Interkulturelle Tour durch Halle: 8. Nacht der Migrantenorganisationen

Menschen aus 142 verschiedenen Nationen leben in Halle (Saale). 20.000 davon haben keinen deutschen Pass, 27.000 gelten als Personen mit Migrationshintergrund. Einige der Akteure konnte man am Samstagabend bei der mittlerweile 8. Nacht der Migrantenorganisationen kennenlernen. Auf einer Bustour durch die Stadt ging es zu verschiedenen Vereinen und Organisationen, vier Busse wurden dafür bei der HAVAG gechartert.
Los ging es wie in den Vorjahren in der Armenischen Gemeinde in der Alfred-Reinhardt-Straße in Halle-Ammendorf. Dort hat die Armenische Kirche sogar eine eigene Kirche, die einzige in ganz Ostdeutschland. 2009 wurde das von der katholischen Kirche aufgegebene Gotteshaus neu geweiht. „Die Armenier backen den besten Kuchen“, meinte die Integrationsbeauftragte Petra Schneutzer. Und davon konnten sich die Teilnehmer der Rundtour durch Halle überzeugen. Denn natürlich hatten die Armenier reichhaltig gebacken. Zudem gab es ein kleines musikalisches Programm. Die Armenische Kirche mit ihrem Oberhaupt Katholikus wurde im Jahr 301 nach Christus gegründet und war die erste christliche Kirche der Welt. Frauen müssen im Gottesdienst ein Kopftuch tragen, Männer dagegen dürfen keine Kopfbedeckung tragen. Etwa 50 Familien zählt die Armenische Gemeinde in Halle. Die Taufe ist für sie sehr wichtig, am achten Tag nach der Geburt findet diese statt. Eine Konfirmation gibt es in der Armenischen Kirche nicht. Erinnert wurde auch an die dunklen Zeiten, explizit der Völkermord in der Türkei. Kürzlich hatte eine Resolution im Bundestag diesbezüglich für Verstimmungen zwischen Deutschland und der Türkei gesorgt. Hunderttausende von ihnen fielen in den Jahren 1915 und 1916 den Mördern aus dem Osmanischen Reich zum Opfer. Die damaligen Ereignisse belasten immer noch das Verhältnis zwischen der Türkei und Armenien. Seit 2009 haben Sachsen-Anhalt und Armenien enge Kontakte. Hallesche Schulen haben auch bereits Schüleraustausche durchgeführt. In Halle, am Hansering, steht zudem ein Gedenkstein für die Opfer des Völkermords an den Armeniern, ein sogenannter Kreuzstein.
1993 hat sich die Islamische Gemeinde in Halle gebildet. Dorthin führte die nächste Station des Abends. Am Meeresbrunnen hat das Islamische Kulturcenter seinen Sitz. Ein Gebäude, das die Gemeinde aus den Spenden ihrer Mitglieder erworben hat. Zuvor gab es einen Gebetsraum in der Scheibe A, später dann in der Fleischerstraße. Etwa 110 Mitglieder hat der Verein. „Wir machen alles ehrenamtlich“, sagte ein Vertreter des IKC, der in Berlin geboren ist und der im schönsten berlinerisch den Hallensern über den Islam informierte. Er selbst studiert derzeit in Halle Pharmazie. Zum Freitagsgebet, das Pflicht für alle Männer ist, kommen etwa 1.500 Menschen, zum Opferfest sind es schon mal 3.000. Ein Teil der Gläubigen betet dabei auf der Wiese vor dem Kulturcenter, weil die Räumlichkeiten nicht ausreichen. Deshalb sucht die Islamische Gemeinde nach einem neuen Standort. Während in den meisten Städten jede islamische Volksgruppe unter sich bleibt, treffen sich in Halle alle beim Islamischen Kulturcenter, egal ob Kurden, Türken, Syrer, Algerier oder Nigerianer. Mit 95 Prozent sind die meisten Gläubigen Sunniten. Im Gebetsraum gibt es keine Bilder, um die Betenden nicht abzulenken. Probleme mit den Nachbarn gebe es nicht, meinte ein IKC-Vertreter. Man sorge nach den Freitagsgebeten auch immer dafür, dass die Wiese nebenan schnell gereinigt wird. Im IKC wird auch Deutsch-Unterricht angeboten, damit Geflüchtete schnell die Sprache lernen.
Am Niedersachsenplatz in Halle-Neustadt gibt es das Slawia-Kulturzentrum. Dort servierten die Vereinsmitglieder selbst gebackenen Kuchen und natürlich gab es Piroggen mit Kraut und Fleisch. Der Deutsch-Mongolische Verein „Gobi“ hatte am Niedersachsenplatz eine Jurte aufgebaut, die traditionellen Unterkünfte der Mongolen. Auf die Holzschwelle am Eingang der Jurte sollte man keinesfalls treten, mahnte Petra Schneutzer: beim Hereingehen bedeutet dies, man bringe den Bewohnern Unglück. Und beim Herausgehen zieht man in diesem Fall selbst Unglück auf sich, so der Glaube. Auch der SV Wostock war vertreten. Der Verein kümmert sich vor allem um Integration durch Sport.
Seinen Abschluss fand die Nacht der Migranten im Puschkinhaus. Hier stellten sich weitere Vereine vor wie die Arabische Oase. Die 2010 gegründete Initiative will insbesondere den Dialog zwischen der arabischen Welt und Europa fördern. 20 Menschen engagieren sich hier ehrenamtlich. Ausgezeichnet wurde die Initiative bereits mit dem Bürgerpreis „Der Esel der auf Rosen geht.“ Bei „Kalinka“, dargeboten von der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, klatschte der ganze Saal. Auch der Gospelchor der Christ Embassy sowie die Yiriba-Band aus Burkina Faso traten auf. Auch für das leibliche Wohl der Gäste war gesorgt. Am Buffet gab es afrikanische und russische Speisen.
32 Migrantenvereine gibt es in Halle, 27 davon sind im Bündnis für Migrantenorganisationen Mitglied, das diese spezielle Nacht präsentiert hat. Bis zur Flüchtlingskrise waren die Vietnamesen die größte Gruppe an Migranten in Halle. Dieses Verhältnis hat sich im vergangenen Jahr drastisch geändert. Inzwischen stammt die größte Gruppe der Ausländer in Halle aus Syrien. Auf Platz 2 folgen die Rumänen. Mit 11,5 Prozent hat Halle-Neustadt den höchsten Ausländeranteil in Halle.
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