Heftige Debatten im Kulturausschuss zu Genscher

Der Kulturausschuss hat sich am Mittwochabend eine heftige Debatte über eine Ehrung des verstorbenen ehemaligen Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher geleistet. Am Ende wurde der Umbenennung des Bahnhofsvorplatzes in Hans-Dietrich-Genscher-Platz zugestimmt. Christian Feigl (Grüne) stimmte mit Nein, Erwin Bartsch (Linke) enthielt sich. Der Vorschlag, das Herder-Gymnasium ebenfalls nach Genscher zu benennen, wurde dagegen mit einem Patt abgelehnt.
In der Debatte bekam insbesondere die Mitteldeutsche Zeitung ihr Fett weg, die wochenlang Druck gemacht hatte, eine Straße zu benennen und auch eine eigene Umfrage zu gestartet hatte. Christian Feigl (Grüne) sagte, er finde es „bemerkenswert“, wie ein von einer Lokalzeitung konstruiertes Thema den Stadträten inhaltlich vorgesetzt werde. Es sei auch nicht so, dass es keine Ehrung Genschers gegeben habe. Feigl wies dabei daraufhin, dass Genscher Ehrenschwager der Halloren war, zudem Ehrensenator von Leopoldina und Universität, zudem Ehrenbürger. „Das sollte man zu Kenntnis nehmen.“ Er sehe die Gefahr eines „Personenkults“ und eine „Heldenverehrung“. Man sollte Maß halten, das Wirken Genschers sei unterschiedlich zu bewerten. Kritikwürdig sei beispielsweise sein Agieren als damaliger Innenminister, als er rechtsstaatliche Regularien außer Kraft gesetzt habe. Ebenso zu hinterfragen sei das Verhältnis des Deutschen Staates zu Diktaturen in Südamerika in den 70ern. „Das wirft deutliche Schatten auf sein Leben“, so Feigl. Er wolle trotzdem nicht verhehlen, dass Genscher Großes für die europäische und deutsche Einheit getan habe. Trotzdem sei er nicht der Übervater. „Wir sollten den Ball flach halten.“
Ähnlich äußerte sich Katja Müller (Linke). Sie kritisierte zudem die im Vorfeld einberufene Arbeitsgruppe, die ein Chaos gewesen sei. Es habe keine Einladungen gegeben, auch keine Protokolle und Sitzungen hätten meist im Flur am Rande von Stadtratssitzungen stattgefunden. Kritikwürdig sei auch, dass die MZ jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf getrieben habe. Die völlig unkritische Auseinandersetzung sei nicht richtig gewesen. Der Staatsmann Genscher habe eine Ehrung verdient, beim Politiker Genscher sehe sie dies anders.
Egal welches Leben man nehme, überall gebe es Grautöne, sagte Ulrike Wünscher (CDU). Beispielhaft nannte sie die Debatten zu Emil Abderhalden. Wenn Genscher keine integrere Person gewesen wäre, hätte man keinen Staatsakt für ihn ausgerichtet. „Gerade wir als Ostdeutsche sollten den Mann nicht kleinreden, der Großes für die Einheit getan hat. Es mag ja Menschen geben, die sich die DDR zurück wünschen. Ich nicht.“ Genscher sei trotz der deutschen Teilung immer mit Halle verbunden gewesen, habe selbst Spendenaktionen beispielsweise für den Dom initiiert.
Harald Bartl (CDU) erklärte, „ich bin mir nicht ganz klar, warum wir uns bei bestimmten Namen der Geschichte so abarbeiten. Ist da nicht doch ein bisschen Ideologie im Spiel?“ Auch bei Ernst Thälmann und Martin Luther gebe es solche dunkel Punkte. „Wir merken nicht, wie wir uns demaskieren.“ Durch viele Ungeschicklichkeiten sei das Kind schon in den Brunnen gefallen. „Wir haben eine subjektive Brille auf, ohne zu sehen, dass wir objektiv daneben sind.“
„Man diskreditiert Genscher nicht, wenn man es anders sieht“, sagte Detlef Wend (SPD). Traurig finde er die Rolle der MZ, die offenbar für einen politischen Prozess wenig Respekt hat. Mit ihren „Genscher-Hype“ habe die MZ „qualitätslosen Käse“ abgeliefert. „Es war wirklich schrecklich, was in der Zeitung stand.“ Die MZ sei keinesfalls unparteiisch gewesen und habe diskreditiert, was ihr nicht passte.
Zur Umbenennung des Herder-Gymnasiums sagte Martin Bochmann (Die Partei), die sei „kulturelle Barbarei“. Zudem hätte sich Genscher bei der Festrede zum 100-jährigen Bestehen der Schule positiv darüber geäußert, dass die Schule nun den Namen Johann Gottfried Herder trägt.
„Erschüttert“ über die Vorlage sei er gewesen, sagte Erwin Bartsch (Linke). „Wie kann ein Gymnasium, das den Namen Herder trägt, auf die Idee kommen, sich umzubenennen.“ Herder sei einer der großen deutsche Dichter und Denker gewesen, eine Berühmtheit. „Die Schüler müssten stolz auf diesen Namen sein.“ Eine Umbenennung sei ein „Kulturfrevel“, Schulen sollten nie nach Politikern benannt werden. Dies sah Fraktionsgenossin Katja Müller ebenso. Sie war ein, was zum Beispiel passiere, wenn eine Schule den Beschluss fassen würde, sich nach Frauke Petry zu benennen.
Christian Feigl (Grüne) zitierte das Schulgesetz. Demnach erfolge eine Benennung immer im Einvernehmen von Schulträger, Schulamt und Gesamtkonferenz der Schule. Er finde es „äußerst unglücklich, einen großen Europäer rauszunehmen und durch eine Person aus dem politischen Zeitgeschehen zu ersetzen.“ Auch Detlef Wend (SPD) erklärte, eine Benennung nach Genscher fände es nicht gut, wollte sich deshalb enthalten und so dem Votum der Gesamtkonferenz nicht im Wege stehen.
Eine Lehrerin der Schule, Mitglied der Gesamtkonferenz sowie Mitglied der Initiative „Wir für Genscher“ konnte sich ebenfalls noch zu Wort melden. Mit Genscher hätte man einen Gegenwartsbezug, dieser hätte die Ideale Herders gelebt. Zudem habe man die Schüler befragt, 21 der 28 Klassen hätten sich klar für den verstorbenen Außenminister entschieden. „Eine Identifikation mit Genscher ist gegeben, mit Herder nicht.“
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