Designpreis 2017 verliehen
Das ehemalige Gebäude der Physikalischen Chemie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg an der Mühlpforte wird für ein paar Tage wiederbelebt. Dort sind bis 11. Juni die Nominierten und Preisträger des Designpreises 2017 zu sehen. Der Internationale Designpreis wurde am Dienstagabend verliehen. Felix Vorreiter erhält für FLUX 1440 den mit 5.000 Euro dotierten ersten Preis. Der zweite Preis, dotiert mit 3.000 Euro, geht an Axel Schindlbeck für die Einreichung Albert Clock. Den mit 2.000 Euro dotierten dritten Preis erhält Charlotte Lengersdorf für ihren Entwurf agil. Geöffnet ist Montag bis Freitag von 14 bis 19 Uhr sowie am Wochenende von 10 bis 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Für den Designpreis Halle 2017 erhielten die Organisatoren insgesamt 375 Beiträge, so viele wie nie zuvor. Gestalterinnen und Gestalter aus 31 Ländern beteiligten sich, darunter aus Belgien, Frankreich, dem Iran, aus Israel, Kuba, Mexiko, den Niederlanden, aus Russland und den Vereinigten Staaten. Für die noch bis zum 11. Juni 2017 gezeigte Ausstellung nominierte eine Fachjury unter dem Vorsitz des Journalisten und Kritikers Thomas Edelmann im Vorfeld fünfzehn herausragende Werke, aus deren Mitte die Preisträgerarbeiten ausgezeichnet wurden.
Der alle drei Jahre vergebene und zum vierten Mal durchgeführte Wettbewerb wird durch den Designpreis Halle (Saale) e.V. ausgelobt. Ziel ist es, das Bewusstsein für exzellentes Design zu schärfen, jungen Designern einen Anreiz zu bieten, sich einem interessierten Publikum zu präsentieren und zudem zwischen Wirtschaft und Design zu vermitteln. Der Preis ist dabei auch ein Bekenntnis zur Stadt und macht diese als Standort einer vielfältigen innovativen Wirtschaft und Forschung sichtbar.
Erster Preis: FLUX 1440 von Felix Vorreiter
FLUX 1440 ist eine Uhr, deren Display die Uhrzeit durch Markierungen auf einem Band temporär sichtbar macht. Im Sekundentakt wird das laufende Band ein Stück weiter durch das Display gezogen. Einmal pro Minute sind die darauf platzierten Farbcodierungen für drei Sekunden so positioniert, dass aus dem Chaos der Markierungen die Uhrzeit ablesbar ist. Die Zeit wird physisch erfassbar durch die für einen Tag enorme Bandlänge von 1,2 Kilometern. Zugleich wird sie psychisch spürbar, weil eine Minute lang auf das Erscheinen der aktuellen Uhrzeit gewartet werden muss. Der Kommunikationsdesigner und Medienkünstler Felix Vorreiter (*1978) aus Karlsruhe beeindruckte die Jury mit seiner mechanisch-optischen Apparatur, die den Zeitverlauf in ein codiertes textiles Endlosband verwandelt. Vorreiter bindet handwerkliche Aspekte ebenso in sein Projekt ein, wie die filmische Darstellung. Schließlich spannt er sein über ein Kilometer langes Zeitband im Raum auf und schafft architektonische Bezüge. Sein Projekt spielt mit Präzision und Chaos und ironisiert unseren Blick auf die objektive Zeitdarstellung.
Zweiter Preis: Albert Clock von Axel Schindlbeck
Im Gegensatz zu normalen Uhren wird bei der Albert Clock von Axel Schindlbeck (*1981) die Uhrzeit nicht unmittelbar angezeigt. Es müssen kleine Rechenaufgaben gelöst werden, um die korrekten Stunden und Minuten zu ermitteln. Für die Berechnung der Uhrzeit kann der Nutzer zudem zwischen verschiedenen Schwierigkeitsstufen und Wechselfrequenzen wählen.
Die Jury des Designpreis Halle 2017 würdigt die Albert Clock, da sie ein ebenso humorvolles wie intelligentes Objekt ist, welches unserer Aufmerksamkeit bedarf. Der selbständige Produktdesigner aus Marseille Schindlbeck schuf eine digitale Wand- oder Tischuhr, die dazu anregt, sich die aktuelle Uhrzeit selbst zu errechnen. Die Albert Clock fordert uns heraus, stellt uns vor Aufgaben. So gesehen nimmt sich die Uhr selbst Zeit, den aktuellen Zeitpunkt preiszugeben, was angesichts unserer immer „schnelleren Zeit” der Entschleunigung dienen kann. Dabei ist die Uhr nicht einfach eine simple Rechenkiste, sondern ein bis in die typografischen Details der Zifferndarstellung durchdachtes Objekt, das von einem Start-up unter Beteiligung des Designers produziert wird.
Dritter Preis: agil – entwurf einer interaktiven schrift von Charlotte Lengersdorf
Die Schrift agil von Charlotte Lengersdorf (*1992) zeigt die Entwicklung von statischen Buchstaben zu agilen, dynamischen Formen. Inspiriert von analoger Schrift, reagiert die agil interaktiv und wirkt mit zunehmender Schreibgeschwindigkeit abstrakter. Sie basiert auf der Analyse der Veränderungen einer Handschrift, die in verschiedenen Geschwindigkeitsphasen des Schreibvorgangs zu beobachten sind. Der mechanische Prozess des Tippens wird individualisiert – der Mensch als ein sich durch die Zeit bewegendes Individuum erkennbar.
Die Master-Studentin für Visual Communication und Graphic Design am Londoner Royal College of Art überzeugte die Jury mit ihrer digitalen Schrift, bei der Geschwindigkeit Differenz erzeugt. Auch bei Lengersdorfs Projekt spielt Interaktion eine wesentliche Rolle. Die seit den Zeiten der beweglichen Letter von Johannes Gutenberg statische Schrift kommt in Bewegung – schreibt man schnell genug, scheint sie in einen handschriftlichen Fluss zu geraten. agil beleuchtet eine bislang vernachlässigte Dimension der Schriftgestaltung.
Nominierte
Neben den Arbeiten der Preisträger sind in der Ausstellung auch die Arbeiten folgender Designerinnen und Designer vertreten:
María Marín de Buen aus Mexico City – Alternative Temporalities, Exploring the Visualization of Time
Kuesti Fraun aus Düsseldorf – BEN
Moritz Jähde aus Karlsruhe – Kalender mit speziellem Mechanismus
Isabel Cristina Gutierrez Jimenez aus Camagüey, Kuba – Void
Clemens Lauer und Max Guderian aus Karlsruhe – Zeitanzeige
Patrick Palčić aus Berlin – Es liegt was in der Luft
Martin Pless aus Halle (Saale) – LONDON BERLIN TOKYO
Lisa Marie Quester aus Halle (Saale) – 1059
Klemens Schillinger aus Wien – Element 79 – Aurum charts
Stefan Troendle aus München – RaumZeit
Bernhard Wilke aus Reutlingen – 30758400
Jan-Dirk Wolken aus Hamm – Gedenkschale aus Naturstein
Die Werke haben unter anderem Veränderungen in der Art und Qualität von Zeitmessung und -darstellung zum Thema. Doch auch das Aufhalten, Bewahren, Erinnern und Überformen der Gegenwart spielt vielfach eine Rolle. Wichtige Impulse stammen von künstlerischen Herangehensweisen, ebenso sind gestalterische Ideen aus dem Handwerk oder Film unter den Finalisten vertreten. Bei den höchst gegensätzlichen Entwürfen entstanden sowohl pragmatische Lösungen spezifischer Fragestellungen wie weitreichende poetische Vorschläge – oder gar die Mischung aus beidem.
Fachjury
In nahezu unveränderter Zusammensetzung begleitete eine Jury aus bekannten Designfachleuten den Wettbewerb: Tulga Beyerle ist Direktorin des Kunstgewerbemuseums Dresden. Der Unternehmer Nils Holger Moormann führt das bekannte, gleichnamige Möbelunternehmen. Ein besonderes Schwergewicht bilden Hochschullehrer: Prof. Volker Albus lehrt an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, Prof. Axel Kufus an der Universität der Künste in Berlin. An der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle lehren Prof. Axel Müller-Schöll und Kurator Prof. Vincenz Warnke. Den Kritiker und freien Journalisten Thomas Edelmann aus Hamburg wählte die Jury wie bereits 2014 zu ihrem Vorsitzenden.
„Der Designpreis Halle ist zu einem wichtigen Botschafter für das moderne und kreative Sachsen-Anhalt geworden. Er macht Sachsen-Anhalt als attraktiven und renommierten Designstandort international bekannt und setzt ein deutliches Zeichen für die Innovationskraft der Region. Modernes Design und Sachsen-Anhalt passen sehr gut zusammen“ Das sagte Staats- und Kulturminister Rainer Robra heute in Halle. Dort nahm er im Historischen Gebäude der Physikalischen Chemie der Universität Halle-Wittenberg an der Verleihung des Designpreises Halle 2017 teil. In seinem Grußwort hob Robra die Bedeutung der regionalen Kreativwirtschaft hervor. Er erinnerte exemplarisch an das Designhaus Halle und die mittlerweile dort ansässigen 35 Start-ups mit 45 Gründern. Mit Blick auf den Designpreis Halle betonte Robra dessen große Wirkung und Resonanz. Robra: „Der Designpreis Halle bietet, erstens, eine exzellente Plattform für einen interdisziplinären Austausch. Er vermittelt, zweitens, zwischen Wirtschaft und Design. Und er bietet, drittens, für junge Designerinnen und Designern einen Anreiz, sich mit ihren Arbeiten einem breiteren und fachkundigen Publikum zu präsentieren.“
Hintergrund
Der Wettbewerb wurde 2007 auf Initiative des Industrie- und Marketing-Clubs Mitteldeutschland, der regionalen Wirtschaft, der Stadt Halle und der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle initiiert. Der Designpreis wird aus Landesmitteln unterstützt. Ausgelobt wird der Wettbewerb alle drei Jahre vom Designpreis Halle e.V.. Er wird gemeinsam mit dem Land Sachsen-Anhalt, der Stadt Halle, der regionalen Wirtschaft und der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle vergeben.
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