Landtag beschließt neues Bestattungsgesetz: Sachsen-Anhalt erlaubt Tuchbestattung und Ascheentnahme für Erinnerungsstücke wie Gedenkdiamanten, Regelungen zu Sternenkindern

Sachsen-Anhalt hat ein neues Bestattungsgesetz: Der Landtag verabschiedete am Donnerstag eine umfassende Novelle des Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen. Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) sprach nach intensiven Beratungen von einem „wichtigen Schritt hin zu einem zeitgemäßen und interkulturell offenen Bestattungsrecht“.
Zentraler Bestandteil der Gesetzesänderung ist die stärkere Berücksichtigung religiöser und kultureller Bedürfnisse. So soll in Sachsen-Anhalt künftig die sogenannte Tuchbestattung – also eine Bestattung ohne Sarg – unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein. Dies sei besonders für jüdische und muslimische Gläubige von Bedeutung, betonte Grimm-Benne: „Die Vielfalt der Religionen und Weltanschauungen in unserem Land verdient Respekt. Mit der Aufhebung der Sargpflicht setzen wir ein wichtiges Zeichen.“ Die Entscheidungshoheit verbleibt dabei bei den Friedhofsträgern, denen ein Widerspruchsrecht eingeräumt wird.
Ausdrücklich gesetzlich geregelt wird auch der Umgang mit sogenannten Sternenkindern – also fehlgeborenen Kindern, die kein Lebenszeichen gezeigt haben. Wenn Eltern keine Bestattung veranlassen, müssen künftig die geburtshilflichen Einrichtungen eine würdevolle Beisetzung sicherstellen. „Auch die kürzesten Leben verdienen unsere Achtung“, so die Ministerin.
Ein weiterer Punkt der Reform ist die Einführung einer zweiten Leichenschau – nicht mehr nur bei Feuer-, sondern künftig auch bei Erdbestattungen. Damit folgt Sachsen-Anhalt einer kriminalistischen Empfehlung, um mögliche unerkannte Todesursachen aufzudecken. „Wir nehmen bundesweit eine Vorreiterrolle ein“, sagte Grimm-Benne.
Einen bundesweit einmaligen Schritt geht das Land auch mit der legalisierten Entnahme kleiner Mengen Asche Verstorbener. Erstmals wird es möglich sein, bis zu fünf Gramm Asche zur würdevollen Nutzung in Erinnerungsstücken – etwa Gedenkdiamanten – zu entnehmen.
Zudem wird künftig die Verwendung von Grabsteinen aus Naturstein verboten, wenn sie unter ausbeuterischer Kinderarbeit entstanden sind. Auch das dauerhafte Ruherecht für im Auslandseinsatz verstorbene Bundeswehrsoldaten in Ehrengräbern ist nun gesetzlich geregelt.
Zur Verabschiedung des neuen Bestattungsgesetzes erklärt Tobias Krull, sozialpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt: „Das neue Bestattungsgesetz ist ein wichtiger Schritt – für unsere Gesellschaft und für die Bestattungskultur. Es war ein langer und intensiver Prozess, bei dem wir zwischen Tradition, gesellschaftlichem Wandel und persönlichen Überzeugungen abgewogen haben. Wir sichern unter anderem eine würdige Bestattung für Sternenkinder, führen Ehrengräber für im Dienst gefallene Soldatinnen und Soldaten ein und ermöglichen praktikable Nachweise bei der Grabsteinherkunft – ohne Handwerksbetriebe zu belasten. Gleichzeitig setzen wir klare Grenzen: Eine Aufhebung der Friedhofspflicht lehnt die CDU entschieden ab. Trauer ist individuell – aber keine rein private Angelegenheit. Mit der neu geregelten Möglichkeit zur Entnahme von Asche schaffen wir Raum für eine moderne Erinnerungskultur, die den Bedürfnissen der Menschen heute gerecht wird und zugleich den Respekt vor Verstorbenen wahrt.“
Zur heutigen Verabschiedung des novellierten Bestattungsgesetzes im Landtag von Sachsen-Anhalt erklärt Cornelia Lüddemann, Fraktionsvorsitzende der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen: „Nach mehr als zehn Jahren parlamentarischer Auseinandersetzung und einem Vorlauf von zwei Jahrzehnten ist es höchste Zeit, dass Sachsen-Anhalt endlich ein neues Bestattungsgesetz erhält. Einige Fortschritte sind ohne Frage zu begrüßen: eine sorgfältigere Spurensicherung bei Verdachtsfällen, ein klares Nein zu Kinderarbeit auf Friedhöfen, würdige Regelungen für Sternenkinder und eine verlängerte Bestattungsfrist, die den Angehörigen in Zeiten der Trauer mehr Raum gibt.“ Doch trotz dieser Verbesserungen bleibt das Gesetz aus Sicht der grünen Fraktion ein halbherziger Kompromiss. Insbesondere bei Fragen der Religionsfreiheit und kulturellen Teilhabe enttäuscht die schwarz-rot-gelbe Koalition: „Zwar wird die Pflicht zur Sargbestattung gelockert – doch, ob jüdische und muslimische Bestattungen künftig möglich sind, hängt nun vom Wohlwollen der jeweiligen Friedhofsträger ab. Das ist keine Gleichberechtigung, sondern gesetzlich geregelte Unsicherheit“, kritisiert Lüddemann. Auch die Chancen, neue, würdevolle und umweltverträgliche Bestattungsformen, wie die Reerdigung, zu ermöglichen oder den Friedhofszwang behutsam zu lockern, wurden erneut vertan. „So bleibt das Gesetz ein Abbild vergangener Denkmuster – nicht Ausdruck eines modernen, vielfältigen und freiheitsorientierten Sachsen-Anhalts“, so Lüddemann weiter. Die grüne Fraktion hatte sich wiederholt für eine umfassende Modernisierung eingesetzt, die individuelle Bedürfnisse und gesellschaftliche Vielfalt stärker berücksichtigt. Lüddemann abschließend: „Ein Gesetz, das Jahrzehnte Bestand haben soll, braucht mehr Mut zur Veränderung und mehr Vertrauen in die Menschen. Dieses Gesetz schafft Fakten – aber keine Zukunft.“
Für die SPD-Fraktion betonte die sozialpolitische Sprecherin Katrin Gensecke, dass damit „die letzten Dinge des Menschseins geregelt“ würden.„Die Beratungen in der Koalition waren immer getragen vom Gedanken, die letzten Wünsche der Menschen mit Würde zu respektieren, unsere kulturellen und religiösen Traditionen und Wurzeln zu beachten, aber ebenso Veränderungen in der Trauerkultur mehr Raum zu geben“, sagte Gensecke. Besonderen Wert legte Gensecke auf die religiöse Öffnung: „Als SPD haben wir immer an der Öffnung des Bestattungsgesetzes festgehalten, denn es ist für uns Ausdruck von Respekt vor den religiösen Überzeugungen. Künftig wird es in den Kommunen möglich sein, Bestattungen im Tuch zu regeln. Das ist vor allem für jüdische und muslimische Gläubige von Bedeutung. Damit respektieren wir, dass Menschen, die ihr Zuhause in Sachsen-Anhalt haben, auch ihre Toten nach ihren Traditionen hier zur letzten Ruhe betten.“
„Es ist höchste Zeit für ein moderneres und liberaleres Bestattungsgesetz. Ich bin sehr froh, dass wir im Landtag nun die Novelle verabschiedet haben“, erklärte Konstantin Pott, sozialpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion. „Freiheit und Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen sind ein hohes Gut und dürfen auch mit dem Tod nicht enden. Es ist gut, dass die Deutschlandkoalition nun erstmals seit Jahrzehnten das Bestattungsrecht erneuert.“ Das neue Gesetz bringt aus Sicht der FDP-Landtagsfraktion vor allem drei zentrale Verbesserungen: An erster Stelle steht die Möglichkeit der Ascheentnahme. Angehörige können künftig eine geringe Menge Asche für persönliche Erinnerungsstücke – etwa für das Pressen von Diamanten – entnehmen lassen. Ebenfalls von großer Bedeutung ist die nun verbindliche Pflicht zur Bestattung von sogenannten Sternenkindern, um ihnen einen würdevollen Platz des Gedenkens zu geben. Zudem wird die Tuchbestattung ermöglicht, was insbesondere für muslimische und jüdische Menschen wichtig ist. Die FDP erinnert daran, dass bereits 2005 der damalige liberale Sozialminister Gerry Kley eine Modernisierung des Bestattungsgesetzes angestoßen hatte. „Nach fast 20 Jahren ist es nun wieder mit den Freien Demokraten in Regierungsverantwortung gelungen, dieses Gesetz zu reformieren“, betonte Pott: „Für uns steht der Wille des Verstorbenen im Fokus. Dieser muss zu Lebzeiten den Wunsch einer alternativen Bestattungsform gewählt und schriftlich festgehalten haben.“ Die Liberalen kündigten an, sich auch in Zukunft für weitere Reformen einzusetzen. „Wir werden uns als FDP für die Öffnung hin zu alternativen Bestattungsformen stark machen, wie etwa Reerdigung. Die heutige Reform ist ein wichtiger Schritt – aber noch nicht das Ende des Weges zu voller Selbstbestimmung“, sagte Pott.
Viel Spaß mit den Moorleichen wenn man Tuchbestattungen im Lehmboden vornimmt!
Wenn Ideologie Hirn schlägt.
Das hat nichts mit Ideologie zu tun. Ist doch vernünftig. Besser als Bestattung in einer Holzkiste oder? Am besten wäre sowieso Kompostierung.
In Holzkisten ist ausreichend Sauerstoff vorhanden, um auch im feuchten mitteleuropäischen Boden die Verwesung zu ermöglichen. Anders als in Wüstenstaaten reicht da ein Tuch nicht aus. Ergebnis: Die Leichen werden im Zweifel konserviert und es könnte zu Überraschungen kommen wenn das Grab neu belegt werden soll. Deshalb hat die Sargpflicht in Deutschland immer einen guten Grund gehabt.
Du glaubst echt, dass der Sauerstoff, der in etwa 1 m² Luft enthalten ist, die Verwesung von 80 kg Körper maßgeblich beeinflusst?
Auf vielen Friedhöfen ist es üblich, dass der Baggerfahrer beim Verfüllen des Grabes den Deckel beschädigt, damit Erde in den Sarg kommt und die Bodenlebewesen mit der Verarbeitung beginnen können.
Lehm ist kein Moor.
Ich verstehe nicht, warum die Politik den Menschen vorschreiben will, wie jemand beerdigt werden soll. Das ist in meinen Augen eine absolute Privatsache.
OK, wenn ich mal tot bin, will ich in deinem Wohnzimmer verwesen.
Da ist wieder der CDU Wille der Kirche, warum wurde die Friedhofspflicht nicht abgeschafft? Das wäre modern gewesen. In einem anderem Bundesland war man da mutiger.
Friedhofsgebühren steigen immer mehr an.
Was mit mir passiert,wenn ich tot bin ist mir wurscht.
Wenn man tot ist, heißt es „Game Over“.
Da gebe ich Emmi recht. Mit dieser Argumentation könnten auch hier lebende Hindus (Indien), gemäss ihrer Kultur, an der Saale ihre Scheiterhaufen errichten und die Asche der Verstorbenen in die Saale (Ganges) streuen.
das Bestattungswesen, der Staat ist gezielt auf das Geld der Toten angewiesen, man wird geboren kostet Geld, man lebt kostet Geld und das Steben der Rest deines Geldes