Kriminalstatistik: weniger Gewaltdelikte, mehr Drogenvergehen
Die Zahl der Straftaten in Sachsen-Anhalt ist im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen. Allerdings vollzieht sich die Entwicklung in den einzelnen Feldern unterschiedlich. So gab es weniger Einbrüche. Dagegen wurden mehr Sexualstraftaten und Drogendelikte registriert.
Innenminister Holger Stahlknecht: „Rückgang der Kriminalität, höhere Aufklärungsquote, Rückgang bei den Wohnungseinbruchsdiebstählen“. Am heutigen Tag stellte Minister Stahlknecht in Magdeburg die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2017 vor. Mit insgesamt 186.550 von der Polizei erfassten Delikten liegt der Wert damit zum achten Mal in Folge unterhalb von 200.000 Straftaten. Gegenüber dem Jahr 2016 beträgt der Rückgang 9.914 Straftaten. Zudem stellt diese Zahl ein Zehn-Jahres-Tief dar.
Die Aufklärungsquote konnte im vergangenen Jahr abermals gesteigert werden und liegt mit 55,7 Prozent über dem Wert des Vorjahres (+0,3 Prozentpunkte). Gesunken ist die Anzahl der Tatverdächtigen um 4.657 auf die Gesamtzahl von 68.599 Tatverdächtigen.
Innenminister Stahlknecht: „Dass es so ist, wie es ist, stellt einen Verdienst unserer Polizei dar. Die positiven Zahlen sind indes keine Selbstverständlichkeit. Bitte bedenken Sie die gegenwärtigen Rahmenbedingungen. Stichworte: Personalsituation und Arbeitsaufwuchs. Diese verlangen den Kolleginnen und Kollegen mitunter sehr viel ab. Wofür ihnen ein Dank an dieser Stelle gebührt.“
2.1 Häufigkeitszahl
Die Häufigkeitszahl stellt den Anteil der begangenen Straftaten im Verhältnis zur Bevölkerungszahl dar. Sie wird anhand der polizeilich bekannt gewordenen Fälle errechnet, auf 100.000 Einwohner dargestellt und auch als Kriminalitätsbelastung beschrieben. Im Jahr 2017 lag diese bei 8.342 Straftaten je 100.000 Einwohner und sank damit um 407 Straftaten je 100.000 Einwohner (5-Jahres-Tief; Rückgang um 4,7 Prozent).
2.2 Tatverdächtige
Von den registrierten Tatverdächtigen waren 81 Prozent Erwachsene und lediglich 19 Prozent Jungtatverdächtige und somit unter 21 Jahren. 74,2 Prozent der Tatverdächtigen waren männlich; 25,8 Prozent weiblich. Die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen ging von 24,8 Prozent in 2016 auf 21,6 Prozent in 2017 zurück. Abzüglich der ausländerrechtlichen Straftaten, also Straftaten, die nur von Nichtdeutschen begangen werden können, wurden 9.762 Nichtdeutsche als Tatverdächtige registriert.
Die Gesamtzahl der Jungtatverdächtigen, das heißt Tatverdächtige, die unter 21 Jahre alt sind, beläuft sich 2017 auf 13.015. Diese Gruppe beging insgesamt 18.491 Straftaten. Hier ist ein Rückgang von 5,9 Prozent (1.165 Fälle) zu 2016 zu verzeichnen. Die 197 Intensiv-Jungtatverdächtigen (begehen mehr als neun Einzelhandlungen im Kalenderjahr pro Person) verursachten 2.987 Fälle. Damit haben lediglich 1,5 Prozent der Jungtatverdächtigen (13.015 Personen) 16,1 Prozent der Gesamtfälle in dieser Gruppe begangen.
Im Bereich der erwachsenen Tatverdächtigen entfielen 84.373 Fälle auf 55.584 Personen. 1,5 Prozent der Tatverdächtigen (846 Personen) sind dabei für 16,6 Prozent aller Straftaten (14.028 Fälle) verantwortlich (erwachsene Intensivtatverdächtige).
2.3 Anteile von Straftatengruppen an der Gesamtkriminalität
· Diebstahl insgesamt: 73.498 (39,4 Prozent)
· Rohheitsdelikte/Straftaten gegen die persönliche Freiheit: 24.816 (13,3 Prozent)
· strafrechtliche Nebengesetze: 16.723 (9,0 Prozent)
· sonstige Straftatbestände StGB: 38.962 (20,9 Prozent)
· Vermögens- und Fälschungsdelikte: 30.802 (16,5 Prozent)
· Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung: 1.640 (0,9 Prozent)
· Straftaten gegen das Leben: 109 (0,1 Prozent)
2.4 Entwicklung ausgewählter Deliktsbereiche
2.4.1 Entwicklung der Fallzahlen beim Diebstahl insgesamt und bei Wohnungseinbruchdiebstählen
Der Diebstahl bildet mit einem Anteil von 39,4 Prozent an der Gesamtkriminalität den mit Abstand größten Schwerpunkt der Kriminalität. Die Fallzahlen sind im zweiten Jahr in Folge von 79.599 auf nunmehr 73.498 Fälle gesunken. Dies bedeutet für 2017 einen erneuten Rückgang um 7,7 Prozent und zugleich die niedrigste Fallzahl im 10-Jahres-Vergleich.
Delikte des Wohnungseinbruchsdiebstahls nahmen erstmals nach zuvor sieben Jahren der Steigerung in 2017 auf 2.715 Fälle ab. Diese Form des Diebstahls sank im Vergleich zu 2016 um 11,3 Prozent (346 Fälle).
2.4.2 Entwicklung der Rauschgiftdelikte
Im Jahr 2017 wurden in Sachsen-Anhalt 8.382 Fälle der Rauschgiftkriminalität registriert. Das waren 1.041 Fälle bzw. 14,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Der überwiegende Teil, 4.272 Fälle bzw. 52 Prozent, kann Cannabis zugeordnet werden. Weitere 1.981 Fälle bzw. 24 Prozent entfallen auf Methamphetamin-Substanzen, 1.315 Fälle oder 16 Prozent auf Amphetamin-Substanzen.
2.4.3 Gewaltkriminalität
Die Entwicklung der Gewaltkriminalität ist in 2017 erneut leicht rückläufig Der Rückgang in den Fallzahlen, – 117 Fälle oder – 2,0 Prozent, entspricht einem Aufkommen in 2017 von 5.648 Fällen.
2.4.4 Straftaten mit Tatmittel Internet
In den Delikten der Straftaten mit Tatmittel Internet ist weiterhin ein Anstieg erkennbar. Dieser betrug 11.052 Fälle; 12,5 Prozent mehr im Vergleich zu 2016.
2.4.5 Sexuelle Selbstbestimmung/Vergewaltigung
Im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung war im vergangenen Jahr ein Anstieg um 160 Fälle auf 1.640 Straftaten 2017 zu verzeichnen. Diese Entwicklung ist in erster Linie auf eine Änderung im Sexualstrafrecht sowie die notwendige Erfassung in der PKS im Jahr 2017 zurückzuführen. Allein auf den neu geschaffenen Paragrafen 184 i StGB (Sexuelle Belästigung) entfielen 221 Straftaten. Ebenfalls reformiert wurde der Straftatbestand des Paragrafen 177 StGB (Vergewaltigung; „Nein heißt nein!“). Betrachtet man ausschließlich die Anzahl der Vergewaltigungen in dieser Deliktsgruppe, ist ein erheblicher Rückgang um 86 Fälle von ursprünglich 255 auf 169 Fälle erkennbar (minus 33,7 Prozent). Eine Vergleichbarkeit zu den Vorjahren ist damit nur bedingt möglich.
2.5 Kriminalität begangen von Zuwanderern
Im Jahr 2017 wurden in Sachsen-Anhalt deutlich weniger Straftaten von Zuwanderern registriert. Zuwanderer im Sinne der Polizeilichen Kriminalstatistik sind Nichtdeutsche, die sich unerlaubt oder erlaubt mit dem Aufenthaltsstaus Asylbewerber, einer Duldung, als Kontingent- und Bürgerkriegsflüchtling oder als Schutz- und Asylberechtigte in Deutschland aufhalten. Insgesamt wurden von dieser Personengruppe 12.679 Straftaten begangen. Dies bedeutet einen Rückgang von 2.665 Fällen bzw. 17,4 Prozent im Vergleich zu 2016. Bei dem größten Anteil der begangenen Delikte handelt es sich um Verstöße gegen ausländerrechtliche Bestimmungen. Dies betrifft etwa die illegale Einreise in das Bundesgebiet oder die Verletzung von Aufenthaltsbeschränkungen. Bei 5.477 Fällen bedeutet dies ein Rückgang von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr in dieser Deliktsgruppe (Rückgang der Zuwandererzahlen).
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Rüdiger Erben, fordert in diesem Zusammenhang die Landesregierung auf, eine so genannte „Dunkelfeldstudie“ zur Kriminalität in Sachsen-Anhalt nach dem Vorbild Niedersachsens in Auftrag zu geben. Eine solche Dunkelfeldstudie soll Informationen über die Kriminalitätslage in Sachsen-Anhalt liefern, die über die offizielle Statistik hinausgehen. Nach Auffassung des SPD-Innenpolitikers ist die PKS nur begrenzt aussagekräftig. Erben: „In der PKS sind nur die Delikte erfasst, von denen die Polizei weiß, doch das sind längst nicht alle. Es ist allgemein bekannt, dass viele Straftaten gar nicht angezeigt und deswegen auch nicht von der PKS erfasst werden. Um ein realistisches Bild von der tatsächlichen Zahl der Straftaten in Sachsen-Anhalt zu erhalten, schlage ich nach dem Vorbild von Niedersachsen eine Studie vor, die das so genannte ‚Dunkelfeld‘, also den Bereich der nicht angezeigten Straftaten, beleuchtet.“ Er verweist darauf, dass das Nachbarland Niedersachsen entsprechende Untersuchungen bereits seit 2013 alle zwei Jahre durchführt. Dafür werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie beispielsweise gefragt, ob sie Opfer einer Straftat geworden sind und ob sie diese angezeigt haben, ob sie sich in ihrer Umgebung sicher fühlen und wie sie die Arbeit der Polizei beurteilen. Im Dezember 2017 hat zudem die Innenministerkonferenz beschlossen, alle zwei Jahre unter Verantwortung des BKA eine bundesweite Dunkelfeld-Opferbefragung (Viktimisierungssurvey) durchzuführen. Um jedoch umfassende Informationen über die Kriminalitätslage in Sachsen-Anhalt zu erlangen, bedarf es nach Auffassung des SPD-Politikers einer Studie, die sich speziell auf das Dunkelfeld der Kriminalität in Sachsen-Anhalt bezieht. Erben erklärte weiter: „Nur wenn wir das wirkliche Ausmaß der Kriminalität erkennen, wissen wir, wo Prävention richtig ansetzen und die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung verbessert werden kann.“
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