Heute vor 20 Jahren wurde die Himmelsscheibe aus den Händen von Raubgräbern gerettet
Vor genau 20 Jahren, am 23. Februar 2002, wurde die Himmelsscheibe von Nebra durch die Schweizer Polizei sichergestellt. Die in der Geschichte der deutschen Archäologie einmalige Aktion in einem Basler Hotel ist rückblickend sowohl Höhepunkt einer regelrechten Kriminalgeschichte als auch Auftakt zu einer einzigartigen Chronologie kriminalistischer, juristischer, archäologischer, natur- und kulturwissenschaftlicher Untersuchungen. Von Anfang an galt die Himmelsscheibe von Nebra als Fund von Weltrang. Aufgrund ihrer Bedeutung als weltweit älteste Darstellung kosmischer Phänomene wurde sie 2013 in das UNESCO-Dokumentenerbe ›Memory of the World‹ aufgenommen.
Die weltberühmte Himmelsscheibe von Nebra, die sich derzeit als Leihgabe in der Ausstellung ›The world of Stonehenge‹ im British Museum in London befindet, hatte vor ihrer Übergabe an das Landesmuseum für Vorgeschichte, ihre rechtmäßige Heimstatt, bereits bewegte Jahre hinter sich. Im Juli 1999 war sie auf dem Mittelberg bei Nebra von Sondengängern entdeckt und illegal ausgegraben worden. Die beiden Männer hatten zwar die Scheibe zunächst nicht als archäologisches Objekt identifiziert, wohl aber die Schwerter, Beile, Armspiralen und den Meißel, die mit der Himmelsscheibe vergraben waren. Anstatt sich, wie es das Denkmalschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vorschreibt, an das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) in Halle als die zuständige Behörde zu wenden, informierten die Männer einen ihnen bekannten Hehler aus dem Rheinland. Dieser erwarb den gesamten Fundkomplex für eine Summe von 32.000 DM und verkaufte ihn für 230.000 DM an einen Privatmann weiter, nachdem er ihn vergebens mehreren deutschen Museen zum Kauf angeboten hatte.
Nachdem der damals frisch ins Amt gekommene Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt Harald Meller 2001 von der Existenz des Hortes erfahren hatte und der damalige Besitzer die Funde, vermittelt durch eine Hehlerin, gewinnbringend an das Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale) verkaufen wollte, entschieden sich die Behörden des Landes Sachsen-Anhalt zu einer ungewöhnlichen Vorgehensweise. In Abstimmung mit dem damaligen Kultusministerium des Landes als der dem LDA übergeordneten Behörde, dem Innenministerium und dem Landeskriminalamt (LKA) sollte ein Ankauf des Hortes durch das LDA fingiert werden. Ein verdeckter Ermittler des LKA stand dem Landesarchäologen daraufhin bei allen weiteren Schritten zur Seite, darunter auch ein Treffen mit der Hehlerin.
Am 23. Februar 2002 kam es schließlich im Hotel Hilton Basel zu einem Treffen Harald Mellers mit der Hehlerin und dem damaligen Besitzer des Hortes. Diese wurden ab dem Zeitpunkt ihres Grenzübertritts durch die Schweizer Polizei observiert, nachdem das LKA die Basler Staatsanwaltschaft um Rechtshilfe ersucht hatte, und diesem Ersuchen innerhalb kürzester Zeit entsprochen worden war. Harald Meller begab sich nach einem Briefing durch die Basler Polizei und Staatsanwaltschaft zum vereinbarten Treffpunkt. Das Gespräch mit den Hehlern fand in der Hotelbar im Untergeschoss des ›Hilton‹ statt. Harald Meller erinnert sich: »Die Basler Polizei, der wir für ihre Unterstützung zu größtem Dank verpflichtet sind, hatte mir versichert, mich während des Treffens nicht aus den Augen zu lassen. Dass sich in der Bar außer den Hehlern, vor denen ich ausdrücklich gewarnt worden war, und mir nur Personal und wenige Gäste befanden, machte mich nervös. Dennoch führte ich, wie vorab besprochen, fingierte Echtheitstests an einem Beil und einem Schwert aus, die mir zuerst vorgelegt wurden. Die Himmelsscheibe, die ich damals zum ersten Mal im Original sah, wurde mir zuletzt vorgelegt: Der Besitzer hatte sie sich mit einem Handtuch vor den Bauch gebunden und zog sie erst spät unter seinem Pullover hervor.« Nachdem auch sie einer vorgeblichen Echtheitsuntersuchung unterzogen worden war, schnappte die Falle zu: Reibungslos erfolgten der Zugriff durch die Schweizer Polizei, die Festnahme aller Beteiligten und die Sicherstellung des Jahrhundertfundes. Alle Personen in der Bar, mit Ausnahme Mellers und seiner beiden Gesprächspartner, erwiesen sich als verdeckte Ermittler. Die übrigen Objekte aus dem Hortfund, die sich zum Zeitpunkt des Treffens nicht in Basel befanden, wurden im Zuge einer Hausdurchsuchung in Deutschland sichergestellt. Wenig später konnte das gesamte Ensemble an das Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale) übergeben werden.
Feiert das Jubiläum!
Das liest sich wie ein Krimi, sehr schön.
Daraus könnte man mal einen Kriminalfilm machen.