Francke-Grundschule: Angst um Stadtsingechor und vor sozialen Spannungen
Im neuen Schuljahr geht die neue Grundschule Glaucha an den Start. In diesem Zusammenhang werden die Schulbezirke mehrerer weiterer Grundschulen angepasst. Betroffen davon sind „Hans Christian Andersen“, Wittekind, Neumarkt, „Karl Friedrich Friesen“, „August Hermann Francke“, Johannesschule, „Am Ludwigsfeld“, Diesterweg und „Ulrich von Hutten“
Die meisten Grundschulen hatten nur kleinere Anmerkungen und meldeten der Stadt keine Bedenken. Das sieht bei der Francke-Grundschule ganz anders aus. Der Schulelternrat hat sich mit einem Brief an die Stadträte im Bildungsausschuss gewendet. Und der sorgte für heftige Diskussionen. Denn die Eltern fürchten „eine stärkere soziale Entmischung“, heißt es in ihrer Stellungnahme. „Während sanierte Wohngegenden im ehemaligen nordwestlichen Einzugsbereich der neuen Glauchaschule zufließen, soll ein problematischerer Bezirk in Bahnhofsnähe von der Johannesschule an die Franckeschule gehen“, werden Sorgen geäußert, dass noch mehr Nichtdeutsche Kinder die Schule besuchen. Schon jetzt liegt der Migrantenanteil bei 40 Prozent an der Francke-Grundschule. „Schulerfolg – insbesondere von Kindern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, und Kindern aus bildungsfernen Haushalten – setzt voraus, dass die Eltern von der Schule mitgenommen werden. Gerade für diese Elternhäuser ist das aber aus unterschiedlichen Gründen herausfordernd und aufwändig. Eine weitere soziale Entmischung gefährdet die engagierte Arbeit der Lehrer, möglichst alle Kinder erfolgreich durch die Grundschule zu führen, ebenso wie die Elternarbeit von gewählten Elternvertretungen.“
Er könne die Eltern verstehen, sagte Andreas Schachtschneider (CDU). Er sei ein Verfechter einer guten Durchmischung. Es bringe nichts, Brennpunkt- oder Eliteschulen zu schaffen. Denn genau das ist die Befürchtung nicht weniger: sozial schwieriges Klientel kommt auf die Schule in den Franckeschen Stiftungen, die Kinder aus der Klaustorvorstadt oder den sanierten Bereichen des Glauchaviertels und der Innenstadt dürfen die neue Glauchaschule besuchen, dafür kommt das heruntergekommene Bahnhofsviertel dazu, bisher der Johannesschule zugeordnet. Ausschussmitglied Sven Pringal erklärte, er habe den Eindruck, dass an der Francke-Schule von den Eltern bestimmte Straßenzüge nicht gewollt seien. CDU-Stadträtin Annegret Bergner wies darauf hin, dass die Dürer-Schule beispielsweise gar keine Flüchtlingskinder besuchen würden. Deutliche Worte fand Thomas Senger (Stadtelternrat). Es rege ihn tierisch auf, „dass man versucht nachzuweisen, dass manche Kinder weniger affin für die Schule sind.“ Ein Argument „bildungsfern“ könne er nicht gelten lassen. „Das sind alles Kinder, die ein Recht haben, Bildung zu bekommen.“ In der Debatte war auch mehrfach davon die Rede, die Francke-Eltern wollen offenbar lieber eine Eliteschule und weniger sozial schwieriges Klientel.
Zu Beginn der Sitzung ergriff aber Stephanie Markert. Die MDR-Mitarbeiterin ist Vorsitzende der Elternvertretung des Stadtsingechor. „Die Entscheidung kann große Folgen haben“, mahnte sie vor einer Veränderung der Einzugsbereiche. Eine Schule müsse eine gute soziale Mischung haben. Derzeit würden Kinder von Ärzten, Hartz IV-Empfängern und Migranten die Schule besuchen, was durch die neuen Schulbezirke nicht mehr gegeben sei. „Das verdirbt die Lernatmosphäre.“ Die Schule mit ihrem Chor sorge für einen kontinuierlichen Nachschub an Sängern für den Stadtsingechor, so Markert. Das sieht sie durch die neuen Schuleinzugsbereiche gefährdet. 15 Sänger brauche man pro Jahr. „Welchen Unterschied macht es, aus welcher Straße die Sänger kommen?“, wunderte sich Denis Häder (MitBürger). Andreas Schachtschneider regte Ausnahmen bei potentiellen Sängern an. Bildungsdezernentin Katharina Brederlow sagte, eine ähnliche Regelung gebe es bereits jetzt für andere, nicht der Francke-Schule zugeordnete Bereiche. Und auch in Zukunft können Ausnahmeanträge gestellt werden. Zugleich brachte sie aber auch die neue Glauchaschule und die benachbarte Musik-Kita ins Gespräch. „Da ergeben sich neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit.“
„Als Eltern haben wir die gestrige Diskussion als problematisch und pauschalisierend wahrgenommen“, sagte die Schulelternratsvorsitzende der Francke-Grundschule, Antje Dallmann, auf Nachfrage von dubisthalle.de. „Wir sind betroffen, wenn uns offen unterstellt wird, es ginge uns um eine „Abschiebung“ und „Aussortierung“ von Kindern.“ Eine „elitäre Segregation“ sei nie die Absicht gewesen, „der Vorwurf des Elitarismus ist nicht berechtigt. Dieser Vorwurf ist für uns befremdlich, denn er widerspricht allem, wofür wir als Eltern uns einsetzen.“ Man habe Stadträte zur Besichtigung der Schule eingeladen, so Dallmann, doch sei das Interesse daran nur mäßig. „Gern hätten wir auch unsere Aktivitäten als Elternvertreter vorgestellt, die alle auch das Ziel haben, alle Kinder an unserer Schule optimal zu integrieren und ihren Lernerfolg zu sichern.“
Derzeit besuchen 271 Schüler die Grundschule „August Hermann Francke. 40 Prozent von ihnen haben einen Migrationshintergrund, 49 Kinder davon benötigen einen intensiven Deutschunterricht im Einzel- und Gruppenunterricht. Ein weiterer Teil der Schüler stamme laut Schulelternrat aus sozial relativ schwachen deutschsprachigen Elternhäusern, „die oft intensive Unterstützung durch Lehrer und Schulleitung benötigen. Bei neun weiteren Kindern, die im Rahmen der Inklusion am Regelunterricht teilnehmen, besteht ein diagnostizierter sonderpädagogischer Förderbedarf.“ Ganz im Sinne des Namensgebers sei die Franckeschule demnach ein Lernort für alle, macht der Schulelternrat klar. „Unser Argument war und ist, dass gut funktionierende Integration aller Schüler an einer Schule durch soziale Mischung begünstigt, wenn nicht erst ermöglicht wird.“ Bis zum heutigen Tag habe man von der Verwaltung keinerlei Reaktion auf Nachfragen erhalten. „Uns sind die konkreten Veränderungen der Schülerzahlen nicht bekannt, Vorschläge können wir also nur auf einer Vermutungsbasis machen. Wir waren aufgefordert, Vorschläge zu machen; die Vorschläge wurden von Mitgliedern des Ausschusses als Versuch der von sozialer Ausgrenzung interpretiert – das macht die letztlich eingeforderte produktive Beteiligung der Eltern in der Realität unmöglich“, mahnt der Schulelternrat.
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