter.
Was ist denn hier los? Noch keine Kommentare vom Zahlensalat und dem glorreichen „Bürger“? Überlegen die noch und wischen sich den Schaum vorm Mund?
Bei solchen Gesetzen werden bundesweit 25% für die AfD immer realistischer. Hat also auch was positives…
Das würde zureffen wenn Tempo 30 in der Stadt und Tempo 100 auf Autobahnen kommt.
Die AfD als positiv zu bezeichnen ist schon gewagt bzw. zeugt von wenig Kenntnis deren Programms.
Wäre vielleicht angebracht, Deine wenigen Kenntnisse evtl. mal in Waage zu stellen.Sollte Dir weiterhelfen, anstatt weiterhin mit Scheuklappen durch die Botanik zu rammeln.
Tempo 30 für Autos und Tempo 10 für Radfahrer…dann sind alle save
Die StVO ist seit der sprachlichen Umwidmung von Fußgänger in „Zu Fuß Gehender“ und Radfahrer in „Rad Fahrender“ ein Musterbeispiel für ideologiegetriebene geistige Komplettverblödung. Warum soll der Änderungsschwachsinn vor Inhalten Halt machen.
In der aktuell gültigen StVO ist „Rad Fahrender“ nicht zu finden. Dafür ist §25 nach wie vor mit „Fußgänger“ überschrieben.
Was mache ICH falsch?
Könnte es sein, dass Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH und 10010110 ein und dieselbe Person sind. Die Vorwürfe in den Statements des Artikels deuten sehr darauf hin. 🙂
Ich hätte es gut gefunden, wenn man der allgegenwärtigen Raserei auf Autobahnen mittels eines Tempolimits von 130 ein Ende gesetzt hätte. Über Tempo 30 auf gut einsehbaren breiten städtischen Hauptstraßen kann man sich streiten. Da wären konsequente Geschwindigkeitskontrollen der bestehenden 50 km/h zielführender.
Tempo 30 soll nocht flächendeckend werden, wie im Artikel beschrieben, sondern zum Regelfall. Man soll also die Ausnahme (Tempo 50 auf der Hauptstraße) begründen und nicht Tempo 30.
In Deutschland darf man die fetten Kisten doch nicht ausbremsen!