Merseburger Straße: Allee und zwei Spuren oder vier Spuren und Häußerabriss
Seit Monaten schon beschäftigt der Ausbau der Merseburger Straße die hallesche Stadtpolitik. Jetzt hat die Stadtverwaltung erste Planungen für den Bereich zwischen Thüringer Straße und Halle-Ammendorf vorgelegt. Voraussichtlich in den Jahren 2017 bis 2019 soll gebaut werden, sagte Baudezernent Uwe Stäglin auf Nachfrage. „Wir arbeiten an einer Beschlussvorlage.“ Noch vor der Sommerpause wird eine Bürgerversammlung für den Abschnitt Thüringer Straße bis Rosengarten durchgeführt, nach der Sommerpause dann für den südlichen Abschnitt bis Regensburger Straße.
Zahlreiche Varianten mit Untervarianten wurden und werden untersucht. Festgelegt hat sich die Verwaltung dabei noch nicht. Dem Planungsausschuss wurden aber zumindest am Dienstag erste Entwürfe vorgelegt. Dabei handelt es sich aber nur um Entwürfe, noch keine beschlossenen Pläne. Die Verwaltung steht dabei vor dem Dilemma, mehrere Stadtratsbeschlüsse umsetzen zu müssen, die sich bei dem teilweise engen Straßenraum eigentlich nicht zusammen umsetzen lassen. Finanziert werden sollen die Maßnahmen über das Stadtbahnprogramm. Das hat zum Ziel, die Straßenbahn zu beschleunigen. Gefordert wird ein eigener Gleiskörper, andernfalls fließen die Fördermittel nicht. Und auf die hohe Förderung von bis zu 90 Prozent ist die Stadt angewiesen, um überhaupt Maßnahmen durchführen zu können. Zwar hat die Straßenbahn teilweise schon einen eigenen Gleiskörper. Doch im Bereich Rosengartenbrücke und ab der Kurt-Wüsteneck-Straße Richtung Süden teilt sich die Bahn den Straßenraum mit dem Individualverkehr. Daneben fordert das Stadtbahnprogramm barrierefreie Haltestellen. Hier gibt es im Bereich der Merseburger Straße noch viel zu tun.
Hinzu kommt aber auch die Baumreihe. Die Stadtratsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen hatte bereits im vergangenen Jahr Sorgen um die Allee und fragte nach. Baudezernent Uwe Stäglin antwortete damals: „Eine Genehmigung zur Fällung von Alleebäumen ohne fachliche Begründung, dass die Fällung aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist, kann nicht erteilt werden.“ Allerdings könne eine Befreiung vom Schutz der gesetzlich geschützten Allee unabhängig von einer Ersatzpflanzung erteilt werden, wenn die Kriterien des § 67 Bundesnaturschutzgesetz zutreffen – sprich: öffentliches Interesse, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art. Und machte Stäglin auch klar, dass im Rahmen einer Vorplanung alle Möglichkeiten zu untersuchen und auf der Grundlage der geltenden Regelwerke und der gesetzlichen Vorgaben zu bewerten sind. „Damit müssen neben der vom Stadtrat vorgegebenen Variante der Vierspurigkeit alle denkbaren Alternativen geprüft werden. Dies ist eine zwingende Voraussetzung für die erfolgreiche Baurechtsschaffung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens.“
Im Bereich Thüringer Straße bis Damaschkestraße schlägt die Verwaltung im Bereich der Haltestellen eine angehobene Fahrbahn vor, um die Barrierefreiheit herzustellen. Diese Variante wurde schon in der Ludwig-Wucherer-Straße an der Station Lessingstraße umgesetzt. Allerdings würde man mit dieser Variante den Verkehrsfluss unterbrechen, bräuchte eine Signalisierung. Die andere Variante besteht aus einem Mittelbahnsteig, so wie er vielfach in Halle umgesetzt wurde. Doch in der Merseburger Straße würde das bei einem regelkonformen Ausbau bedeuten, dass in die geschützte Baumreihe eingegriffen wird. Außerdem würde sich der Straßenraum näher an die Häuser verschieben, der Lärm dort würde zunehmen. Immerhin will die Stadt aber in diesem Bereich, der je nach Wochentag von bis zu 23.700 Autos befahren wird, eine Vierspurigkeit erhalten.
Auch zwischen Damaschkestraße und Bunastraße soll die Merseburger Straße vierspurig bleiben. Knackpunkte sind hier die Linksabbiegespuren in die Bunastraße und Theodor-Neubauer-Straße. Bei zwei Spuren je Richtung zuzüglich Linksabbieger müsste in den Baumbestand eingegriffen werden. Eine Spur plus Linksabbieger würde dagegen den Verkehrsfluss mindern. Auch für die Fußgängerquerung am Bereich Gustav-Bachmann-Straße wurden verschiedene Varianten untersucht – die mehr oder weniger in den Baumbestand eingreifen.
Die neu zu bauenden Eisenbahnbrücken im Bereich Rosengarten werden eine Vierspurigkeit erlauben. Doch Schwierigkeiten dürfte es auch hier mit einem Mittelbahnsteig geben, meint Stäglin. Also wird wohl auch hier die Lösung der angehobenen Fahrbahn umgesetzt.
Danach wird es dann aber richtig kompliziert. Denn zwischen Rosengarten und Pappelallee (Tankestelle/Baumarkt) steht nur ein 27 Meter breiter Raum zur Verfügung. Es müssten also Grundstücke erworben werden, um die Vierspurigkeit zu erhalten. Auch Eingriffe in die Baumreihe wären nötig. Die Lösung wäre eine 3.65m breite Fahrbahn und ein 1.85m breiter Radweg. „Das ist ausreichend für die Leistungsfähigkeit.“ Bei maximal 20.000 Fahrzeugen liegt die Belastung momentan am Tag, durch die volle Inbetriebnahme der Osttangente geht die Stadt immer noch von einem weiteren Sinken der Belegungszahlen aus. Eine Linksabbiegemöglichkeit von der Merseburger Straße in die Kasseler Straße wird nicht geschaffen, hier liege von Seiten der Anwohner keine Priorität vor, erläuterte Stäglin.
Strittig wird es dann wieder beim Abschnitt zwischen Kurt-Wüsteneck-Straße und Georgi-Dimitroff-Straße. Hier hat die Straßenbahn keinen eigenen Bahnkörper. Teilweise stehen hier durch die enge Bebauung nicht einmal 26 Meter Straßenraum zur Verfügung. Kein Platz also, um einen gesonderten Bahnkörper sowie Fuß- und Radwege unterzubringen. „Für einen regelkonformen Ausbau wäre ein Eingriff auf einer gesamten Seite nötig“, so Stäglin. Sprich: auf einer Seite müsste eine komplette Häuserzeile abgerissen werden. Eine Variante, die niemand ernsthaft umsetzen will, aber die geprüft werden muss – schließlich gibt es ja bestehende Stadtratsbeschlüsse. Die Verwaltung wird aber voraussichtlich in diesem Bereich eine Straße mit einer Fahrbahn je Richtung vorschlagen, die Baum-Allee soll neu aufgebaut werden. Andernfalls würde sich die städtebauliche Qualität verschlechtern. Auch begründe die vorhersehbare Verkehrsentwicklung keine vierspurige Straße in diesem Bereich, so Stäglin. Aktuell liegt die Verkehrsbelegung bei 15.500 Fahrzeugen am Tag. Haltestellen sollen in diesem Bereich ebenfalls als angehobene Fahrbahn umgesetzt werden.
Mehr Platz hat die Stadt dann im letzten Abschnitt zwischen Georgi-Dimitroff-Straße und der Regensburger Straße. Hier liegt die Verkehrsbelegung bei 22.000 Fahrzeugen am Tag, weshalb hier die Vierspurigkeit erhalten bleiben soll. Dafür soll aber möglicherweise die Straßenbahnhaltestelle Florian-Geyer-Platz wegfallen, sie liegt nach Ansicht der Stadtplaner zu nah an der nächsten Haltestelle – der Endstation in Ammendorf. Die soll im Rahmen des Stadtbahnprogramms zu einer modernen Verkehrsschnittstelle mit Park&Ride-Platz umgestaltet werden. Auch soll der Umstieg von der Straßenbahn in den Bus künftig einfacher vonstatten gehen.
Im Herbst werden dann den Stadträten konkrete Beschlussvorlagen präsentiert. Und dann beginnt erst die große Diskussion über die unzähligen Varianten und Untervarianten.
Bereits beschlossen ist der Verzicht der Vierspurigkeit zwischen Riebeckplatz und Thüringer Straße. Hier soll es nur noch eine sogenannte „überbreite Fahrbahn“ geben. Derzeit gibt es zwischen Thünringer Straße und Riebeckplatz noch zwei Spuren je Richtung sowie einen eigenen Gleiskörper. Doch regelkonform sind die jetzigen Straßenverläufe nach den aktuell gültigen Gesetzen nicht mehr. Um einen regelkonformen vierstreifigen Ausbau mit eigenem Bahnkörper zu ermöglichen, müsste man andernfalls die komplette Häuserzeile an der östlichen Merseburger Straße zwischen Rudolf-Ernst-Weise-Straße und Naundorfer Straße abreißen. Denn an der engsten Stelle sind nur 23.70m Platz, 28.10 Meter wären laut Stadt jedoch für die regelkonforme vierstreifige Variante mit eigenem Bahnkörper und Fuß- und Radwegen auf beiden Seiten nötig.
Gestern hat die Verwaltung in der MZ noch das Wachstum der Stadt Halle verkündet, es wird eine grandiose Entwicklung mit Wolkenkratzern am Riebeckplatz diskutiert und eine der Hauptachsen im Verkehrskonzept soll zurück gebaut werden. Verstehe einer diese strategische Konsistenz.
Die Bäume sind als dankbares Objekt vorgeschoben, da auch beim Ausbau Strasse Gimritzer Damm fleißig gefällt wird.
Mit dem Umbau des nördlichen Abschnittes der Merseburger Straße-Riebeckplatz- Thüringer Straße ab 2017 hat der Stadtrat beschlossen, dass es dann pro Fahrtrichtung nur noch eine überbreite Fahrspur geben wird. Somit wurden trotz großer Bedenken, alternativer Vorschläge und der zu erwartenden neuer Staufalle immer wieder von den Befürwortern betont, dass sie eine politische Entscheidung gegen den Individualverkehr u. gegen den Bürgerwillen treffen wollten.
Im Stadtrat wollen die Grünen laut Amtsblatt Nr. 22/2015 vom 19.12.2015 S.4 in der Junisitzung 2016 einen weiteren Vorstoß unternehmen, um die Merseburger Straße auf den nächsten Abschnitten bis Ammendorf auf zwei Spuren zu reduzieren.
Die praktischen Auswirkungen sollten den Hallensern bewusst gemacht werden. Halle braucht keine zweite Delitzscher Straße! Wir werden als Bürgerinitiative mit anderen Gleichgesinnten dabei mithelfen,ein Bündnis aller Befürworter der Vierspurigkeit zu bilden, damit der Verkehr von und nach der Bundesstraße 91 nicht im täglichen Stau endet. Es ist mehr als paradox, wenn die Befürworter der Einspurigkeit einerseits weniger Umweltbelastung als Ziel im Programm stehen haben und dann dafür sorgen, dass mehr Schadstoffausstoß und Behinderungen organisiert werden. Die Bäume sind dann dafür verantwortlich, wenn Menschen nicht rechtzeitig geholfen werden kann, weil Feuerwehr und Krankenwagen nicht mehr durch kommen. Auch den Nahverkehr macht man dadurch nicht attraktiver. Dafür müssten Taktzeiten verringert, mehr Fahrten in den Abendstunden und Wochenenden stattfinden und die Preise stabil bleiben.
Die ewige Wiederholung von Spekulationen und Halbwahrheiten und eine einseitige Darstellung der Fakten macht die Argumentation der MIV-Befürworter nicht glaubwürdiger. Eine vierspurige Merseburger Straße ist nicht „der Bürgerwille“. Auch wird keine Entscheidung gegen den Individualverkehr an sich getroffen, sondern nur gegen Verkehr, der verzichtbar wäre, und momentan nur deshalb stattfindet, weil es einfach möglich ist.
Lieber Hajo von der BI Rosengarten: Stell’ dich bitte mal an die Merseburger Straße und zähle die Fahrzeuge, in denen nur eine Person sitzt – und dann achte mal darauf, wieviele davon ein hallisches Kennzeichen haben. Ein Umdenken muss stattfinden, ob ihr wollt oder nicht. Eine Stadt muss zuallererst Lebensraum sein (also ein Ort, an dem Menschen leben, sich als Menschen (nicht als Autofahrer) frei bewegen können und sicher fühlen). Erst in zweiter Linie muss der motorisierte Individualverkehr Berücksichtigung finden.
Nach der vollmundigen Einleitung hatte ich Fakten erwartet. Es wird auch nur über den Bürgerwillen spekuliert.
– die einzige Verkehrszählung, die ich gesehen habe, zeigt auf dem letzten Teilstück der Merseburger deutlich über 30.000 Kfz/Tag, mehr als für eine 2-spurige Stadtstrasse nach RASt empfohlen wird.
– Die ÖPNV-Anbindung des Saalekreises an die Stadt ist ausgesprochen schlecht. Taktzeiten zum Teil 2 Std. Deshalb entscheiden sich viele Pendler für das Auto.
– Zur Belebung der Innenstadt ist man auf die Kaufkraft des Kreisbewohner angewiesen.
– eCar (7 g/Pkm) hat eine deutlich positivere Auswirkung auf den CO2-Ausstoß als Straßenbahn (72 g/Pkm); eine Transformation des Verkehrs in Richtung e-mobilität ist mindestens gleichwertig zum ÖPNV.
– die angestrebten Fahrzeitverkürzungen durch eigene Gleisbett haben fast keine Auswirkung auf die Akzeptanz des ÖPNV. Kürzere Taktzeiten hätten dies schon (z.B. autonome E-Kleinbusse auf eigenen E-Spuren)
– Verschlechterung der Servicequalität der Strassen führt zu mehr CO2-Ausstoß durch Stau und Verlagerung des Verkehrs und nur zum kleinen Teil zum Umstieg auf ÖPNV.
Gegen die Ideologie der Gängelung und Verhinderung anstatt Überzeugung gibt es leider keine Fakten.