Eine Frage des Alters: Wie reagieren Menschen auf soziale Ungerechtigkeit?
Junge Erwachsene lassen sich von sozialer Ungleichheit nicht demotivieren. Obwohl die Schere zwischen Arm und Reich laut verschiedenen Erhebungen immer größer wird, glauben sie, ihren gesellschaftlichen Status verbessern zu können. Wie Menschen insgesamt abhängig von ihrem Alter auf Ungleichheit reagieren, zeigen Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) sowie der Universitäten Leipzig und Hildesheim in einer neuen Studie. Demnach reagieren mittelalte und ältere Menschen deutlich negativer auf soziale Missstände. Die Studie liefert wichtige Hinweise, da frühere Erhebungen zeigten, dass soziale Ungleichheit Menschen psychisch und auch körperlich zu schaffen macht.
Für die Arbeit, die im „International Journal of Behavioral Development“ erschienen ist, wurden drei Studien mit über 3.500 Personen ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass soziale Ungleichheit insbesondere für Erwachsene ab einem Alter von 40 Jahren zu stark negativen Gefühlen führt, wenn sich diese eher als gesellschaftlich benachteiligt wahrnehmen. „Jüngere Erwachsene lehnen soziale Ungleichheit zwar eher ab, empfinden sie aber emotional weniger belastend“, sagt der Entwicklungspsychologe Dr. David Weiss von der MLU.
Auf den ersten Blick scheinen die Ergebnisse ein gängiges Bild zu bestätigen: Jüngere Menschen sind naiver und glauben, ihnen stehen viele Türen in Zukunft offen. Sie fühlen sich daher durch zunehmende soziale Ungleichheit wenig bedroht. Mit zunehmendem Alter realisieren Personen aber dann, dass ihr Platz in der Gesellschaft immer weniger veränderbar ist, was soziale Ungleichheit für sie bedrohlicher werden lässt. Doch so einfach ist es nicht, wie Weiss erklärt: „Die Einstellungen der Menschen sind zentral, denn sie sind zugleich der Ausgangspunkt für ihr weiteres Handeln. Wenn ich daran glaube, dass mein Platz in der Gesellschaft veränderbar und nicht festgelegt ist, hat das eine Funktion: Es motiviert mich und bringt mich weiter.“ Diese Wachstumsorientierung sei zwar insbesondere im jungen Erwachsenenalter entscheidend. In dieser Lebensphase sei es besonders wichtig, „individuelle Möglichkeiten auszutesten und etablierte Strukturen zu hinterfragen“, so Weiss. Aber auch im mittleren und höheren Erwachsenalter habe eine wachstumsorientierte Einstellung Vorteile: „Dadurch gelingt es eher, negative Altersbilder und Erwartungen zu hinterfragen und Dinge zu verändern.“
Aktuellen Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zufolge ist die soziale Ungleichheit in vielen Ländern gestiegen – eine Entwicklung, die laut der Organisation vielen Menschen Sorgen bereitet. Die Ergebnisse der neuen Studie haben daher laut Weiss neben den psychologischen auch gesellschaftliche Implikationen: „Für den Zusammenhalt einer Gesellschaft und das emotionale Befinden der Bürger ist es sehr wesentlich, ausgeprägte Formen sozialer Ungleichheit zu bekämpfen.“ Transparente gesellschaftliche Strukturen und Aufstiegsmöglichkeiten wären eine wichtige Voraussetzung, damit Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht und Herkunft in einer Gesellschaft zufrieden sind und das Gefühl haben, dass die eigene soziale Stellung nicht in Stein gemeißelt ist.
Für die Erhebung analysierten die Forschenden Daten aus einer repräsentativen deutschlandweiten Umfrage mit über 2.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie aus zwei Experimenten mit knapp 1.000 Personen, in denen untersucht wurde, wie Personen auf fiktive Medienberichte zu sozialer Ungleichheit reagierten und ob sie das Gefühl hatten, ihre Position innerhalb der Gesellschaft verbessern zu können.
Studie: Weiss D., Greve W., & Kunzmann U. Responses to Social Inequality Across the Life Span: The Role of Social Status and Upward Mobility Beliefs. International Journal of Behavioral Development (2022). doi: 10.1177/01650254221089615
Die meisten abhängig Beschäftigten glauben, sie bräuchten keine Gewerkschaft. Nur 10% brauchen keine.
Schafe, die sich zum Schlächter treiben lassen.
Glaube ist alles.
Das ist nicht nur Naivität: Wenn man jung ist hat nan auch noch mehr Zeit, was zu erreichen. Mit dem Alter nehmen die Optionen ab. Übrigens gibt es in Deutschland wenig Einkommensungleichheit aber viel Vermögensungleichheit – das wird oft verwechselt. Ob diese Ungleichheit ungerecht ist, hängt vom Einzelfall ab, es gibt auch gerechte Ungleichheit (Faule gg. Fleißige etc) und ungerechte Gleichmacherei (so wird unternehmerisches Risiko und Erfindungsbasierter Reichtum höher besteuert als passives Vermögenseinkommen). Viel Vermögensungleichheit rührt neben Erbschaft und O/W-Historie auch von der Geldanlagedummheit der Deutschen ( Sparbuch u. Bausparvertrag statt ETF) und einer Politik, die Werte ins Ausland transferiert, aktuell v.a. via EZB und schwachem Euro. Aber es werden immer wieder gerne Parteien gewählt die das befördern.
so ist es…
Wenn das Umfeld stimmt, würde ich mich auch mit einer niedrigeren gesellschaftlichen Position abfinden können. Je älter man wird und je mehr negative Erfahrungen man mit Ungleichheit und Ungerechtigkeit sammeln musste umso empfindlicher wird man bei diesem Thema. Meine meinung
Wie man „Gerechtigkeit“ definiert, habe ich in dem Papier nicht finden können. Das ist auch ein großes Problem vieler Politiker und Parteien, die Gerechtigkeit einfordern, aber nicht sagen können, was überhaupt gerecht ist. Letztlich endet das fast immer in begrifflicher Doppeldeutigkeit und ist somit nur ein rhetorisches Mittel.
Das Papier definiert auch nicht Gerechtigkeit, sondern untersucht das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen. Das definiert jeder für sich anders, aber insgesamt kann man daraus ein Stimmungsbild ableiten.
Aber bei jeder solcher Studien kann man mit der passenden Formulierung der Fragen auch die Ergebnisse lenken. Dann noch die übliche Verzerrung und Vereinfachung durch die Presse und schon hat man eine tendenziöse Aussage oder Suggestion, angepaßt an die gewünschte politische Richtung.
Und wahrscheinlich kommt man so zu den Erkenntnissen, die man schon vor der Studie haben wollte und bestätigt sich Mal wieder selbst in seiner Meinung. Richtig ergebnisoffene Studien können auch Ergebnisse zutage fördern, die dem Forscher oder Auftraggeber nicht gefallen.
Die Einkommensschere in Deutschland.
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